Beschaffungsstrategien: Teurer Jahresstart für Spotmarktkunden

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Im März 2020 diskutierten wir aus aktuellem Anlass unterschiedliche Beschaffungsmodelle: Zahlreiche Energieversorger hatten angesichts des zum damaligen Zeitpunkt sehr niedrigen Preisniveaus ihren Kunden neue Verträge angeboten und dabei zum Teil die Umstellung der Beschaffung auf Spotmarktprodukte angeregt. Bei durchschnittlichen Spotmarktpreisen im Bereich von 20,00 €/MWh bis 25,00 €/MWh klangen die Vorschläge der Lieferanten vielversprechend. Viele Unternehmen haben jetzt die ersten Rechnungen auf Basis des neuen Vertragsmodells erhalten und eine unliebsame Überraschung erlebt. Der Energiepreis aus der Spotmarktbeschaffung für Januar 2021 lag im Bereich von 5,50 bis 6,00 ct/kWh – und nicht wie bei Vertragsabschluss erhofft bei ca. 3,00 ct/kWh. War die Umstellung der Beschaffungsstrategie also ein Fehler?

Was ist ein Stichtagspreis?

Das klassische Vertragsmodell bei der Beschaffung von Strom und Erdgas ist der sogenannte Stichtagspreis. Dabei wird zwischen Kunde und Lieferant ein fester Energiepreis für einen zukünftigen Lieferzeitraum vereinbart. Maßgebend für die Preiskalkulation sind neben den prognostizierten Bezugsdaten des Kunden vor allem die Börsenpreise für den jeweiligen Lieferzeitraum zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Üblich sind dabei Vertragsabschlüsse mit Laufzeiten von einem Jahr bis zu drei Jahren. Aus Sicht der Kunden bieten Stichtagspreise den Vorteil, dass bereits frühzeitig eine Preisabsicherung für die Zukunft realisiert werden kann. Gleichzeitig birgt die langfristige Preisbindung aber auch ein Risiko: Wann ist ein guter Zeitpunkt für den Vertragsabschluss? Um das Einkaufsrieses Risiko abzumildern, sind viele Unternehmen – insbesondere bei größeren Energiemengen – zwischenzeitlich dazu übergegangen, die benötigten Energiemengen nicht an einem Stichtag, sondern verteilt über mehrere Zeitpunkte einzukaufen. Bei derartigen Tranchenverträgen erfolgt die Preisbildung ebenfalls über die Terminmarktpreise für die jeweiligen Lieferzeiträume. Wesentlicher Unterschied zum Stichtagspreis: Beim Beschaffungszeitpunkt wird nicht alles auf eine Karte gesetzt.

Wie funktioniert der Spotmarkt?

Ganz anders funktioniert eine Eindeckung über den Spotmarkt. Bei diesem Vertragsmodell wird der Strom für die einzelnen Stunden jeweils erst am Vortag der Belieferung im Day-Ahead-Handel eingekauft. Hier bildet sich der Gesamtenergiepreis für die Lieferung also erst während des Lieferzeitraums.

Von den Anbietern entsprechender Spotmarktmodelle wird häufig in den Vordergrund gestellt, dass man in Stunden mit negativen Spotmarktpreisen sogar für den Strombezug bezahlt wird. Grundsätzlich ist diese Aussage korrekt. Im Umkehrschluss wird man aber auch Stunden mit sehr hohen Preisen verkraften müssen. Wirklich profitieren von negativen Preisen können daher nur Unternehmen, die ihren Strombezug von Tag zu Tag gezielt am untertägigen Verlauf der Spotmarktpreise ausrichten können. Für alle anderen wird der Gesamtenergiepreis aus der Spotmarktbeschaffung je nach individueller Bezugsstruktur oberhalb des Mittelwerts der Stundenpreise liegen.

Die aktuelle Marktlage

Wenn Sie unseren ISPEX-Marktkommentar regelmäßig lesen, wissen Sie: Das Preisniveau am EEX-Terminmarkt ist in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Die Strompreise für die kommenden Lieferjahre liegen aktuell um 10,00 bis 15,00 €/MWh höher als noch im Herbst.

Parallel zum Terminmarkt hat aber auch der Spotmarkt deutlich angezogen. Lag der durchschnittliche EEX-Spotmarktpreis (vergleichbar mit dem Baseloadpreis am Terminmarkt) im Oktober noch bei rund 34,00 €/MWh, wurden im Januar und Februar Durchschnittspreise von knapp 53,00 €/MWh bzw. 49,00 €/MWh erreicht.

Spotmarkt: Bittere Pille für Stromkunden zum Jahresauftakt

Je nach individueller Bezugsstruktur führt das aktuelle Marktpreisniveau am Spotmarkt für die Kunden zu Energiepreisen im Bereich von 5,50 bis 6,00 ct/kWh. Im Vergleich dazu wäre bei einem Terminmarktabschluss im Frühjahr 2020 für das Jahr 2021 in vielen Fällen ein Energiepreis im Bereich von ca. 4,00 ct/kWh realisierbar gewesen. Insofern ist der Start in das Jahr 2021 für die Spotmarktkunden zunächst unbefriedigend verlaufen. Aber ist die Entscheidung für die Umstellung des Beschaffungskonzepts damit als Fehler zu bewerten? Für ein solches Fazit ist es noch viel zu früh. Schließlich ist durchaus denkbar, dass das Marktpreisniveau in den kommenden Monaten fällt und damit auch die Spotmarktbeschaffung wieder günstiger wird. Ein echter Vergleich zwischen einem ehemaligen Terminmarktangebot und einem realisierten Spotmarktpreis ist eben erst nach Ablauf des Jahres möglich.

Allerdings zeigt die aktuelle Marktentwicklung einmal mehr, dass die Entscheidung über das Beschaffungskonzept nicht nur am aktuellen Preisniveau festgemacht werden sollte. Eine sichere Aussage, ob die Terminmarkt- oder die Spotmarktbeschaffung zum günstigeren Ergebnis führt, ist bei Vertragsabschluss schlichtweg nicht möglich. Vielmehr sollte diskutiert werden, welche Strategie am besten zu den individuellen Randbedingungen und zum Risikomanagement des Unternehmens passt. Zum Beispiel ist die Spotmarktbeschaffung für die Unternehmen voraussichtlich nicht das richtige Modell, die eine möglichst langfristige Planungssicherheit in den Mittelpunkt stellen. Ein energieintensives Unternehmen, das nah am Markt agieren muss, wird hingegen wohl keinen langfristigen Stichtagspreis abschließen.

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Titelbild: bongkarn thanyakij via pexels unter free use ; Screenshot und Montage ISPEX

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