Erneuerbare Energien & Klimawandel: Globale Baustellen

Im Interview spricht Dr. Stefan Arnold, Vorstandsvorsitzender der ISPEX AG aus Bayreuth, über die großen Aufgaben, die zu bewältigen sind, um die Energiewende voranzutreiben und die globalen Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen und den Klimawandel zu stoppen; außerdem über die Situation der Energieerzeuger und Abnehmer sowie über das Instrument der Direktvermarktung.

Am 1. August trat nach langem Ringen das EEG 2.0 in Kraft, aber die Kritik reißt nicht ab und das BMWI denkt bereits über weitere Reformen nach. Wo sehen Sie noch Reformbedarf, was sind die größten Schwächen, was die Stärken des Reformpakets?

Es ist positiv, dass das neue EEG die Weichen so stellt, dass der massive Anstieg der EEG-Umlage sich nicht ungebremst fortsetzt. Einigen Regelungen, vor allem für Industrie und Gewerbe, sowie den Umsetzungsfristen verschiedener Regelungen merkt man jedoch an, dass das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde. Sie verursachen für Unternehmen vor allem Aufwand und Kosten.

Einerseits kommt die Energiewende gut voran, Erneuerbare Energien machen schon knapp 30% im deutschen Energiemix aus; andererseits ist der CO2-Ausstoß so hoch wie nie. Für wie realistische halten Sie die Klimaziele der Vereinten Nationen?

Stefan_Arnold_ISPEX_AG Vorweg: Das Thema CO2 ist in der Tat ein globales Thema, welches auch nur global gelöst werden kann. Wenn nur einzelne Länder oder Regionen, womöglich ohnehin diejenigen, die bereits sehr auf den CO2-Ausstoß achten, einsparen, andere, emissionsstarke Länder jedoch nicht mitziehen, ist alles vergebene Liebesmüh. Dennoch ist es wichtig, dass die EU und insbesondere Deutschland mit gutem Beispiel voran geht. Auch im Tagesgeschäft der Beratung von Unternehmen haben für uns in erster Linie die deutschen und europäischen Klimaziele Bedeutung. Leider ziehen hier nicht alle Akteure im Rahmen der Energiewende an einem Strang. In Deutschland haben wir die Einsparziele der Bundesregierung und die der 16 Bundesländer. Addiert man diese zusammen, wäre das CO2-Einsparziel höher als das EU-Ziel, das der Bund erreichen möchte. Bis 2030 sollen die Länder der EU 40 Prozent ihrer Treibhausgasemissionen und 27 Prozent ihres Energieaufwands einsparen. Der Anteil der Erneuerbaren Energien soll 27 Prozent erreichen. Auch wenn diese Ziele etwas unter den zunächst geforderten Zielen liegen, ist das noch immer sehr ambitioniert und erfordert auch in Deutschland große Anstrengungen bei der Energieeffizienz und CO2-Reduktion. Hier haben auch viele Betriebe noch Nachholbedarf, aber auch Chancen, durch Effizienzmaßnahmen Kosten zu senken.

Der Netzausbau gilt als eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre – wie hoch ist das Risiko, dass sich die Politik auf den zahlreichen Energiewende-Baustellen verzettelt?

Die Gefahr beim Netzausbau liegt vor allem darin, dass er nicht schnell genug vorankommt. Gerade die Höchstspannungstrassen werden dringend gebraucht. Hier formiert sich aber vor Ort, aus persönlicher Betroffenheit heraus, oft der größte Widerstand. In jedem Fall sollten die Netzausbaupläne auch den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Jetzt rächt sich, dass man sich zwischen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung nicht rechtzeitig über Prioritäten der Energiewende verständigt hat.

Die verpflichtende Direktvermarktung Erneuerbarer Energien soll langfristig die Marktintegration verbessern. Wird das funktionieren? Stimmen die Rahmenbedingungen oder gibt es auch hier Nachholbedarf?

Es ist grundsätzlich richtig, die erneuerbaren Energien in ein marktwirtschaftliches System zu überführen. Allerdings ist das nicht für alle ganz einfach. Um selbstständig den Strom direkt zu vermarkten, fehlen den meisten, vor allem kleineren Anlagenbetreibern, die notwendigen Energiemengen sowie das entsprechende Know-how. Aus diesem Grund hat sich inzwischen eine Vielzahl von Direktvermarktern am Markt etabliert, welche genau diese Aufgabe als Dienstleister übernehmen. Sowohl die Anforderungen an Leistung, Art und vertragliche Ausgestaltung als auch die garantierte Vergütung unterscheiden sich dabei zum Teil erheblich. Ziel muss es folglich sein, die Direktvermarktung für Anlagenbetreiber in Zukunft zu vereinfachen und dabei sicher und transparent zu gestalten. Wir haben daher unsere Direktvermarktungsplattform für Ökostrom gestartet, um Anlagenbetreibern, auch kleineren, die Suche nach einem Direktvermarkter so einfach, schnell und sicher wie möglich zumachen.

Die deutsche Photovoltaikbranche liegt am Boden, die Windenergie boomt. Könnten Regulierungen beim Ausbau diese Entwicklung gefährden? Der BWE mahnte die Politik unlängst, dieselben Fehler nicht zu wiederholen…

Für dieses Jahr erwartet die Windbranche einen Rekordzubau an Land und auf See. Er wird wahrscheinlich die 4.000 Megawatt-Grenze überschreiten. Die Neuinstallationen werden sich wohl auch im kommenden Jahr in dieser Größenordnung bewegen. Viele Anlagenbetreiber werden ihre Anlagen noch im kommenden Jahr unter dem alten EEG-Regime ans Netz bringen wollen. Das bedeutet mit Einspeisevorrang und zu planbaren, garantierten Vergütungssätzen. Ab dem Jahr 2017 setzt die Bundesregierung auf ein Ausschreibungsverfahren, von dem derzeit niemand die Details kennt. Die Frage wird sein, ob dieser Wechsel die zunehmende Dynamik beim Windkraftausbau bremst und die Vielfalt der Akteure begrenzt.

Endkunden hören immer wieder, sie könnten vom Wechsel des Energieanbieters profitieren. Inwiefern gilt das auch für Unternehmen?

Gerade in der jetzigen Situation gilt, dass Unternehmen von einem Wechsel ihres Lieferanten profitieren können. Für sie ist ein günstiger reiner Energiepreis oft die letzte Schraube, an der sie drehen können, um ihre Kosten zu begrenzen. Die leicht gesunkene EEG-Umlage und der seit Jahren sinkende Börsenpreis für die Energieversorger bieten den Lieferanten die Möglichkeit, günstigere Preise anzubieten. Der ISPEX-Energiepreisindex zeigt, dass die reinen Energiepreise seit Ende 2011 um rund 40 Prozent gefallen sind. Das ist für Unternehmen die wesentlich effektivere Stellschraube, statt immer nur auf die EEG-Umlage zu schauen. Unternehmen sollten ihre Verträge daher nicht einfach weiter laufen lassen, sondern ihre Preise prüfen, vergleichen und dann ausschreiben oder eine Auktion auslösen. So werden sie den für sie günstigsten Anbieter bekommen.

Die deutsche Industrie profitiert derzeit von den sehr niedrigen Börsenstrompreisen – doch wie stabil sind diese? Welche Trends sind für die nächste Zeit zu erwarten?

Unser ISPEX-Energiepreisindex hat die 4-Cent-Marke in den letzten Monaten mehrfach unterschritten. Die gesunkenen Börsenpreise sorgen also weiter für einen günstigeren Einkaufspreis für Strom. Die Entwicklung der Preise zeigt, dass viele Energieversorger die gesunkenen Beschaffungskosten dann zum Großteil an die Betriebe weitergeben und günstiger anbieten als noch vor einigen Monaten, wenn sie im Rahmen eines offenen Wettbewerbs wie er in elektronischen Auktionen hergestellt wird, dazu gezwungen werden, um Kunden nicht zu verlieren oder Neukunden zu gewinnen. Im Verhältnis zu den gefallenen Strompreisen fallen die unverändert hohen staatlichen Belastungen durch Steuern und Abgaben insgesamt höher aus. Einzelne kleine Abgabensenkungen machen sich dabei kaum bemerkbar. Sie sind auch verantwortlich für weiterhin hohe Stromkosten für Industrie und Gewerbe im internationalen Vergleich.