Energiemarkt-Kommentar: Gasspeicher im Fadenkreuz

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Derzeit gibt die Geopolitik maßgeblich den Ton für die Entwicklung der Strom- und Gaskurse an. Im März ist es vor allem der Ukraine-Krieg, der fossile Energieträger verteuert. Im Gegensatz dazu senken die hohen Temperaturen in Deutschland den Verbrauch an Kohle und Erdgas ganz erheblich. Es zeichnet sich allerdings auch ab, dass die Industrieproduktion hierzulande an Fahrt aufnimmt.

Strombörse: DE Base 2025 legt im März um 6,5 % zu

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

In der ersten Handelswoche im März ist der Strommarkt noch von der Rallye am Kohlemarkt gekennzeichnet. Neue US-Sanktionen gegen russische Exporte werden an den Börsen als eine Verknappung des globalen Angebots interpretiert, was sich auch auf die Preise für Lieferungen hochkalorischer Steinkohle nach Nordwesteuropa auswirkt. DE Base 2025 startet in den Monat mit 75,35 €/MWh und steigt bis auf 79,87 €/MWh am 5. März. Anschließend entspannt sich die Lage am Kohlemarkt und damit auch im Energiekomplex insgesamt. DE Base 2025 fällt auf das Monatsminimum von 73,46 €/MWh am 12. März. An diesem Tag beginnt die Ukraine mit einer Serie von Angriffen auf russische Raffinerien. Dabei zeigt sich, dass ein neuer Drohnentyp der Ukrainer offenbar bislang ungeahnte Entfernungen von mehr als 1.000 km zurücklegen kann, weshalb ein Großteil der russischen Raffineriekapazitäten in Reichweite der Kiewer Truppen gelangen. Damit gelangt auch die Verletzlichkeit der verbliebenen EU-Gasversorgung ex Russland wieder in den Fokus der Marktteilnehmer. DE Base 2025 klettert zunächst bis auf 82,15 €/MWh am 18. März.

In den darauffolgenden Tagen kommt es allerdings erneut zu einer kräftigen Gegenbewegung nach unten, auch begleitet von schlechten Konjunkturdaten aus Deutschland: Beispielsweise fällt der Einkaufsmanagerindex für die Industrie von S&P Global auf 41,6 Punkte – das ist der niedrigste Stand seit Oktober 2023. Das Strom-Frontjahr verbilligt sich bis auf 77,81 €/MWh am 21. März. Doch die Kehrtwende nach oben folgt umgehend mit dem russischen Gegenschlag auf oberirdische Anlagen eines Gasspeichers in der Westukraine am 25. März. DE Base 2025 steigt auf das Monatsmaximum von 83,93 €/MWh. Kurz vor den Osterfeiertagen gibt die Notierung etwas nach und beendet den Monat mit 81,78 €/MWh rund 8,5 % höher als am Monatsanfang.

Im Durchschnitt kostet das Strom-Frontjahr im März 78,79 €/MWh und verteuert sich damit um 6,5 % gegenüber dem Vormonat. Ähnlich hoch fällt das Plus bei DE Base 2026 mit 6,0 % auf 71,42 €/MWh aus. DE Base 2027 legt ebenfalls zu, wenn auch vergleichsweise gering mit +3,2 % auf 65,52 €/MWh.

Aufwärts geht es gleichfalls am Spotmarkt. DE Base Day Ahead steigt im März im Mittel um 5,5 % auf 64,69 €/MWh. Im Vorjahresmonat lag der Wert noch um rund 51 €/MWh höher. Dass der Anstieg in den zurückliegenden Wochen nicht noch stärker ausfällt, liegt nicht zuletzt an der rückläufigen Nachfrage. Die Netzlast geht im Einklang mit den milden Temperaturen um 2,3 % MoM zurück, obwohl der Februar zwei Tage kürzer ausfiel. Gegenüber dem Vorjahresmonat geht der Verbrauch sogar um 5,5 % zurück. Deutschland muss in dieser Zeit mit weniger Wind als im März 2023 auskommen: Die Windstromerzeugung fällt um 17,5 % YoY. Kompensiert werden kann dies u.a. mit Hilfe französischer AKW. Deutschland importiert 1.371 GWh aus dem Nachbarland, womit sich die Außenhandelsbilanz mit Frankreich im Vergleich zum Vorjahr nahezu umgekehrt hat. Im März sinkt trotz der geringeren Erzeugung aus Erneuerbaren (-5,0 % YoY) jene aus fossilen Energieträgern um 21,3 % YoY.

Gasbörse: THE 2025 steigt über 30 €/MWh

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Anfang März setzt sich am Gasmarkt die Aufwärtsbewegung fort, die Ende Februar ihren Anfang genommen hat. THE 2025 notiert am 23. Februar nahe der durch US-LNG determinierten Preisuntergrenze, und auch aus technischer Sicht kann der Kurs als überverkauft gelten. Zudem sorgen neue US-Sanktionen gegen russische Kohleausfuhren für eine Rallye am Kohlemarkt. So kostet THE 2025 am ersten Handelstag des März mit 30,65 €/MWh rund 9 % mehr als noch am 23. Februar mit 28,13 €/MWh, dem bisherigen Jahrestief. Die Gaspreise ziehen anschließend weiter an und THE 2025 erreicht am 5. März einen ersten Hochpunkt mit 31,81 €/MWh, als auch die Aufwärtsbewegung am Kohlemarkt vorerst zu Ende geht. Verstärkend wirken an diesem Tag der temporäre Ausfall der Gasaufbereitungsanlage Kårstø in Norwegen sowie die Diskussion um das Ende russischer Gasimporte. Die EU-Kommission erklärt, dass aus ihrer Sicht kein Bedarf an einer Fortsetzung des Transits via die Ukraine über das laufende Jahr hinaus bestehe. Auch die Ukraine lässt abermals verlautbaren, dass die Durchleitung russischen Gases mit Vertragsablauf ultimo 2024 beendet wird und in gleich welcher Form keine Fortsetzung finden werde. Einige Analysten und Händler haben bislang noch erwartet, dass ab 2025 ggf. auf Basis monatlicher Auktionen Gasmengen aus Russland auch weiterhin ihren Weg in die EU finden werden.

Auf den Preisanstieg folgt eine starke Gegenbewegung, die begleitet wird von negativen Nachrichten zum Stand der deutschen Industrie. Bemerkenswert ist insbesondere der Rückgang beim Auftragseingang im Januar in Höhe von 11,3 % gegenüber dem Vormonat. THE 2025 fällt auf das Monatsminimum von 29,56 €/MWh am 13. März. Doch die Kehrtwende folgt umgehend mit der Angriffswelle ukrainischer Drohnen auf russische Raffinerien, die bis weit in das Landesinnere reichen und nach aktuellen Schätzungen ca. 13 % der Gesamtkapazitäten ausgeschaltet haben. In der Konsequenz rückt jetzt wieder verstärkt die akute Bedrohung der verbliebenen Gaslieferungen Russlands in die EU durch den Krieg in den Fokus. THE 2025 steigt am 19. März auf den zweiten Hochpunkt im Monat von 32,37 €/MWh. Zudem ist es am Vortag in Norwegen erneut zu einem ungeplanten Ausfall in der Gasproduktion gekommen. Bullish wirkt obendrein die Nachricht aus den USA, dass die Kapazität des LNG-Terminals Freeport noch bis Mai eingeschränkt bleibt und sogar noch reduziert wird, aufgrund von Wartungen. Doch ist diese Verknappung des Angebots nur kurzfristig. Die Betreiber streben an, die Gesamtkapazität der Anlage im Zuge der Instandhaltung um 10 % zu steigern auf 16,5 Mio. t/a. Dieser Teil der Meldung trägt dazu bei, dass THE 2025 erneut unter Druck gerät und am 21. März auf 30,85 €/MWh fällt.

Doch abermals ist der Preisrückgang nur von sehr kurzer Dauer. Am 25. März holt Russland zum Gegen-schlag auf die ukrainische Gasinfrastruktur aus mit einem Angriff auf die oberirdischen Anlagen eines Gasspeichers in der Westukraine. THE 2025 steigt auf das Monatsmaximum von 32,69 €/MWh. Laut Naftogaz wird der Betrieb dadurch allerdings nicht beeinträchtigt, auch wenn das Ausmaß der Schäden zunächst unklar bleibt. Die Anlage wird auch von Unternehmen aus der EU als zusätzlicher Puffer genutzt.

Mit dem Zusammenbruch einer Brücke in den USA im Hafen von Baltimore kommen zunächst Sorgen um die Kohlelieferungen von dort auf. Dies unterstützt auch die Kurse am Gasmarkt – THE 2025 steigt nach einem Rückgang wieder an auf 32,49 €/MWh und beendet den Monat am 28. März mit 32,16 €/MWh. Im Monatsmittel kostet das Gas-Frontjahr im März 31,28 €/MWh und legt damit gegenüber dem Vormonat um 2,9 % zu. Der Kontrakt für das Jahr 2026 verteuert sich um 2,2 % auf durchschnittlich 29,53 €/MWh. Wenig verändert zeigt sich THE 2027 mit 27,83 €/MWh (+0,7 % MoM). Im Verlauf von drei Monaten hat sich THE 2025 aktuell um rund 7 % verbilligt.

Aktuelle Lage: Konfliktlage im Nahen Osten sorgt für zusätzlichen Auftrieb

Gasverbrauch Deutschland (RLM & SLP) – Die Nachfrage geht bereits seit Anfang März stark zurück (Quelle: ISPEX-Kompass)

Der April beginnt nach den Osterfeiertagen mit einer leichten Abwärtsbewegung an den Strom- und Gasmärkten. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer: Es mehren sich Anzeichen, dass ein direkter Angriff des Iran auf Israel kurz bevorsteht. Ein erneuter Angriff Russlands auf ukrainische Gasspeicheranlagen am 11. April treibt DE Base 2025 schließlich bis auf 89,61 €/MWh und THE 2025 übersteigt die Marke von 35 €/MWh. Ein Ende der Aufwärtsbewegung ist auch nach dem tatsächlich erfolgten iranischen Angriff nicht absehbar, da die Lage weiter zu eskalieren droht. Zudem fällt am 13. April die norwegische Gasaufbereitungsanlage Nyhamna auf unbestimmte Zeit großteils aus, wodurch zuletzt rund eine halbe Terrawattstunde Erdgas pro Tag weniger für den Export nach Europa und in das Vereinigte Königreich zur Verfügung steht.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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