Energieeinkauf: Haftungsfalle für den Geschäftsführer?
Von ISPEX am 11. Mrz 2025

Wer unternehmerische Entscheidungen trifft, geht naturgemäß Risiken ein. Oft unterschätzen dabei Geschäftsführer und Vorstände das für sie bestehende Haftungsrisiko. Es ist kaum bekannt, dass die Haftung von Organen (Vorstand/Geschäftsführer und Aufsichtsrat) in Deutschland umfassend ist.
Ein solches Haftungsrisiko besteht auch im Rahmen des Energieeinkaufs. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieses Thema in Deutschland viel stärker ins öffentliche Bewusstsein geraten wäre, hätte es die Energiepreisbremsen nicht gegeben. Denn hätten Unternehmen wegen der zu hohen Energiekosten deutliche Gewinneinbrüche erlitten oder wären schlimmstenfalls in die Insolvenz gegangen, dann ist davon auszugehen, dass sowohl die Eigentümer und sicher die Insolvenzverwalter sich mit dem Thema „Energieeinkauf“ beschäftigt hätten.
Erhebliche Risiken für die Geschäftsführung
Oftmals herrscht die Auffassung vor, die persönliche Haftung der Geschäftsführung begrenze sich auf „kriminelle“ Handlungen oder „handwerkliches Unvermögen“. Dabei wird übersehen, dass Organe fremdes Geld verwalten und das Gesetz – vereinfacht ausgedrückt – von Ihnen verlangt, mit fremdem Geld sorgsam umzugehen. Im Zweifel sind sie sogar verpflichtet, nachzuweisen, dass sie sich ordnungsgemäß verhalten haben.
Dieser an sich selbstverständliche Grundsatz wurde von einiger Zeit durch die so genannte „Business Judgement Rule“ (§ 93 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz) konkretisiert.
Haftungsbefreiung durch sorgsame Dokumentation
Die Business Judgement Rule stellt einen „safe harbour“ für haftungsfreie unternehmerische Handlungsspielräume bereit. Demnach kann die Unternehmensleitung für unternehmerische Entscheidungen nicht in Haftung genommen werden, wenn sie „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.
Der zentrale Aspekt der Business Judgement Rule besteht im Handeln auf der Grundlage angemessener Information. Die Frage, wann man sich angemessen informiert hat, ist immer im Einzelfall zu beantworten. Hierbei sind u.a. die Kosten der Informationsbeschaffung mit den Risiken, die beurteilt werden sollen, abzuwägen. Bei einem Risiko, das für das Unternehmen sehr klein ist, muss man sich natürlich nicht genauso informieren wie bei existenzgefährdenden Risiken. Wichtig ist jedoch, dass man belegen kann, dass man sich mit den Risiken überhaupt beschäftigt hat.
Hat man sich dann umfassend informiert, so muss die Entscheidung frei von Sonderinteressen oder sonstigen sachfremden Einflüsse erfolgen. Interessenkonflikte, Fremdeinflüsse und unmittelbarer Eigennutz sind zu vermeiden.
Das Handeln zum Wohle der Gesellschaft muss auf die langfristige Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ausgerichtet sein. Hierbei sind Risiken verantwortungsbewusst zu beurteilen.
Das besondere Problem beim Energieeinkauf
Die Energiemärkte sind schnelllebig. Die Börsen reagieren empfindlich auf geopolitische Ereignisse, Ankündigungen und Prognosen (Energiemarkt-Kommentar: Trump beendet Kursrallye). Die Komplexität der Materie und das hohe Kostenrisiko fordern von der Geschäftsleitung besonderes Augenmerk.
Bei der Energiebeschaffung lassen sich die Anforderungen aus der Business Judgement Rule nur in der Abwägung und im Einzelfall beschreiben. Hierzu zwei Beispiele eines Filialisten und eines energieintensiven Unternehmens in der Gegenüberstellung für bestimmte Einzelaspekte.
Aspekt: Anteil an den Gesamtkosten
Der Geschäftsführer eines Retail-Filialisten wird bei der Beschaffung einen anderen Maßstab anlegen können als der Geschäftsführer eines energieintensiven Unternehmens. Da der Anteil an den Gesamtkosten neben Personal- und Mietaufwendungen sowie Wareneinkauf in Relation gering ist, kann die Marktbeobachtung, Entwicklung der Beschaffungsstrategie mit weniger Aufwand betrieben werden. Noch dazu ist die Beschaffung für z.B. 20 SLP-Strom-Lieferstellen eher über Standards abzubilden als eine komplexe Liefersituation mit RLM-Lieferstellen für Strom und Gas aus verschiedenen Netz- bzw. Druckstufen. Die Kosten werden zudem weniger schwanken, da sie nicht wie beim energieintensiven Unternehmen vom Auftragseingang abhängig sind. Das entbindet nicht davon, diese einfacheren Umstände zu dokumentieren und im Zweifelsfall belegen zu können.
Aspekt: Marktbeobachtung
Das beschriebene energieintensive Unternehmen wird im Rahmen der Produktionsplanung und Beschaffungsstrategie die Energiemärkte meist ohnehin im Auge behalten. Für die Geschäftsführung ist die Risikoerfassung und Reaktion wichtig. In diesem Zusammenhang muss sich die Geschäftsführung z.B. fragen: Wie intensiv wurde die Marktbewegung erfasst? Welche Sicherheitsmechanismen wurden implementiert, um Kursrisiken abzufedern? Ist die Beschaffungsstrategie markt- sowie risikoangemessen und aktuell? Für den beispielhaften Filialisten lauten die Fragen beispielsweise: Wurde kosteneffizient beschafft, z.B. über Bündelverträge? Welchem Maßstab hat die Angebotseinholung genügt? Beschränkte sich diese auf den lokalen Anbieter, mehrere Lieferanten oder wurde eine bundesweite Ausschreibung durchgeführt?
Transparenz und Dokumentation
Die Beispiele illustrieren, wie unterschiedlich die Anforderungen für die Geschäftsleitung im Einzelfall sein können. Grundlegend ist die Transparenz der Prozesse und der Nachweise entscheidend. Die Beauftragung sachverständiger Dritter hilft der Geschäftsführung, Standards einzuhalten und sich so abzusichern. Intern können etablierte Mittel wie ein Beschaffungshandbuch die Entscheidungsfindung und Umsetzung bei der Beschaffungsstrategie nachweisen.
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