Energiemarkt-Kommentar: Handelskonflikte sind gekommen, um zu bleiben
Von ISPEX am 6. Aug 2025
Die Energiemärkte begeben sich im Juli in ruhiges Fahrwasser. Im Hintergrund schwelen jedoch die Handelskonflikte der USA sowie Russlands Krieg in der Ukraine weiter. Kurzfristig könnten die Kurse zulegen, wenn der US-Präsident seine jüngsten Drohungen wahr macht. Längerfristig lastet das hohe Maß an wirtschaftlicher Unsicherheit auf der Energienachfrage.
Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 05.08.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Monat Juli mit bislang geringster Volatilität im laufenden Kalenderjahr
Der Kurs für das Strom-Frontjahr, DE Base 2026, weist im zurückliegenden Monat die mit Abstand geringste Volatilität seit Jahresanfang auf. Die Notierung bewegt sich im Bereich von 84,80 €/MWh bis maximal 88,88 €/MWh (Schlusskurse). Damit bleibt DE Base 2026 erstmals seit April wieder durchgehend unter der Marke von 90 €/MWh. Zugleich zeigt sich die Notierung bei 85 €/MWh gut unterstützt – das bisherige Jahrestief von rund 78 €/MWh vom 9. April bleibt in einiger Entfernung.
Entwicklung Erdgas-Terminkurse
(Stand: 05.08.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Auch am Gasmarkt bleiben die Kursschwankungen von THE 2026 im Juli gering. Lediglich im Januar war die Volatilität ähnlich schwach ausgeprägt, allerdings auf einem weitaus höheren Preisniveau. Die Notierung kostet im vergangenen Monat zwischen 34,28 €/MWh und 36,19 €/MWh.
Handelsdeal der EU mit den USA bringt keine Erlösung
Donald Trump sorgt nun schon seit Monaten mit seiner Zollpolitik für außerordentliche Unsicherheit in der globalen Wirtschaft. Am 27. Juli hält der US-Präsident Hof auf seinem privaten Golfresort in Schottland und empfängt unter anderem die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Am Ende steht eine Verständigung im Handelskonflikt, die einen 15 % Basiszollsatz auf Güter vorsieht, welche die USA aus der EU einführen sowie ein Nullprozentsatz auf Waren in die entgegengesetzte Richtung.
Die Erleichterung darüber, dass ein regelrechter Handelskrieg mit eskalierenden Zollsätzen ausbleibt, weicht prompt einer bitteren Erkenntnis: Ohne die Fähigkeit sich selbst verteidigen zu können, sitzen die Europäer gegenüber Washington jetzt auch in Handelsfragen am kürzeren Hebel. So erklärt EU-Handelskommissar Sefcovic das unfair erscheinende Ergebnis der Verhandlungen damit, dass es „um mehr als Handel geht, es geht um Sicherheit, es geht um die Ukraine (…)“.
Bereits am nächsten Tag kürzt der US-Präsident seine 50-Tage-Frist, die er Russland für eine Einwilligung zu einem Waffenstillstand mit der Ukraine gesetzt hatte, von verbleibenden 37 Tagen auf „10 bis 12 Tage“. Mitte Juni hatte sich Trump noch abgeneigt gezeigt, neue Sanktionen gegen Russland auf den Weg zu bringen, aufgrund der damit verbundenen Kosten – die EU müsse vorangehen. Sollte der Kreml seinen Angriffskrieg fortsetzen, drohen die USA jetzt mit Sekundärzöllen in Höhe von 100 %. Im Fokus steht aktuell Indien – neben China ein Hauptabnehmer von Rohöl aus Russland. Die Preise indischer Güter würden sich bei Einfuhr in den USA also mehr als verdoppeln, denn der neue Basiszoll von 25 % würde dem Vernehmen nach ebenfalls berechnet.
Diese Trumpsche Verflechtung von Geo- mit der Handelspolitik sorgt dafür, dass die europäischen Energiepreise gleich mehrfach von Entscheidungen des Weißen Hauses betroffen sind. Für den Fall, dass sich die EU mit den USA auf einen ausgewogenen „Deal“ verständigt hätten, war davon auszugehen, dass insbesondere die EUA-Kurse kräftig zulegen und die Strompreise mitziehen. Tatsächlich setzt am Montagmorgen, dem 28. Juli, zunächst eine Aufwärtsbewegung ein – der EUA-Frontmonat steigt kurzzeitig über die Marke von 72 €/t. Doch je mehr sich der Eindruck verstetigt, dass die Vereinbarung für die hiesige Industrie keineswegs ein „back to normal“ bedeutet, desto schneller geben die Kurse im Tagesverlauf wieder nach.
Für Auftrieb sorgt vielmehr die o.g. Androhung von Sekundärzöllen durch Trump. Dieser zweifelt zwar selbst an der Effektivität der Maßnahme, doch zeichnet sich Anfang August bereits ab, dass indische Energiekonzerne nach Alternativen zu Russland Ausschau halten. Eine tatsächliche Reduktion der russischen Ölexporte könnte allerdings zu global steigenden Ölpreisen führen, was sich mittelbar auch auf die LNG-Preise auswirken würde, die besonders in Asien im Rahmen von Langfristverträgen an den Ölpreis gekoppelt sind – der Wettbewerb zwischen Europa und Fernost um LNG am Spotmarkt könnte anziehen.
LNG-Preise am Spotmarkt in Asien zuletzt gleichauf mit Rohöl
(Stand: 05.08.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Unklar bleibt, ob auch die LNG-Importe der EU ex Russland von den US-Sanktionen betroffen sein würden. Im Juni stammten immerhin noch rund 15 % jener Einfuhren aus russischer Produktion. Zuletzt ist davon seitens der US-Regierung keine Rede. Der ursprüngliche Gesetzentwurf des US-Senats sieht allerdings durchaus ein generelles Sanktionsregime vor, in dessen Rahmen der US-Präsident allenfalls Ausnahmen aussprechen könnte. Am Gasmarkt wird eine merkliche Verknappung bislang jedenfalls nicht eingepreist. Allerdings dürften auch Zweifel bestehen, ob Trump seinen Ankündigungen auch Taten folgen lässt.
Dass sich Brüssel Ende Juli auf einen Zollsatz von 15 % eingelassen hat, hängt nicht zuletzt mit der vorherigen Einigung zwischen den USA und Japan zusammen – das Land hat nämlich selbigen Basiszoll akzeptiert. Es galt schlicht als unwahrscheinlich, dass die EU eine günstigere Vereinbarung erzielen kann, da die Beziehungen zwischen den USA und Japan besonders eng sind. Das Beispiel Japan verdeutlicht überdies, dass die Höhe des Importzolls an sich für die EU-Kommission letztlich nicht ausschlaggebend ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die EU im Wettbewerb mit anderen Exporteuren eine im Vergleich möglichst niedrige Schwelle für den Zugang auf den weltgrößten Markt erreicht hat – ein deutscher Autohersteller somit nicht schlechter gestellt ist als ein Mitbewerber aus Japan.
Ein negativer Ausblick für die hiesigen Betriebe, mithin die Energienachfrage, resultiert aus zwei Faktoren: Ein Unternehmen kann entweder die Zölle nicht vollständig auf die Verkaufspreise in den USA umlegen und muss diese also (teilweise) selbst tragen. Oder die Nachfrage in den USA geht aufgrund der gestiegenen Preise zurück. In der Folge müssen die relativen Marktanteile für EU-Unternehmen in den USA nicht zwingend sinken, der Kuchen wird aber insgesamt kleiner werden. Zumal, wenn sich die wirtschaftliche Lage im Land verschlechtern sollte. Zugleich steigt der Druck auf die Unternehmen in der EU, innovativere Produkte zu entwickeln, was langfristig durchaus Chancen bietet.
Sicher ist wie gehabt nur, dass unter diesem US-Präsident die Unsicherheit hoch und Zölle das bevorzugte Instrument für die Durchsetzung allerlei Ziele bleiben. Zusätzlich zu den Basiszöllen drohen noch sektorale Zölle zum Beispiel auf Halbleiter sowie Medikamente – jene auf Stahl- und Aluminiumprodukte bleiben voraussichtlich erhöht. Derweil stehen vollständige und verschriftlichte Handelsabkommen noch aus – gleich ob mit China oder der EU. Darüber hinaus droht Ungemach im Verhältnis zwischen der EU und China, sowohl geo- als auch handelspolitisch. Ein Ende der Konflikte ist nicht in Sicht.
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