Energiemarkt-Kommentar: Kurse ziehen im Mai an
Von ISPEX am 10. Jun 2025

Weniger Erdgas fließt im Mai in die EU, denn in Norwegen hat die erste große Wartungsperiode in diesem Jahr begonnen. Den Bezug von verflüssigtem Erdgas aus Russland will die EU-Kommission schon ab Ende 2025 stark einschränken. Ein Frieden für die Ukraine in absehbarer Zeit scheint derweil noch weniger wahrscheinlich als zuvor. Überdies sieht sich die US-Regierung offenbar dazu gezwungen, ihre Handelskonflikte mit verminderter Härte zu führen. All dies führt im Mai an den Terminmärkten für Strom und Gas zu einer Trendwende nach oben.
Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 09.06.25, Quelle: ISPEX Kompass)
EU-Kommission überrascht mit Embargo-Plänen
Mit 84,13 €/MWh am 2. Mai startet der Strompreis für eine Lieferung im kommenden Jahr, DE Base 2026, in den neuen Monat. Die entsprechende Gasnotierung THE 2026 kostet an diesem Tag 33,69 €/MWh. Mit diesen Werten lassen die Kurse die Talsohle des Vormonats hinter sich. Im April war DE Base 2026 wiederholt bei etwa 80 €/MWh auf Unterstützung getroffen, während THE 2026 noch Ende April bis auf 32,46 €/MWh gefallen war.
Steil nach oben geht es am Gasmarkt am 6. Mai mit der Ankündigung der EU-Kommission, die Einfuhren von Erdgas und LNG ex Russland bereits ab diesem Jahr einschränken zu wollen. Dazu plant die Behörde ein Verbot neuer Lieferverträge sowie den Stopp von Käufen am Spotmarkt bereits ab Ende des Jahres. Ab Ende 2027 sollen gar keine Gasmoleküle aus Russland mehr den Weg in die Netze der EU finden. Letztere Frist für ein Ende der Importe war schon längere Zeit bekannt, doch die Verbote ab ultimo 2025 überraschen. THE 2026 steigt an diesem Tag auf rund 35 €/MWh und DE Base 2026 auf 85,79 €/MWh.
US-Regierung will Verhandlungen mit China
Exakt einen Monat nach dem ‚Black Monday‘ wird am 7. Mai bekannt, dass sich Delegationen der USA und China in der Schweiz treffen werden, um erste Gespräche über eine Beilegung des Handelskrieges zu führen. Am 7. April waren die Kurse an den Finanz- wie auch an den Energiemärkten zeitweise stark eingebrochen als Reaktion auf die Eskalation der Zollsätze, die sich beide Länder wechselseitig auferlegten. Die Aussicht auf Verhandlungen lässt jetzt Hoffnungen aufkeimen, dass sich die Schäden für die Weltwirtschaft noch begrenzen lassen. Am Montag, dem 12. Mai, erklären die zwei Parteien, dass für eine Dauer von 90 Tagen die gegenseitigen Zölle stark abgesenkt werden. DE Base 2026 steigt in der Folge auf 89,92 €/MWh und damit auf den höchsten Stand seit Mitte Februar. Maßgebliche Treiber sind dabei die EU-Emissionsrechte: Der EUA-Frontmonat klettert von zuvor 69,60 €/t auf 72,57 €/t (+4,3 %). Der Gaspreis THE 2026 legt zu auf 35,67 €/MWh.
Entwicklung Erdgas-Terminkurse
(Stand: 09.06.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Trump telefoniert mit Putin
Wenige Tage später finden die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul statt. Es bestehen vage Hoffnungen, dass eine Waffenruhe zustande kommen könnte. Unklar bleibt zunächst, ob sich die Staatschefs persönlich gegenübertreten werden. Am Gasmarkt bleibt der Krieg relevant, denn im Fall eines Friedens wären Transitgebühren für Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine ein naheliegendes Mittel, um einen Teil des Geldes für den Wiederaufbau aufzubringen. Das geplante Embargo der EU könnte im Zuge von Verhandlungen „verschwinden“, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist. Doch das Friedensszenario bleibt am 16. Mai hypothetisch – Putin und Selenskyj verweilen daheim und ein Waffenstillstand wird nicht vereinbart. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und die nächste Etappe ist ein Telefonat zwischen Trump und Putin am Abend des 19. Mai. Ob der US-Präsident nach zahllosen Drohungen nun doch seinen Gegenpart ultimativ vor die Wahl stellt: Waffenstillstand oder harte Sanktionen? Dem ist nicht so, vielmehr stellt sich das Gespräch als weitgehend ergebnislos heraus. Am Gasmarkt geht es weiter aufwärts: THE 2026 steigt am nächsten Tag um knapp 1 €/MWh auf 36,52 €/MWh und DE Base 2026 kostet 90,30 €/MWh.
Wartungen von ‚unbekannter Dauer‘
Ursache für den Kursanstieg vom 20. Mai ist jedoch nicht allein besagtes Telefonat, dessen Ergebnis kaum für allzu große Überraschung gesorgt hat. Mindestens ebenso schwer wiegen ungeplante Ausfälle in der norwegischen Gasproduktion im Zuge der alljährlichen Wartungen. Völlig unerwartet treffen die Meldungen aus Norwegen die Energiehändler zwar nicht, doch die Ungewissheit über die kurzfristige Versorgung lässt die Risikoprämien nichtsdestotrotz anziehen. Gegen Ende Mai verbessert sich die Situation insbesondere beim Gasfeld Troll. Allerdings wird die erste von zwei Wartungsperioden in diesem Jahr voraussichtlich erst Anfang Juli enden – es besteht also noch Potenzial für Überraschungen.
Gasimport Nordwest-EU ex Norwegen
(Stand: 08.06.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Verhandlungen USA-EU noch ohne Ergebnis
„Wenn sich zwei streiten, dann freut sich der Dritte“ – so schien die Devise der EU angesichts des Handelskrieges zwischen den USA und China. Die harte Gangart gegenüber dem US-Präsidenten überließ Brüssel gerne Peking. Am Freitag, dem 23. Mai, kündigt Trump offenbar Kurzerhand Zölle von 50 % auf EU-Waren schon ab dem 1.6 Juni an. Nach einem Telefonat mit Kommissionspräsidentin von der Leyen verschiebt er den Termin zwar auf den 9. Juli, doch an der Höhe des Zollsatzes ändert sich bislang nichts. Dennoch steigen die Frontjahreskurse für Strom und Gas auf ihr Monatsmaximum von 91,00 €/MWh bzw. 37,16 €/MWh. Die Obergrenzen der ISPEX-Prognose vom 5. Mai lauten auf 92 €/MWh für DE Base 2026 und 37 €/MWH für THE 2026.
Am letzten Handelstag des Monats nimmt der US-Präsident dann noch einmal China per Tweet aufs Korn: Das Land habe „seine Vereinbarung mit uns vollständig verletzt“. Eine Begründung für die Aussage bleibt er indes schuldig. Wirkung an den Finanzmärkten entfaltet die Textnachricht dennoch: die Aktienkurse rauschen abermals in die Tiefe. Man könnte mutmaßen, ob dies das eigentliche Ziel dieser Informationspolitik ist. Auch die Energiepreise hierzulande bleiben davon nicht unberührt. DE Base 2026 beendet den Monat mit 85,90 €/MWh und THE 2026 schließt mit 34,86 €/MWh.
ISPEX-Prognose DE Base 2026 vom 05. Mai 2025 vs. Kursverlauf
(Stand: 05.06.25, Quelle: ISPEX Kompass)
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