Weichenstellung für den Energiemarkt der Zukunft

Robert Busch, Geschäftsführer Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne), spricht mit ISPEX über den Energiemarkt der Zukunft, das Erneuerbare Energien Gesetz, Kapazitätsmarkte und über die Frage, welche Weichen gestellt werden müssen für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland.

 

Wie sieht der Energiemarkt der Zukunft aus?

Auf Ebene der Verteilnetze rechne ich mit einem Zusammenschluss der Betreiber zu maximal 40 regionalen Clustern. Grund sind die wachsenden Anforderungen der Energiewende, die die vielen Klein- und Kleinstbetreiber in Deutschland nicht allein bewältigen können. Die Verteilnetze sind die Schlüsselebene für die Integration erneuerbarer Energien. Deswegen brauchen wir hier auch absolute Netzneutralität. Die bestehenden Ausnahmen vom Unbundling für Verteilnetzbetreiber müssen daher endlich abgeschafft werden.

Ein Megathema ist die Digitalisierung. Das Internet der Dinge, über das wir schon seit einiger Zeit reden, wird in der Energiewirtschaft zum Alltag: Erzeugung, Handel und Verbrauch werden über digitale Wege verbunden sein. Wenn also etwa gerade viel Windstrom im Netz ist, heizt mein Warmwasserspeicher im Keller automatisch auf. Diese Vernetzung verschiedener Anwendungen ist notwendig, um die schwankenden aber stetig wachsenden Mengen von Solar und Windstrom mit dem Verbrauch in Einklang zu bringen.

Dies gelingt etwa über Speicher oder Lastmanagement. Die klassischen Versorger geraten in eine Nachtwächterfunktion, die auf Dauer nicht funktionieren wird. Sie müssen daher neue Geschäftsmodelle rund um die Flexibilisierung entwickeln.

Robert BuschWo liegen die Stärken und Schwächen des EEG 2.0?

Das Modell der verpflichtenden Direktvermarktung ist gut und wichtig. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass die Vermarktungspflicht auch für kleinere Anlagen gelten würde. Wichtig ist ebenfalls, eine alternative Direktvermarktung zu ermöglichen. Strom aus bestimmten Solar- oder Windanlagen könnte so nachweisbar an interessierte Kunden geliefert werden. Wir unterstützen daher das von einigen Branchenunternehmen entwickelte Grünstrommarktmodell.

Hochproblematisch ist hingegen das Umlageverfahren, mit dem die Kosten für den Ausbau erneuerbare Energien auf den Strompreis umgelegt werden. Das passt einfach nicht mehr in unsere Zeit. Laut des aktuellen Monitoringberichts der Bundesnetzagentur machen Umlagen und Entgelte schon 75 Prozent des Strompreises aus. Allein die EEG-Umlage ist aktuell doppelt so hoch wie der Börsenstrompreis. Immer mehr Menschen versuchen daher, dem System zu entfliehen, etwa über Eigenverbrauchslösungen. Grundsätzlich ist die Idee zwar richtig, dass die Energiewende eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, nur an der Umsetzung hapert es. Die Endkunden sehen nicht ein, warum sie diese wachsenden Umlagen für Erneuerbare, KWK oder Offshore-Anschlüsse zahlen sollen. Ein Fond oder eine Steuerlösung zur Finanzierung würde Kollateralschäden für die Energiewende vermeiden und wäre auch sozial gerechter.

Sind Kapazitätsmärkte sinnvoll oder eine künstliche Stütze fossiler Energieträger zu Lasten der anderen Marktteilnehmer?

Entscheidend ist, dass die Frage der Versorgungssicherheit nur europäisch beantwortet wird. Wenn jeder einzelne Mitgliedsstaat hier eigene Modelle bastelt, können wir den EU-Binnenmarkt für Energie vergessen. Ein solcher Mechanismus sollte zudem technologieoffen, wettbewerblich, reversibel und eben mit EU-Recht kompatibel sein. Das ist nicht trivial.

In einem allgemeinen Modell könnte auch ein französisches Kernkraftwerk oder ein polnisches Kohlekraftwerk für die Reserve mitbieten und würde dann aus Deutschland dafür vergütet. Das gäbe einen Aufschrei. Verschärft man die Anforderungen, führt dies automatisch zu mehr Regulierung.

Es gibt jedoch eine Reihe von Dingen, die man sofort machen kann und muss, wie auch das Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt. Das betrifft zum Beispiel das Thema Flexibilisierung, also die Frage, wie Angebot und Verbrauch beim Zuwachs erneuerbarer Energie ausgeglichen werden können. Aus unserer Sicht Bedarf es dazu eines intelligenten Mix aus konventioneller und erneuerbarer Erzeugung, Speichern, Lastmanagement und Handel. Die Flexibilisierung bietet nicht zuletzt für die Unternehmen Möglichkeiten für innovative Geschäftsmodelle jenseits des Kilowattstundenverkaufs.

Strommarktdesign und Netzausbau – wo und wie sehen Sie Handlungsbedarf?

Im Norden wird nicht so viel Grünstrom gebraucht, wie dort produziert wird, also muss er dort hin transportiert werden, wo er fehlt: in den Süden. Dort gehen in den kommenden Jahren viele Kernkraftwerke vom Netz. Paradoxerweise sperrt sich nun vor allem Bayern gegen den Netzausbau. Wenn die Leitungen nicht kommen, wo soll dann der Strom aus dem Norden hin? Wir brauchen auch einen internationalen Leitungsausbau. Allen Autarkiephantasien von Bundesländern oder gar von Kommunen zum Trotz; ein wesentliches Element des EU-Binnenmarktes ist nun mal der Austausch mit unseren Nachbarn.