BMWK-Arbeitspapier Industriestrompreis

Transformationsstrompreis, Brückenstrompreis, Begrenzung, Gegenleistungen, energieintensive Industrie

Das BMWK hat ein Arbeitspapier zum Industriestrompreis veröffentlicht. Darin werden mit dem „Transformationsstrompreis“ und dem „Brückenstrompreis“ neue Terminologien eingeführt, die die Transformation hin zu einer sicheren Stromversorgung aus Erneuerbaren stützen sollen und dabei den Fokus auf wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensive Industrie legen. Wir fassen die wesentlichen Ansätze aus dem aktuellen Arbeitspapier für Sie zusammen.

Langfristiger Transformationsstrompreis

Die Bundesregierung verfolgt ehrgeizige Ziele beim Ausbau Erneuerbarer Energien: Bis 2030 soll deren Anteil mindestens 80 % am Strommix betragen. Die Annahme: Aus der Umstellung der Energieversorgung auf günstige regenerative Quellen soll ein „langfristiger Transformationsstrompreis“ resultieren, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sichert. Die Experten rechnen in der Umstellungsphase mit anhaltend hohem Marktniveau, das zu einer Vervielfachung der Stromkosten im Vergleich zu den Jahren vor Kriegsbeginn führen wird. Zur Orientierung: Die Strom-Futures für die Folgejahre pendeln sich derzeit zwischen 100 und 150 €/MWh ein.

Mittelfristiger Brückenstrompreis

Besonders für die energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, ist die Situation existenzgefährdend. 2023 werden die Folgen der Energiekrise durch die Strom- und Gaspreisbremsen abgemildert. Bis sich der langfristige Transformationsstrompreis eingestellt hat, sieht das Arbeitspapier im Anschluss an die Strompreisbremse die Einführung des „mittelfristigen Brückenstrompreises“ für energieintensive Unternehmen vor, der bis 2030 staatlich gefördert werden soll. Aus den folgenden Gründen sei die geplante Begrenzung auf 6 ct/kWh notwendig:

  • Im Zeitraum der nächsten fünf Jahre lägen die Preise etwa doppelt so hoch wie in mittelfristigen Preisszenarien vor dem russischen Angriff auf die Ukraine (etwa 40 bis 80 €/MWh).
  • Energieintensive Branchen stehen in hartem internationalen Wettbewerb, der durch das Agieren der USA und Chinas nicht zu gleichen Bedingungen („level playing field“) stattfindet.
  • Sicherung der Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland und Europa

Europäisches Beihilferecht gibt Rahmen vor

Die Gewährung eines staatlich alimentierten Brückenstrompreises unterliegt als Subvention dem Europäischen Beihilferecht. Daraus ergeben sich Anforderungen hinsichtlich der Förderausgestaltung sowie der Gegenleistungen der Unternehmen. Zusätzlich sollen negative Effekte bspw. auf die Anstrengungen zur Effizienzsteigerung weitestmöglich begrenzt werden.

Begrenzung und Mechanismus

Vor diesem Hintergrund soll der Empfängerkreis auf „ausschließlich energieintensive Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, inklusive neuer energieintensiver Transformationsindustrien“ beschränkt werden. Als Beispiel für ein etabliertes rechtskonformes Modell wird auf die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) verwiesen.

Die Beihilfe soll befristet gelten und spätestens 2030 automatisch enden.

Sparanreize sollen erhalten bleiben: Die Beihilfe soll nur auf 80 % des Verbrauchs Anwendung finden und durch Stromverbrauchsbenchmarks bemessen werden.

Für den Brückenstrompreis ist ein Erstattungsmodell vorgesehen. Dieser bemisst sich nach dem jährlichen durchschnittlichen Börsenstrompreis und nicht nach dem individuellen Beschaffungspreis des Unternehmens. Die Differenz über 6 ct/kWh soll erstattet werden.

Gegenleistungen der Unternehmen

Mit der Inanspruchnahme soll die Verpflichtung einhergehen, die im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) vorgesehenen freiwilligen Maßnahmen verbindlich umzusetzen.

Ergänzt werden soll der Brückenstrompreis weiter mit einer „klaren Transformationsverpflichtung“ der antragstellenden Unternehmen, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.

Darüber hinaus führt das Arbeitspapier weiter Anforderungen an: Die begünstigten Unternehmen sollen eine Standortgarantie abgeben und, soweit verfassungsrechtlich möglich, soll eine verpflichtende Tariftreue greifen.

Finanzierung des Brückenstrompreises

Im Arbeitspapier schätzt das BMWK den Finanzierungsbedarf bis 2030 auf 25 bis 30 Mrd. Euro, abhängig von der Entwicklung der Börsenstrompreise. Man nimmt an, dass dabei „die jährlich benötigten Finanzmittel über den Zeitraum kontinuierlich ab[nehmen]“. Dies ist auf die zunehmende Versorgung mit kostengünstigen Erneuerbaren zurückzuführen.

Eine Finanzierung aus dem laufenden Haushalt oder dem Transformations- und Klimafond scheidet laut Papier aus, da diese Mittel für andere Bereiche bzw. für die Dekarbonisierung benötigt werden. Als Energiekriseninstrument bleibt damit nur der aus der Umsetzung der Energiepreisbremsen bekannte Wirtschaftsstabilisierungsfond. Ein Zugriff auf diese Mittel bedingt rechtliche Anpassungen durch das Parlament.

Ausbau der Erneuerbaren

Entlang der Brücke zum langfristigen Transformationsstrompreis sollen weitere Maßnahmen den Prozess beschleunigen und die Industrie finanziell entlasten. Eine zentrale Rolle spielen dabei PPA (Power Purchase Agreements ).

Kurzfristig sollen mehr Flächen und schnellere Genehmigungen für Windenergie an Land die Versorgung mit Windstrom für Gewerbe und Industrie verbessern. Der Ansatz ist lokal: In der Nähe von Gewerbe- und Industriegebieten sollen Flächen ausgewiesen und der Strom mithilfe von Direktverträgen an die örtliche Industrie geliefert werden.

PPA werden neben der Finanzierung von EE-Anlagen über CfDs (Contracts for Difference) als geeignetes Instrument bewertet, um den erneuerbaren Industriestrompreis wettbewerblich preisoptimiert zu gestalten: Der Abschluss von PPA mit EE-Erzeugern durch Industriepartner soll mit Bürgschaften abgesichert werden, um die Risikoprämien dieser Verträge zu reduzieren (norwegisches Modell). Alternativ soll eine teilweise Haftungsfreistellung von kreditgebenden Banken geprüft werden. Weiterhin geprüft werden soll, wie es Unternehmen ermöglicht werden kann, zusätzliche PPA abzuschließen, ohne dass sich dies negativ auf ihr Kreditrating auswirkt. Flankierend sollen reduzierte Netzentgelte für Strombezug aus EE-PPA bei räumlicher Nähe ermöglicht werden.

Derzeit wird das Arbeitspapier intensiv von Industrieverbänden und Marktexperten geprüft und diskutiert. Über die weitere Entwicklung berichten wir wie gewohnt.

>> Arbeitspapier: Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen (Stand: 05.05.2023)

 
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Neben dem Einblick in das aktuelle Marktgeschehen wird Dr. Miriam Vollmer von der re|Rechtsanwälte PartGmbB einen Überblick über das vom BMWK vorgelegte Konzept für die Einführung eines Industriestrompreises geben.

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