Energiemarkt-Kommentar: Abwärtstrend im Juli endet mit Hitze und Kriegsgefahren

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Steigende Preise für EU-Emissionsrechte sorgen im Juli zunächst für eine Aufwärtsbewegung. Doch anschließend setzt eine Phase relativer Entspannung ein. Der Strompreis für das Frontjahr gibt deutlich nach, während der Gaskurs THE 2025 volatil seitwärts läuft. Erst gegen Monatsende sorgen Hitze in Südeuropa und schließlich die Gefahr einer erneuten Zuspitzung der geopolitischen Lage im Nahen Osten für eine scharfe Trendumkehr nach oben.

Strom-Terminmarkt: Frontjahr kostet im Juli durchschnittlich 90,39 €/MWh

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2025 (Quelle: EEX)

Zu Beginn des Monats Juli kommt es am zweiten Handelstag zu einer kräftigen Aufwärtsbewegung: DE Base 2025 startet mit 90,93 €/MWh in den neuen Monat und verteuert sich am 2. Juli auf 93,79 €/MWh. Dieser Wert wird erst am letzten Handelstag im Juli noch übertroffen werden. Kurstreiber sind Zugewinne am Terminmarkt für EU-Emissionsrechte: Nachdem die Finanzinvestoren im Vormonat ihre Netto-Short-Position noch ausgebaut bzw. verstärkt auf fallende Kurse gesetzt hatten, wird jetzt bei einem Preisniveau des EUA-Frontmonats von ca. 66 €/t zugekauft. Der CO2-Preis verteuert sich bis auf rund 70 €/t und zieht die Kurse für Gas und Strom mit.

Das Aufwärtsmomentum erweist sich jedoch bereits ab der zweiten Juliwoche als kurzlebig. Am EUA-Markt werden Gewinne mitgenommen und am Gasmarkt setzt eine Phase der Entspannung ein. So fällt der Leitkontrakt für Erdgas zur Lieferung in Nordwesteuropa, der TTF-Frontmonat, noch unter die entsprechenden LNG-Preise am Spotmarkt. Damit signalisiert der Kurs ein kurzfristig ausreichendes Angebot angesichts einer noch immer schwachen Nachfrage. Dazu trägt auch bei, dass vorerst keine langanhaltenden Hitzewellen in Sicht sind. Selbst die Gefährdung der US-LNG-Exporte durch Hurrikan Beryl im Golf von Mexiko sorgt nicht für steigende Kurse im Energiekomplex. Als sich am 9. Juli herausstellt, dass das Unwetter offenbar keine allzu großen Schäden angerichtet hat, geht es weiter abwärts und DE Base 2025 fällt am 10. Juli unter die Marke von 90 €/MWh. Bei diesem Wert traf die Notierung noch im Vormonat wiederholt auf Unterstützung. Als bekannt wird, dass das Export-Terminal Freeport LNG in Texas nach dem Hurrikan noch nicht in den regulären Betrieb zurückgekehrt ist, legt DE Base 2025 noch einmal zu, bleibt allerdings unterhalb der 90 €/MWh-Linie.

Am 15. Juli sorgen Nachrichten aus China für bearishe Stimmung. Die Wirtschaft des Landes ist im Q2/24 nur um 4,7 % QoQ gewachsen, womit die Entwicklung der Volkswirtschaft hinter den Erwartungen zurückbleibt. Eine Fortsetzung der LNG-Importe im zweiten Halbjahr auf dem Niveau der ersten Jahreshälfte erscheint zunehmend fraglich. DE Base 2025 fällt auf rund 88 €/MWh.

Anschließend geht es am EUA-Markt weiter abwärts. Die Finanzinvestoren erhöhen in der dritten Juliwoche ihre Netto-Short-Position so kräftig wie seit Anfang Februar nicht mehr. Am 22. Juli kostet der EUA-Frontmonat mit rund 64 €/t so wenig wie seit dem 10. April nicht mehr. DE Base 2025 folgt dem CO2-Preis und markiert an diesem Tag mit 86,76 €/MWh den niedrigsten Stand seit dem 29. April.

Mit der Aussicht auf steigende Temperaturen zieht DE Base 2025 im weiteren Monatsverlauf wieder an. Am 29. Juli prognostizieren die Meteorologen für Frankreich Temperaturen bis zu 40 ℃, weshalb der französische Energiekonzern EDF die AKW-Erzeugung einschränken muss. DE Base 2025 steigt auf 92,58 €/MWh. Zwei Tage später droht die Lage in Nahost abermals zu eskalieren. Israel steht mutmaßlich hinter der Tötung des Hamas-Politchefs Haniyeh in Teheran. In der Konsequenz steigt das Risiko für einen großen Krieg in der Region, der den Weltmarkt von den LNG-Exporten Katars abschneiden könnte, falls der Iran die Straße von Hormus blockiert. DE Base 2025 steigt am letzten Handelstag des Julis auf das Monatsmaximum von 94,38 €/MWh.

Im Monatsmittel kostet Strom zur Lieferung im Frontjahr 90,39 €/MWh. Gegenüber dem Juni gibt die Notierung somit um 2,3 % nach. Nahezu unverändert zeigt sich DE Base 2026 mit einem Mittelwert von 83,23 €/MWh (+0,7 % MoM). Aufwärts geht es hingegen für DE Base 2027 mit einem Plus von 2,4 % auf nunmehr 74,98 €/MWh. Am Day-Ahead-Markt werden im Juli 67,70 €/MWh fällig.

Gasbörse: Geopolitische Risiken überschatten gute Versorgungslage

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2025 (Quelle: EEX)

Der Gaskurs für Lieferung im kommenden Jahr (THE 2025) startet mit 38,41 €/MWh in den Monat Juli. Im Zusammenhang mit steigenden Preisen am Markt für EU-Emissionsrechte erreicht die Notierung einen vorläufigen Hochpunkt von 39,02 €/MWh am 2. Juli. Am folgenden Tag bestätigt der ukrainische Präsident Selenskyj Medienberichte, demnach sich sein Land im Gespräch mit Aserbaidschan zu möglichen Gastransitgeschäften befindet. Der aktuelle Vertrag mit Russland bzw. Gazprom endet mit Ablauf des Jahres. Sowohl einige EU-Staaten als auch die Ukraine sind an einer Fortsetzung des Transits via die Ukraine interessiert, damit Binnenländer wie z.B. Österreich und die Slowakei nicht auf LNG-Importe ausweichen, bei denen das Erdgas u.a. über Deutschland bezogen werden müsste.

Zu einer stärkeren Abwärtsbewegung kommt es im Laufe der zweiten Juliwoche: THE 2025 fällt am 10. Juli auf das Monatsminimum von 36,86 €/MWh. Das ist der niedrigste Stand seit dem 17. Mai. Anschließend bewegt sich die Notierung bis zum 25. Juli volatil seitwärts im Korridor von etwa 37 €/MWh bis 38 €/MWh. Hintergrund ist die gute Versorgungslage bei einer zugleich geringen Nachfrage. Auch größere Hitzewellen sind zu dieser Zeit nicht abzusehen, welche den Gasverbrauch merklich ankurbeln können. Derweil überschreitet der Gasspeicherstand in Deutschland bereits die Marke von 85 %.

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Der deutsche Gasverbrauch erreicht im Sommer sein saisonales Tief
(Quelle: BNetzA, ISPEX-Kompass)

Auf der anderen Seite des Atlantiks sorgt Hurrikan Beryl zwar für Schäden am LNG-Terminal Freeport in Texas am Golf von Mexiko, sodass die Anlage für mehrere Wochen ausfällt und nur schrittweise an den Markt zurückkehrt. In der Vergangenheit haben Produktionsstopps der technisch wenig zuverlässigen Anlage regelmäßig für steigende Gaspreise gesorgt, was dieses Mal jedoch kaum der Fall ist. Stattdessen kommen zunehmend Zweifel an einer wirtschaftlichen Erholung im Laufe der zweiten Jahreshälfte auf. Insbesondere China und Deutschland haben mit strukturellen Problemen zu kämpfen.

Ein Stimmungsumschwung setzt in der letzten Juliwoche ein. Große Hitze droht für den gesamten südeuropäischen Raum, mithin eine steigende Nachfrage nach Strom zur Kühlung. Dazu setzen Länder wie z.B. Italien verstärkt auf Gas sowie den Import von Strom aus Nachbarländern, insbesondere Nuklearstrom aus Frankreich. Zugleich ist auch Frankreich von Temperaturen von bis zu ca. 40 ℃ betroffen. Unweit der Stadt Toulouse muss das AKW Golfech vom Netz genommen werden. THE 2025 steigt am 29. Juli wieder über die Marke von 39 €/MWh auf 39,15 €/MWh.

Zum Monatsende sorgen Meldungen aus dem Nahen Osten für zusätzlichen Auftrieb. Am 31. Juli informiert Israel über die Tötung eines führenden Kommandeurs der Miliz Hisbollah in Beirut, der Hauptstadt des Libanon. Am selben Tag erfolgt auf den Politchef der Hamas in Teheran ein Anschlag, der mutmaßlich ebenfalls von Israel durchgeführt bzw. beauftragt wurde. So kehrt das Szenario eines großen Krieges in der Region in den Fokus der Marktteilnehmer zurück und THE 2025 beendet den Monat mit 40,04 €/MWh auf dem zweithöchsten Stand im laufenden Jahr nach dem 23. Mai.

Im Durchschnitt des Monats Juli notiert THE 2025 kaum verändert gegenüber dem Vormonat mit 38,11 €/MWh ( 0,4 % MoM). Etwas höher liegt THE 2026 mit 33,95 €/MWh (+1,5 % MoM). THE 2026 legt indes um 0,9 % auf 29,62 €/MWh zu.

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