Energiemarkt-Kommentar: Jahresauftakt ins Ungewisse
Von ISPEX am 19. Feb 2025

Ohne den Gastransit via die Ukraine startet Europa in den Januar, doch für steigende Stromkurse sorgen im vergangenen Monat weniger die Gaspreise. Vielmehr setzt der europäische CO2-Preis zu einer überraschenden Rallye an. Mit der erneuten Übernahme der Regierungsgeschäfte in Washington durch Donald Trump steigt die Spannung an den Energiemärkten. Eine erhöhte Unberechenbarkeit in der Geopolitik verheißt für das Jahr 2025 allerdings auch, dass mit Blick auf unsere Gasversorgung besonders zwei extreme Szenarien plausibel geworden sind: Ein vollständiges Embargo russischer Gasimporte oder gar eine Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. Turbulente Zeiten scheinen jedenfalls vorgezeichnet.
Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 07.02.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Neupositionierung am EUA-Markt
Der Stromkurs DE Base für das Lieferjahr 2026 startet mit einem Sprung von rund 89 €/MWh am 31. Dezember auf 93 €/MWh am 3. Januar in das Jahr 2025. Damit folgt die Notierung dem Geschehen am Markt für EU-Emissionsrechte (EUA). Der EUA-Frontmonat steigt zeitgleich von ca. 70 €/t auf 74 €/t. In dieser ersten Woche des Jahres bauen die Investment Fonds laut der wöchentlichen Transparenzdaten ihre Kaufpositionen (Netto-Long) am Terminmarkt so kräftig aus wie seit Juni 2023 nicht mehr. Auf die schnellen Gewinne folgt nur eine kurze Abwärtsbewegung. Im weiteren Monatsverlauf wird der EUA-Frontmonat bis auf knapp 82 €/t am 31. Januar ansteigen. Im Zuge dessen legt DE Base 2026 bis auf 98,21 €/MWh am letzten Handelstag des Januars zu – ein Plus von 10 % innerhalb eines Monats und das höchste Niveau seit November 2023. Auffällig ist bei der Entwicklung am EUA-Markt wie so oft der Gleichlauf zwischen EUA-Kurs und Netto-Long-Position der Hedge-Fonds und anderer Finanzinvestoren (siehe Chart unten). Nachdem die spekulativen Marktteilnehmer im vergangenen Jahr noch ganz überwiegend auf fallende Kurse gesetzt hatten, findet jetzt eine Neupositionierung statt.
Der europäische CO2-Preis steigt mit Engagement der Finanzinvestoren
(Stand: 07.02.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Gasmarkt: Ruhe vor dem Sturm
Trotz der versiegten Gasflüsse ex Russland via die Ukraine: Nach den kräftigen Zugewinnen im Vormonat herrschen beim Gaskurs für das kommende Jahr (THE 2026) im Januar vergleichsweise stabile Verhältnisse. Der Future notiert in der Zeit vom 2. Januar bis zum 30. Januar im Korridor von minimal 39,59 €/MWh bis maximal 41,66 €/MWh. Einen Tag später steigt THE 2026 allerdings auf ein neues Rekordhoch von 42,10 €/MWh. Und seither legt die Notierung noch rasanter zu bis auf rund 45 €/MWh am 7. Februar – ein Ende der Rallye ist zuletzt nicht in Sicht.
Entwicklung Erdgas-Terminkurse & -Spotmarkt
(Stand: 07.02.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Europäische LNG-Nachfrage in 2025 (viel) höher als in 2024
Schon seit Beginn des Winters im November richten die Händlerinnen am Gasmarkt ihre Aufmerksamkeit auf die Entnahmen aus den Gasspeichern. Obwohl der Gasverbrauch seitdem deutlich unterhalb des Niveaus vor Kriegsbeginn verbleibt, nehmen die europäischen Energiekonzerne in diesem Winter ihre Vorräte sehr viel stärker in Anspruch als in den beiden Jahren zuvor. Im November und im Dezember steigen die Entnahmen in etwa auf das Niveau des Jahres 2021. Und auch im Januar wird mehr Gas entnommen als noch in den Vorjahren.
Schließlich revidieren die Meteorologen besonders ab Ende Januar die Temperaturprognosen für den Februar immer weiter nach unten. Somit nimmt zugleich das Risiko zu, dass Europa im Sommer Probleme mit der Befüllung der Speicher bekommt. Denn mit voraussichtlich ungefähr 300 TWh per 1. April weniger Gas in den Kavernen als noch ein Jahr zuvor, wird wohl sehr viel mehr LNG am Spotmarkt zugekauft werden müssen als noch im Sommer 2024.
Monatliche Netto-Entnahmen aus den EU-Gasspeichern
(Quelle: ISPEX Kompass)
Unsichere Versorgungslage in 2025
Woher die Gasmoleküle letztlich kommen werden, die wir Europäer in diesem Jahr importieren, ist allerdings noch unsicher. Ein Umstand, der den Aufwärtsdruck an den Gas-, mithin Strommärkten, freilich erhöht. Donald Trump ist am 20. Januar auf ein Neues in das Weiße Haus eingezogen und eine seiner ersten Verlautbarungen war wider Erwarten die Androhung weiterer Sanktionen gegen Russland. Sein Sondergesandter für Russland sowie die Ukraine, Keith Kellogg, wird am 6. Februar konkreter: Die Sanktionen der vorherigen Biden-Regierung findet er schwach und gerade deren Maßnahmen gegen den Energiesektor des Landes seien stark ausbaufähig. Naheliegend ist daher eine Einbeziehung des russischen Terminals Yamal LNG. Aus dieser Anlage stammt der mit Abstand größte Teil der EU-Importe ex Russland, die rund ein Fünftel der Gesamteinfuhren in Form von LNG ausmachen. Die dann fehlenden Mengen könnten auch die neuen Terminals in den USA in diesem Jahr kaum kompensieren.
Das Terminal Yamal LNG im hohen Norden Russlands
(Bild: © Novatek)
Es könnte alles aber auch ganz anders kommen: Wie die Financial Times Ende Januar berichtet, diskutieren auf EU-Ebene insbesondere Vertreter Deutschlands sowie Ungarns über eine Wiederaufnahme von Gasimporten via Pipeline ex Russland für den Fall einer wie auch immer gearteten Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine. Eine Sichtweise, die auch der norwegische Gaslieferant Equinor teilt. Wie dessen Vizepräsidentin Rummelhoff kürzlich in einem Interview bekundet, gehe ihr Unternehmen davon aus, dass bis zu 35 Mrd. m3 sibirischen Erdgases wieder ihren Weg über die Ukraine in die EU finden könnten – ein Teil davon sogar über die Pipeline Nord Stream 2.
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