Energiemarkt-Kommentar: Geopolitik überlagert Versorgungslage

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Drei Themen beherrschen den Energiekomplex im April: Der Ukraine-Krieg, die Krise in Nahost sowie plötzliche Ausfälle in der norwegischen Gasproduktion. Die geopolitische Lage überschattet die tatsächliche Versorgungssituation und die noch immer schwächelnde Industrieproduktion in Deutschland.

Strombörse: DE Base 2025 steigt bis auf 97 €/MWh

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2025 (Quelle: EEX)

Zu Beginn des Monats April bewegt sich der Terminkurs für Strom zur Lieferung im kommenden Jahr (DE Base 2025) merklich abwärts. Am letzten Handelstag des März lag der Kurs noch bei 81,78 €/MWh. Nach den Osterfeiertagen startet DE Base 2025 mit 78,84 €/MWh in den neuen Monat. Am Folgetag, dem 3. April, erreicht die Notierung bereits das Monatsminimum von 77,60 €/MWh. Zu dieser Zeit nimmt die Nervosität mit Blick auf die Lage im Nahen Osten zu. Israel hatte am 1. April einen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syrien durchgeführt und dabei mehrere Militärs des Regimes getötet. Während am Ölmarkt die Kurse umgehend zulegen, folgt die Reaktion bei den hiesigen Erdgas- und Stromkursen mit Verzögerung. Aus US-Regierungskreisen wird bekannt, dass ein unmittelbarer Angriff des Iran auf Israel zu erwarten ist. Was ein Novum in dem Konflikt darstellen würde, der bislang vorwiegend indirekt über Stellvertreter bestritten wird. Eine Eskalation hin zu einem direkten Krieg zwischen den Ländern würde auch die LNG-Exporte Katars gefährden. Das Emirat steht für ca. 20 % des globalen LNG-Angebots. DE Base 2025 steigt in der Folge wieder über die Marke von 80 €/MWh und erreicht am 9. April ein vorläufiges Hoch von 84,56 €/MWh.

Am 11. April greift Russland abermals die ukrainische Energieinfrastruktur an und attackiert dabei zum zweiten Mal die Gasspeicheranlagen des Landes. Die Speicher dienen auch Gaskonzernen aus der EU als zusätzlicher Puffer. Zudem zeichnet sich ab, dass die Ukraine verstärkt auf Energieimporte aus der EU angewiesen sein dürfte. In Kombination mit der Situation im Nahen Osten sowie mit einem ungeplanten Ausfall einer Gasaufbereitungsanlage in Norwegen kommt es zu einer Rallye bis zum Monatsmaximum von 97,49 €/MWh am 16. April – zwei Tage nachdem der Iran tatsächlich einen größeren Luftangriff auf Israel durchgeführt hat. Danach herrscht große Unsicherheit über einen etwaigen Vergeltungsschlag seitens Israel gegen den Iran. Am 19. April wird bekannt, dass dieser offenbar stattgefunden hat, allerdings in einem nur begrenzten Ausmaß. Der Iran erklärt unverzüglich, seinerseits keinen Gegenschlag zu beabsichtigen. Zwischenzeitlich ist auch der Ausfall in Norwegen behoben. Allerdings bleibt unklar, ob Israel den Angriff Irans nicht doch noch in einer Weise beantworten wird, die der Intensität des iranischen Luftangriffs gleichkommt. Unterstützend wirkt zudem die Diskussion in der EU um neue Sanktionen gegen die russische LNG-Industrie. DE Base 2025 pendelt im weiteren Monatsverlauf im Bereich von rund 86 –  90 €/MWh und beendet den April mit 89,15 €/MWh.

Im Monatsmittel kostet das Strom-Frontjahr im April 87,42 €/MWh. Dies entspricht einem Plus von 11 % gegenüber dem Vormonat. DE Base 2026 verteuert sich um 9,1 % und DE Base 2027 legt um 5,8 % zu. Am Spotmarkt kostet DE Base Day Ahead im April 62,36 €/MWh – im Vergleich zum März ein verhältnismäßig kleiner Rückgang um 3,6 %.

Gasbörse: THE 2025 steigt bis auf rund 38 €/MWh

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2025 (Quelle: EEX)

Am 2. April, dem ersten Tag nach den Osterfeiertagen, startet THE 2025 mit 31,41 €/MWh in den neuen Monat. Und das iranische Regime kündigt Vergeltung für einen Angriff Israels auf das Botschaftsgelände des Irans in der syrischen Hauptstadt Damaskus an. Ungeachtet dessen fällt THE 2025 am 3. April auf das Monatsminimum von 31,18 €/MWh. Doch wird bald bekannt, dass ein direkter Angriff des Iran auf israelisches Gebiet zu erwarten ist. Es droht eine neue Stufe der Eskalation im Nahen Osten, auf der die USA an der Seite Israels Luftangriffe auf den Iran durchführen, während der Iran sehr wahrscheinlich die Straße von Hormus blockiert, durch die ein Fünftel der globalen LNG-Lieferungen verschifft wird mit Ursprung Katar. Das Emirat beherbergt zugleich die größte US-Basis im Nahen Osten. THE 2025 steigt zunächst bis auf 33,81 €/MWh am 8. April.

An jenem Tag informiert das Statistische Bundesamt, dass die energieintensive Industrieproduktion in Deutschland im Februar um 4,2 % gegenüber dem Vormonat zugelegt hat auf den höchsten Stand seit Januar 2023. Allerdings liegt es damit noch immer um 14,4 % unter dem Niveau des Jahres 2021. THE 2025 gibt leicht nach auf 33,52 €/MWh am 10. April. Anschließend zieht die Notierung steil an, nachdem bekannt wird, dass Russland u.a. zwei Gasspeicher in der Ukraine angegriffen sowie ein Kraftwerk nahe Kiew vollständig zerstört hat. Innerhalb von nur zwei Handelstagen verteuert sich das Gas-Frontjahr um 9,4 % bis auf 36,68 €/MWh am 12. April.

An diesem Freitag signalisiert die Europäische Zentralbank, dass sie für Juni eine erste Zinssenkung beabsichtigt. Hingegen informiert die US-amerikanische Notenbank, dass niedrigere Zinsen ihrerseits vorerst nicht zu erwarten sind. Folglich zeichnet sich ab, dass die Zinsen im Euroraum noch stärker von jenen in den USA nach unten abweichen werden. In der Folge droht der Euro weiter an Wert gegenüber dem US-Dollar zu verlieren, wodurch sich insbesondere Energieimporte wie LNG verteuern.

Das anschließende Wochenende hält zwei neue Schocks für die Energiemärkte bereit. Am Samstag fällt die Gasaufbereitungsanlage Nyhamna in Norwegen teilweise aus. Die Dauer der Reparaturen bleibt zunächst unklar. Händler erinnern sich an einen ungeplanten Ausfall derselben Anlage über mehrere Wochen im vergangenen Jahr. In der Nacht auf Sonntag attackiert der Iran dann tatsächlich Israel aus der Luft. Der Angriff läuft zwar bekanntermaßen glimpflich ab. Die Nervosität an den Märkten nimmt allerdings wieder zu, als ein möglicher Gegenschlag Israels in den Fokus rückt. THE 2025 steigt auf den Höchstwert im laufenden Jahr von 37,75 €/MWh am 16. April. Am darauffolgenden Tag kehrt Nyhamna in den Regelbetrieb zurück. Doch angesichts der geopolitischen Lage bleibt die Stimmung angespannt und die Gaskurse bleiben auf einem erhöhten Niveau. Am 19. April erfolgt der erwartete Gegenschlag Israels auf den Iran, wobei zunächst der Eindruck entsteht, dass hierbei kaum Schäden entstanden seien. Eine Sichtweise, die der Iran teilt und zudem umgehend bekannt gibt, seinerseits keinen weiteren Angriff auf Israel durchführen zu wollen. Es folgt eine Phase der Entspannung in der das Gas-Frontjahr bis auf 33,52 €/MWh am 29. April fällt. Der Kontrakt beendet den April mit 34,60 €/MWh um 10,1 % höher als am ersten Handelstag des Monats.

In den Hintergrund rückt im April die gute Versorgungslage. Die Speicherperiode beginnt am 1. April mit einem komfortablen Gasspeicherstand in Deutschland von ca. 64,2 %. Die sehr milde Witterung der ersten Monatshälfte sorgt für hohe Injektionsmengen. In der zweiten Monatshälfte kehrt sich die Lage um, die Gasnachfrage zieht stark an. Unterm Strich bleibt der Speicherstand stabil mit 65,4 % zum Monatsende. Die ungewöhnlich tiefen Temperaturen treiben den Gasverbrauch in Deutschland (RLM + SLP) in der KW17 auf 2.677 GWh/Tag im Wochenmittel. Dieser Wert liegt nahe dem Maximum zu dieser Zeit in den Jahren vor der Energiekrise 2018 bis 2021 von 2.720 GWh/Tag und es ist in diesem Jahr der höchste Wochenwert seit Anfang März. Die Gasspeicher erfüllen allerdings ihre Flexibilitätsfunktion und die Terminkurse am deutschen Gasmarkt bewegen sich ungeachtet der Witterung abwärts.

Durchschnittlich kostet THE 2025 im April 34,34 €/MWh und verzeichnet damit ein Plus von 9,8 % im Vergleich zum Vormonat. THE 2026 zieht ebenfalls deutlich an mit einem Anstieg um 5,3 % auf 31,09 €/MWh. Relativ stabil notiert dagegen das Lieferjahr 2027 mit im Mittel 27,83 €/MWh (+1,2 %).

Aktuelle Lage: CO2-Preis sorgt zusätzlich für Auftrieb

EUA Terminmarkt, 12-2023_12-2024

EUA-Terminmarkt (Quelle: ISPEX Kompass)

Anfang Mai legen die EUA-Kurse besonders kräftig zu. Je teurer der europäische CO2-Preis, desto weniger attraktiv ist die Verstromung von Kohle im Vergleich zum Einsatz von Erdgas. In der Konsequenz sorgt die Entwicklung am EUA-Markt auch für steigende Preise bei Erdgas und Strom. Am 6. Mai nähern sich deren Frontjahreskurse am Terminmarkt wieder den diesjährigen Spitzenwerten von Mitte April an. DE Base 2025 kostet rund 95 €/MWh und THE 2025 gipfelt bei 36,62 €/MWh. Der EUA-Frontmonat schickt sich an, dauerhaft die Marke von 70 €/MWh nach oben zu durchbrechen, gibt zuletzt aber wieder etwas nach. Im Kontrast dazu ist im April der Anteil der fossilen Kraftwerke an der deutschen Stromerzeugung auf ein neues Rekordtief von 23 % gefallen. Und im Laufe der KW19 decken allein die PV-Anlagen an mehreren Stunden mehr als 60 % der inländischen Stromerzeugung. Auch angesichts der geringen Strom- und Gasnachfrage der energieintensiven Industrie scheint fraglich, wie nachhaltig die bullishe Stimmung am EUA-Markt ist.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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