Energiemarkt-Kommentar: Strom-Frontjahr durchbricht die Marke von 80 €/MWh (Base)

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, August 2021

An den Börsen für Strom und Erdgas sind abermals neue mehrjährige Höchstwerte zu verzeichnen: Der Großhandelspreis für Strom für das Lieferjahr 2022 beträgt jetzt mehr als 80 €/MWh. Der Gaspreis für das kommende Jahr liegt inzwischen deutlich über 30 €/MWh. Seit November 2020 haben sich die Preise damit mehr als verdoppelt.

Strombörse: Frontjahr im Juli mit Plus von 8 % gegenüber Vormonat

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

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Die erste Hälfte des Monats Juli stellt am Strommarkt eine Phase der Konsolidierung dar. Am 5. Juli erreicht der Baseload-Kurs für das Frontjahr ein vorläufiges Maximum von 74,95 €/MWh. Anschließend fällt die Notierung auf ihr Monatsminimum von 69,64 €/MWh am 20. Juli. Die Kehrtwende setzt Anfang der 30. Kalenderwoche mit dem Ausfall der norwegischen Gasproduktionsanlage „Troll“ ein. In der Folge fallen die Gaslieferungen aus Norwegen für einige Tage um mehr als ein Drittel. Gleichzeitig legt auch der CO2-Preis wieder zu. Dieser bewegte sich zuvor am unteren Ende des Intervalls von 50,00 bis 55,00 €/t und steuert im weiteren Verlauf des Monats auf die obere Grenze zu.

Im Monatsmittel kostet das Strom-Frontjahr im Juli 72,17 €/MWh, ein Anstieg um 8,3 % gegenüber dem Vormonat. Das Kalenderjahr 2023 verteuert sich um 3,6 %, die Notierung für das Jahr 2024 legt 2,0 % zu.

Gasbörse: Frontjahr legt im Juli um 14 % zu

Preisentwicklung Erdgas NCG für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

Gaspreis, Beschaffung, Unternehmen, Gas, Preis, Börse, Juli 2021

Am Gasmarkt zeigt sich der Kurs für das Frontjahr in der ersten Julihälfte – gemessen an der Entwicklung der vorangegangenen Wochen – vergleichsweise stabil. Die Notierung rangiert zunächst zwischen 24,65 €/MWh und 26,68 €/MWh. Erst mit dem oben beschriebenen Ausfall der Gasproduktion in der Nordsee klettert das Frontjahr über die Marke von 27,00 €/MWh und erreicht am vorletzten Handelstag im Juli den maximalen Schlusskurs von 27,76 €/MWh.

Das Frontjahr verteuert sich gegenüber dem Vormonat im Monatsmittel um 14 % auf 25,91 €/MWh. Die Jahre 2023 und 2024 legen um 4,8 % bzw. 1,2 % zu.

Ausblick: Steinkohle überholt Erdgas – erstmals seit November 2019

Die ungeplante Wartung der Gasproduktion „Troll“ in Norwegen bleibt nicht die letzte schlechte Nachricht für den Energiesektor. Anfang August folgt die Meldung aus Italien, dass die Gasversorgung des Landes über die Pipeline aus Algerien voraussichtlich für Monate um bis zu 25 % reduziert werde. Obendrein ereignet sich wenige Tage später ein Brand in der russischen Gasverarbeitungsanlage „Urengoy“. Die Versorgung Deutschlands über die „Jamal“-Pipeline (via Polen) fällt um mehr als ein Viertel.

Vor dem Hintergrund der unverändert angespannten Versorgungslage setzt sich die Rallye bei den Kursen für Strom und Erdgas im August fort. Das Strom-Frontjahr steigt zuletzt über die Marke von 83 €/MWh (Base). Die entsprechende Gasnotierung kostet nun mehr als 32 €/MWh. Die Strompreise werden dabei zusätzlich von den CO2-Preisen angetrieben. Denn mit den hohen Preisen für Gas konnte sich die Marktposition von Steinkohle seit Anfang Juli massiv verbessern und der Bedarf an Emissionsrechten zieht entsprechend an. Angesichts der geringen Auktionsmengen im August dürfte es nicht wundern, wenn der CO2-Preis schon bald über die Marke von 60 €/t steigt. Nicht zuletzt dürfte in dieser Situation auch das Interesse von Finanzinvestoren wieder zunehmen.

Hohe Gaspreise führen zu negativen Deckungsbeiträgen in der Gasverstromung. (Clean Dark Spread vs. Clean Spark Spread repräsentativer Steinkohle- bzw. Gaskraftwerke bezogen auf das Frontjahr; Quellen: EEX, ICE, Eigene Berechnungen)

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Bemerkenswert ist die vorläufige Trendumkehr beim „Fuel-Switch“ zwischen den Energieträgern Erdgas und Steinkohle. Erstmals seit November 2019 wurde im Juli 2021 (minimal) mehr Strom aus Steinkohle als aus Gas erzeugt. Zudem lag die Steinkohleverstromung rund 10 % höher als im Juli des Jahres 2019, während die Gasverstromung um 26 % geringer ausfiel. Denn die Marktposition der Gaskraftwerke hat sich gegenüber den Steinkohlemeilern seit Anfang Juli drastisch verschlechtert.

Kurzfristig kann wohl nur eine abnehmende Flüssiggas-Nachfrage (LNG) in Nordostasien für etwas Entspannung am hiesigen Gasmarkt sorgen. Möglicherweise kommt es im September zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Abwärtsbewegung, falls die Temperaturen in der Region mit den Metropolen Peking, Tokio und Seoul fallen und der Hochsommer endet. Doch würde dies an der schwierigen Lage in Deutschland wenig ändern, denn die Heizperiode nähert sich dann mit großen Schritten, während die Gasspeicher wahrscheinlich noch nicht einmal zu 70 % gefüllt sein werden.

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