Energiemarkt-Kommentar: Großhandelspreise für Strom und Gas steigen Ende April plötzlich stark an

ISPEX Preischart Strom 2016-05

Im April entwickelten sich die Energiepreise zunächst wie erwartet: Die Strompreise zeigten einen leichten Aufwärtstrend, während sich die Gaspreise leicht fallend eher seitwärts bewegten. Ende April kam es bei den Energiepreisen allerdings zu unerwarteten Kurssprüngen und deutlich gestiegenen Preisen. Die von Unternehmen erzielbaren Energiepreise waren jedoch vor allem vom Preisniveau am Monatsanfang geprägt. Der durchschnittlich gebotene Strompreis lag im April mit 2,71 ct/kWh etwas über dem Vormonat. Gas wurde den Unternehmen nochmals günstiger als noch im März angeboten und wies einen Durchschnittwert von 1,53 ct/kWh auf.

Strom an Energiebörsen deutlich gestiegen

Die Strompreise starteten wie erwartet mit einem langsamen und anhaltenden Aufwärtstrend in den April. In der zweiten Monatshälfte stieg der Strompreis zwar unerwartet stark an, gab zum Start in den Mai jedoch bereits wieder deutlich nach.

Entwicklung der Großhandelspreise für Strom

ISPEX Preischart Strom 2016-05
Wie schon im März ist der stete Aufwärtstrend als unmittelbare Folge der steigenden Notierungen von Rohöl und Kohle anzusehen. Deren Preisentwicklung beruht im Grunde auf denselben Gründen wie schon im März. Die Gespräche der erdölproduzierenden Länder um eine Deckelung bzw. das Einfrieren der Fördermenge und dadurch bedingt eine Stabilisierung bzw. Anhebung des Rohölpreises nährte den anhaltenden Aufwärtstrend. Auch das weitgehende Scheitern der Gespräche in Doha konnte den Aufwärtstrend nicht stoppen. Immerhin hatten sich Russland und Saudi-Arabien auf eine Fortsetzung der Gespräche verständigt. Bei weiterhin steigendem Ölpreis wird jedoch eine andere Ölpreis-Bremse greifen: Sobald der Ölpreis wieder eine Marke erreicht, die eine Förderung von Öl mittels Fracking vor allem in den USA lohnenswert erscheinen lässt, werden neue Mengen auf die eher gleichbleibende Nachfrage treffen und den Aufwärtstrend stoppen. Im Aufwärtstrend des Ölpreises entwickelte sich auch der Kohlepreis als wichtigster Indikator für den Strompreis.

Der sprunghafte Anstieg des Strompreises gegen Ende des Monats ist in der Intensität kaum zu erklären und zum Teil auf die Eigendynamik des Börsenmarktes zurückzuführen. Auslöser oder zumindest ein gewichtiger Grund für den plötzlichen Anstieg ist die Kältewelle der vergangenen Tage. In einigen Ländern Europas wird vor allem mit Strom geheizt. Das führte zu einer kurzfristigen Nachfragesteigerung. Auf der Angebotsseite fielen einige Kernkraftwerke aus und trugen so zu dem Nachfrageüberschuss bei. All diese Effekte sind aber vorübergehender Natur und es wird allgemein erwartet, dass der Kursausbrecher nach oben binnen kurzer Zeit korrigiert wird und der Strompreis in einen moderaten Aufwärtstrend mündet.

ISPEX-Energiepreisindex: Strompreise für Unternehmen im Aufwärtstrend

Mit dem gestiegenen Börsenpreisniveau verteuerten sich auch die von Unternehmen abgeschlossenen Stromlieferverträge. Gewerbe- und Industriekunden erhielten Angebote mit einem durchschnittlichen Strompreis von 2,71 ct/kWh. Im März lag dieser Wert noch bei 2,54 ct/kWh (Marktkommentar 2016-04).

ISPEX Strompreisindex April 2016

Einmal mehr waren diejenigen Unternehmen im Vorteil, die Rahmenverträge über den Strombezug innehaben, die die Schließung einzelner Positionen zu vorher definierten Preisformeln mit der Kopplung an bestimmte Börsenprodukte zulassen. Damit kann mit nur einem Anruf eine Teilmenge beschafft und schnell auf Kursprünge reagiert werden. Im Idealfall werden derartige Tranchenverträge oder offene Lieferverträge mit entsprechenden Online-Tools bewirtschaftet, die zugleich eine Beobachtung der relevanten Energiemärkte ermöglichen (Börsennahe Beschaffungsstrategien für Großgewerbe und Industrie).

Für den Mai werden insgesamt nochmals steigende Durchschnittspreise für Stromlieferverträge erwartet. Das gestiegene Börsenniveau werden die Lieferanten an die Kunden weitergeben. Diese Preise dürften sich im Bereich derjenigen Verträge bewegen, die um die Jahreswende geschlossen wurden.

Gaspreise mit überraschendem Kursprung im Großhandel

Ebenso wie die Strompreise entwickelten sich auch die Gaspreise zunächst wie erwartet seitlich mit leicht fallender Tendenz. Erst Ende des Monats drehte dieser Trend und gipfelte in einem plötzlichen Preissprung von über 2 EUR/MWh über alle Lieferjahre hinweg, der den gesamten Markt überraschte.

Entwicklung der Großhandelspreise für Erdgas

ISPEX Preischart Gas 2016-05
Die Kehrtwende des Abwärtstrends hin zu einer leichten Aufwärtsbewegung kann durch die mittlerweile seit einiger Zeit steigenden Rohölpreise erklärt werden. In deren Bugwelle steigen erfahrungsgemäß alle Energieträger, wenngleich keine Anzeichen für einen dauerhaften Nachfrageüberhang erkennbar sind. Der überraschende Kurssprung Ende April wurde vor allem vom Spotmarkt gestützt. Durch die plötzlich eintretende Kältewelle verteuerte sich Gas an den Spotmärkten und zog alle Produkte in die Höhe. In den vergangenen Tagen verloren die Preise jedoch wieder und notieren derzeit auf dem Niveau zur Jahreswende. Sobald die Temperaturen auf das für diese Jahreszeit übliche Niveau zurückkehren, werden sich auch der Spotmarkt und damit der Gasmarkt insgesamt normalisieren.

Mittelfristig betrachtet wird der Aufwärtstrend gleich durch mehrere Faktoren gebremst. Nach wie vor gibt es ein Überangebot an Erdgas auf dem Weltmarkt. Auch die Speichersituation wird dazu beitragen, den Preisanstieg zu hemmen. In Deutschland liegen die Speicherstände derzeit deutlich über den Mengen im Vorjahresvergleich. Die zuletzt diskutierte Ausweitung der Speicherkapazität in Großbritannien wird frühestens zur nächsten Speichersaison umgesetzt – damit haben die Gasspeicher keine gestiegenen Aufnahmekapazitäten. Schließlich gilt auch der für Rohöl beschriebene Fracking-Effekt: Mit steigendem Preis wird die Förderung von Shale-Gas lohnenswert und sorgt für zusätzliches Angebot auf dem Weltmarkt.

ISPEX-Energiepreisindex: Höhere Gaspreise für Mai zu erwarten

Vor allem zu Beginn des Monats nutzten Unternehmen das weiterhin fallende Gaspreisniveau, um Lieferverträge für die kommenden Jahre abzuschließen. Der in Ausschreibungen und Auktionen von ISPEX ermittelte Durchschnittswert aus den jeweils besten Angeboten der teilnehmenden Lieferanten lag im April mit 1,53 ct/kWh und damit 0,04 ct/kWh unter dem Wert im März (Marktkommentar 2016-04).

ISPEX Gaspreisindex April 2016
Aufgrund der im April gestiegenen Preise für Gas an den Börsen und relevanten Großhandelsplätzen ist zu erwarten, dass die Gaspreisangebote für Unternehmen im Mai etwas höher liegen werden. Entscheidend wird sein, ob und wie schnell sich der Kursausbruch nach oben wieder normalisiert. Da derzeit einige Unternehmen ihre Beschaffungspläne in Erwartung erneut sinkender Notierungen aufgeschoben haben, dürften viele Unternehmen fallende Preise nutzen, um sich einzudecken.

Trotz des Kurssprungs darf nicht übersehen werden, dass die derzeitigen Preise im Vergleich zu den Preisen im Vorjahr noch immer attraktiv sind. Angesichts der derzeitigen Großhandelspreise dürften die von den Gaslieferanten angebotenen Lieferverträge im Mai zwar über der April-Marke, jedoch deutlich unter den Preisen des Vorjahres liegen.

Haftungsausschluss

Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.