Energiemarkt-Kommentar: LNG-Nachfrage unerwartet schwach
Von ISPEX am 14. Jun 2023

Die globale Wirtschaft entwickelt sich schwächer als erhofft. So befindet sich Deutschland in einer Rezession und auch in China verharrt die Industrieproduktion auf einem niedrigen Niveau. Die geringere Energienachfrage resultiert in fallenden Kursen. Überdies lässt eine möglicherweise stark erhöhte Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke in der kommenden Heizperiode die Risikoaufschläge schwinden.
Strombörse: Frontjahr fällt im Mai bis auf 122 €/MWh
Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)
Die Notierung für das Strom-Frontjahr (DE Base 2024) markiert im Mai mit rund 122 €/MWh einen neuen Tiefpunkt im laufenden Jahr. Während DE Base 2024 im März noch bei 130 €/MWh auf Unterstützung traf und im Laufe des Aprils stets oberhalb von 142 €/MWh notierte, sorgt im Mai eine bearishe Stimmung an den Energiemärkten für eine starke Abwärtsbewegung.
Anfang Mai setzt sich zunächst der Seitwärtslauf aus dem Vormonat fort. DE Base 2024 startet mit 147 €/MWh in den neuen Monat und erreicht am 11. Mai das Monatsmaximum von rund 150 €/MWh. Mit Beginn der zweiten Monatshälfte kommt es zu einer Trendwende nach unten. Diese geht einher mit schlechten Nachrichten aus China: Die dortige Industrieproduktion ist im April unerwarteterweise gegenüber dem Vormonat um 0,47 % geschrumpft. Entsprechend schwach fallen auch die LNG-Importe des Landes im April aus. Anstatt – wie saisonal üblich – stark zuzulegen, fallen die Importmengen um 11 % (MoM) auf 4,8 Mio. Tonnen. Die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft erscheint nun höchst ungewiss, zumal auch in den USA mittelfristig eine Rezession als Folge der Inflationsbekämpfung befürchtet wird. Die neue Stimmungslage steht im Kontrast zur bisherigen Erwartungshaltung vieler Akteure an den internationalen Rohstoffmärkten. Die LNG- sowie die europäischen Gaskurse geben entlang der Terminkurve kräftig nach. DE Base 2024 fällt in der Folge auf einen vorläufigen Tiefpunkt von 137 €/MWh am 16. Mai.
Während sich der Gaspreis für das kommende Jahr zunächst stabilisieren kann, fallen ab dem 22. Mai die Preise am Markt für EU-Emissionsrechte. Der EUA-Frontmonat gibt innerhalb von zwei Handelstagen um 5 % nach und DE Base 2024 verbilligt sich um 3 €/MWh auf jetzt 133 €/MWh. Ab dem 25. Mai fallen die Kurse dann im gesamten Energiemarkt. Innerhalb von zwei Handelstagen gibt DE Base 2024 um 6,4 % nach auf 124 €/MWh. In dieser Zeit kommt es zu einer Reihe von schlechten Nachrichten für die deutsche Wirtschaft: Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie (S&P Global) fällt gegenüber dem Vormonat so stark wie zuletzt nur im Mai 2020 und das Statistische Bundesamt korrigiert seine BIP-Zahlen für das 1. Quartal nach unten auf -0,3 % (QoQ) – Deutschland befindet sich in einer Rezession. Zudem teilt der französische AKW-Betreiber EDF mit, dass im kommenden Winter die verfügbare Kapazität des Kraftwerksparks um bis zu 10 GW höher ausfallen soll als bislang geplant. Dies würde auch in Deutschland den Bedarf an fossilen Energieträgern erheblich mindern. Am 30. Mai erreicht DE Base 2024 das Monatsminimum von 122 €/MWh und beendet am Folgetag den Monat mit knapp 125 €/MWh.
Im Monatsmittel kostet das Strom-Frontjahr im Mai rund 138 €/MWh. Dies entspricht einem Rückgang von 7 % gegenüber dem Vormonat. DE Base 2025 sowie DE Base 2026 geben um 3,8 % bzw. 4,9 % nach. Strom am Day Ahead-Markt kostet im Durchschnitt 81,71 €/MWh mit einem Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung von 66,4 %.
Gasbörse: THE 2024 im Mai rund 9 % tiefer als im Vormonat
Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)
Trotz des fortgesetzten Preisverfalls am Spotmarkt seit Anfang April, notiert das Gas-Frontjahr (THE 2024) noch bis in den Mai hinein weitgehend seitwärts oberhalb der Marke von 55 €/MWh bis maximal 59 €/MWh. Am ersten Handelstag des Monats kostet THE 2024 rund 58 €/MWh. Am 3. Mai warnt die Weltorganisation für Meteorologie vor einem Auftreten des El Niño-Phänomens im Sommer (Wahrscheinlichkeit im Zeitraum Juli bis September: 80 %). Für diesen Fall drohen global anomal hohe Temperaturen. Allerdings sind die konkreten Auswirkungen noch nicht absehbar, ein Effekt auf die Gaspreise ist nicht festzustellen. Einen Tag später nimmt das erste LNG-Terminal in Brunsbüttel mit einem Monat Verspätung den regulären Betrieb auf. Gemeinsam mit den Anlagen in Lubmin und Wilhelmshaven sind nun drei LNG-Terminals in Deutschland aktiv. Die Gesamteinspeisung von maximal ca. 250 GWh/Tag bleibt jedoch bis dato vergleichsweise gering.
Die Trendwende setzt ab dem 12. Mai ein: An den LNG-Märkten kommt es zu größeren Verlusten bei den Monatskontrakten entlang der Terminkurve für Lieferungen bis Ende des kommenden Jahres. So fällt beispielsweise der JKM-Future (Platts) für Lieferungen im Dezember 2023 in die Region Nordostasien innerhalb von zwei Handelstagen von 17,96 $/MMBtu um 12,5 % auf 15,71 $/MMBtu (ca. 49,60 €/MWh). Ähnlich hoch sind die Verluste für LNG-Lieferungen nach Nordwesteuropa (NWEM). Es zeichnet sich zu dieser Zeit ab, dass die Gasnachfrage in China nicht im erwarteten Tempo anzieht, während jene in Europa ebenfalls auf einem niedrigen Niveau verharrt. THE 2024 fällt am 16. Mai auf ein vorläufiges Tief von 51,28 €/MWh. Anschließend notiert der Kurs recht stabil bei 52 €/MWh. Am 25. Mai kommt es erneut zu stark fallenden Kursen am LNG-Markt. Der NWEM-Dezember-Future (Platts) gibt innerhalb von zwei Tagen um 12 % nach auf 13,31 $/MMBtu (ca. 42 €/MWh). Dazu dürfte die Meldung von EDF beigetragen haben, dass die verfügbare AKW-Kapazität in Frankreich im kommenden Winter um bis zu 10 GW höher ausfallen soll als bislang geplant, dies entspricht rund 16 % der installierten Kapazität im Land. THE 2024 fällt bis auf ein Monatsminimum von 45,62 €/MWh am 30. Mai und beendet den Mai am Folgetag mit 46,31 €/MWh. Am Spotmarkt unterschreitet THE Day Ahead zum Monatsende sogar kurzeitig die Marke von 25 €/MWh.
THE 2024 kostet im Mai durchschnittlich 52,88 €/MWh, dies entspricht einem Rückgang von 8,5 % gegenüber dem Vormonat. Geringer ist der Rückgang beim Kalenderjahr 2025 in Höhe von 4,6 %. THE 2026 notiert durchschnittlich 2,6 % tiefer als noch im April.
Ausblick: Zieht der LNG-Verbrauch mit Hitze an?
Im Zusammenhang mit stark steigenden LNG-Kursen kommt es am 9. Juni zu einer Rallye im Energiemarkt. DE Base 2024 sowie THE 2024 steigen innerhalb eines Tages um rund 7 % und damit auf das höchste Niveau seit fast drei Wochen. Am Markt herrscht Unsicherheit hinsichtlich der Versorgung Europas mit LNG im Verlauf des Sommers. Für die kommenden Wochen prognostiziert das ECMWF sowohl für weite Teile der EU als auch Nordostasiens anomal hohe Temperaturen. In Peking sollen die Temperaturen in der KW24 auf bis zu 40 ℃ ansteigen. Damit steigt der Strombedarf für die Kühlung von Gebäuden. Allerdings ist fraglich, ob dies tatsächlich zu deutlich steigenden LNG-Käufen des Landes am Spotmarkt führen wird. Der Stromsektor der Volksrepublik nutzt mittlerweile weniger LNG und setzt verstärkt auf Kohle und Gas via Pipeline. Zugleich entwickelt sich die dortige Industrieproduktion weiterhin uneinheitlich und erholt sich nur langsam.
In Deutschland hat das Tempo der Gaseinspeicherungen zuletzt abgenommen auf nur noch 1,5 Prozentpunkte/Woche. Aktuell beträgt der Speicherstand rund 77 %. Setzt sich der Trend fort, dann wären die Speicher erst ca. Anfang Oktober vollständig gefüllt, anstatt – wie zuvor – schon im Laufe des Augusts. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit eines extremen Überangebotes am LNG-Markt im Laufe des Sommers. Zudem wird in Erwägung gezogen, Speicherkapazitäten in der Ukraine zu verwenden, um die Gasversorgung auszubalancieren, mithin die Kurse zu stabilisieren. Die EU-Kommission prüft entsprechende Pläne.
Deutschland: Produktion der energieintensiven Industriebranchen divergiert zunehmend vom Industriesektor insgesamt (Quelle: destatis / ISPEX-Kompass, Stand: April 2023)
Der Gasverbrauch in Deutschland ist gemessen an den Verbräuchen der Vorjahre weiterhin unterdurchschnittlich mit ca. 1.280 GWh/Tag im Mittel der KW23 (Mittelwert KW23 in den Jahren 2018 bis 2021: 1.564 GWh/Tag), was wie gehabt auf die geringe Nachfrage im Industriesektor zurückzuführen ist.
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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.
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