Energiemarkt-Kommentar: Trotz neuer Preisrekorde – geht die Rallye zu Ende?

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, April 2022

Die Preise für Strom und Erdgas erreichen an den Börsen wieder neue Höchststände. Neben der Unsicherheit bezüglich eines Gasembargos wirkt die anhaltend kalte Witterung kurstreibend. Das Potential für weitere Aufwärtsbewegungen scheint dennoch überschaubar.

Strombörse: Base 2023 legt im Monatsmittel um 15 % zu

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Im Bann des Krieges beginnt der Monat März an der Strombörse mit einer steilen Aufwärtsbewegung des Kurses für die Grundlast mit Lieferung im kommenden Jahr (Base 2023). Die Unsicherheit über die künftige Versorgung mit Erdgas aus Russland spitzt sich immer weiter zu – viele Szenarien lassen einen Abbruch der Gasimporte plausibel erscheinen. Die Notierung startet mit 155,92 €/MWh in den Monat und steigt anschließend binnen einer Woche auf einen neuen Rekord von 187,14 €/MWh am 8. März. Auch in der längerfristigen Perspektive werden die Marktteilnehmer zunehmend den strukturellen Umbrüchen in der europäischen Energieversorgung gewahr. So plant die Bundesregierung bereits Eingriffe in die Bevorratung von Erdgas. Und Unternehmen wie Shell erklären, auch ohne ein staatliches Embargo ihre Zusammenarbeit mit Gazprom beenden zu wollen.

Zusätzlich werden die Kurse am kurzen Ende von den Witterungsbedingungen unterstützt. Die Temperaturen fallen Anfang März deutlich niedriger aus, als zuvor prognostiziert und das Windaufkommen schwächelt. Leicht abgemildert wird die Rallye am Strommarkt hingegen vom Preisverfall am Terminmarkt für die EU-Emissionsrechte (EUA). Diese notieren am 7. März knapp 39 % unterhalb des Niveaus kurz vor Kriegsausbruch.

Trotz einer anschließenden Erholung der Kurse am EUA-Markt geben die Stromkurse an den folgenden Tagen bis zur Monatsmitte kräftig nach. Entscheidend sind hierfür die weitgehend stabilen Gasflüsse ex Russland. So erreicht Base 2023 am 16. März den zweitniedrigsten Stand des Monats mit 154,81 €/MWh. Die Trendwende folgt am 23. März mit der Erklärung des russischen Präsidenten, künftig nur noch Rubel als Zahlungsmittel für die Lieferungen von Erdgas akzeptieren zu wollen. Es bleibt jedoch bis zum Monatsende unklar, welche Konsequenzen mit der Maßnahme für die Importeure von Erdgas einher gehen. Diese Unsicherheit lässt Base 2023 bis zum 31. März auf 184,28 €/MWh ansteigen.

Im Mittel legt Base 2023 um 15,4 % gegenüber dem Vormonat zu. Base 2024 steigt um rund 8 %. Base 2025 notiert hingegen im Durchschnitt knapp 1,3 % günstiger als noch im Februar.

Gasbörse: THE 2023 im März mit Plus von 35 %

Preisentwicklung Erdgas THE (NCG bis 30.09.21) für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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THE 2023 startet mit 69,91 €/MWh in den März und erreicht am 7. März ein vorläufiges Maximum von 84,09 €/MWh. Anschließend gibt der Kurs nach und fällt bis auf 64,10 €/MWh am 16. März. Die oben geschilderte Unsicherheit bezüglich der Zahlungsmodalitäten bei den russischen Gasimporten führt zu einer steilen Rallye in der zweiten Monatshälfte. THE 2023 beendet den März mit einem neuen Rekord von 89,01 €/MWh.

Im Vergleich zum Februar legt THE 2023 im Mittel um rund 35,4 % zu. THE 2024 kostet im Durchschnitt gut 33 % mehr. Für THE 2025 werden 28,2 % mehr fällig als noch im Vormonat.

Ausblick: Vorläufiges Ende der Rallye?

Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon zwei Monate an, doch bislang ist es nicht zu einem dramatischen Einschnitt bezüglich der Energielieferungen aus Russland gen Westen gekommen. Zwar wurde ein Kohleembargo beschlossen, das im August in Kraft treten soll und die Strompreise zur Lieferung ab Kalenderjahr 2024 bereits stark angetrieben hat. Dennoch scheint das Potenzial für weitere Aufwärtsbewegungen derzeit überschaubar. Denn in Deutschland sprechen sich sowohl weite Teile der Politik sowie Gewerkschaften und Arbeitgeber als auch ein Großteil der Wähler gegen ein Gasembargo aus.

Einige Unsicherheit geht allerdings noch immer von der Frage aus, ob die neuen Zahlungsbedingungen für russisches Erdgas in der jetzigen Form von den EU-Staaten akzeptiert werden. Vorgesehen ist seitens Russlands, dass weiterhin in Euro oder US-Dollar gezahlt wird – jedoch auf ein Sonderkonto mit automatischer Konvertierung in Rubel. Dagegen haben sich bereits die Niederlande entschieden, die die (vorläufige) Ansicht der Juristen der EU-Kommission teilen, demnach die Zahlungen gemäß den neuen Bedingungen einen Verstoß gegen die bestehenden Sanktionen darstellen würden. Sollte auch die Bundesregierung zu dieser Auffassung gelangen, droht ein unfreiwilliges Gasembargo, falls der russische Präsident nicht einlenkt. Gegenüber dem österreichischen Bundeskanzler Nehammer soll der Machthaber im Kreml jedoch eingeräumt haben, dass auch künftig eine Zahlung in Euro möglich sein werde. Angesichts der enormen Schwierigkeiten, in denen sich die russische Volkswirtschaft befindet, erscheint es wenig wahrscheinlich, dass Russland die Geschäftsbeziehung de facto aufkündigt. Denkbar ist etwa eine Anpassung der Zahlungsbedingungen, sodass kein Sanktionsverstoß mehr vorläge.

Diese Einschätzung schließt selbstverständlich nicht aus, dass es in den kommenden Wochen noch zu einigen Kapriolen an den Märkten für Strom und Gas in Verbindung mit dieser Frage kommt.

Gasspeicherstand Deutschland im Jahresverlauf (Quelle: GIE)

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Zulegen kann zuletzt der Gasspeicherstand in Deutschland. Mit aktuell ca. 31,2 % ist binnen einer Woche ein Anstieg von immerhin 3 Prozentpunkten zu verzeichnen. In diesem Tempo betrüge der Vorratsstand am 1. August bereits ca. 75 %. Als Ziel ausgegeben hat die Bundesregierung bis dahin einen Mindeststand von 65 %.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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