Energiemarkt-Kommentar: Sommer-Rallye geht zu Ende

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Die Geopolitik bestimmt im August maßgeblich die Entwicklung der Kurse im Energiekomplex: In Nahost sowie im Osten Europas lauern Gefahren für das Gasangebot. Zusätzlich sorgen hohe Temperaturen in Teilen Südeuropas und in Nordostasien für einen erhöhten Einsatz von Erdgas in der Stromerzeugung. Anfang September zeichnet sich ein Ende der Hitze ab, während sich die europäische Gasversorgung trotz aller Risiken als stabil erwiesen hat. Die Kurse für Strom und Gas geben kräftig nach.

Strom-Terminmarkt: Frontjahr steigt bis auf 101 €/MWh

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Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre (Quelle: EEX, ISPEX-Kompass)

Der erste Handelstag im August steht unter dem Eindruck des tödlichen Attentats auf den Politchef der Hamas in der iranischen Hauptstadt Teheran vom Vortag. Die iranische Regierung verdächtigt Israel hinter der Bombe, die in einem ihrer Gästehäuser detonierte, und kündigt Vergeltung an. Ein erneuter Raketenangriff auf Israel steht zu befürchten mit ungewissen Folgen unter anderem für die LNG-Exporte Katars durch die Straße von Hormus. Der Stromkurs für das Frontjahr steigt am 1. August auf 97,22 €/MWh. Auf den Schock folgt schnell eine Entspannung. Innerhalb von nur zwei Handelstagen fällt die Notierung auf das Monatsminimum von 93,16 €/MWh.

Am 6. August sorgen die Ereignisse in einer anderen Weltregion abermals für eine Eskalation am Gasmarkt und das mit durchschlagender Wirkung auf die hiesigen Stromkurse: Das ukrainische Militär marschiert überraschend in die russische Region Kursk ein und kann rasche Geländegewinne verbuchen. Bereits am nächsten Tag machen Berichte die Runde, demnach eine Gasstation nahe der Kleinstadt Sudzha eingenommen wurde. Es ist die letzte Station entlang der Pipeline Urengoy-Pomary-Uzhgorod auf russischem Boden, die anschließend über die Ukraine Erdgas bis in die EU leitet. Es ist zudem die letzte operative Pipeline-Verbindung zwischen Russland und der EU, die nicht über die Türkei führt. Es wäre jetzt durchaus plausibel, wenn Gazprom die Lieferungen einstellen würde. In der Folge steigt DE Base 2025 bis auf das Monatsmaximum von 100,35 €/MWh am 16. August. Damit bleibt der Terminkurs geringfügig unterhalb des bisherigen Jahreshochs von 101,15 €/MWh am 27. Mai, als ebenfalls Sorgen um die verbliebenen Gas-lieferungen ex Russland in den Osten der EU zu einer Rallye geführt hatten.

Zusätzlich sorgt in der ersten Hälfte des Augusts die Lage im Nahen Osten weiterhin für Unterstützung der Kurse im Energiekomplex. Die USA warnen, dass ein Angriff des Iran auf Israel unmittelbar bevorstehe, während in Israel ein Einmarsch in den Libanon erwogen wird. In Südeuropa sorgt derweil große Hitze für einen verstärkten Einsatz von Klimageräten. Zugleich müssen in Frankreich vereinzelt AKW-Reaktoren vom Netz genommen werden, da die Wassertemperaturen in Flüssen zulässige Höchstwerte überschreiten.

Gas aus Russland allerdings fließt weiter gen Westen – es setzt an den Energiemärkten eine vorsichtige Entspannung ein. Obendrein erreicht die EU bereits am 22. August ihr Gasspeicherziel für den 1. November von 90 % mehr als zwei Monate früher. DE Base 2025 fällt auf 95,54 €/MWh. Daraufhin folgt eine Gegenbewegung bis auf 97,45 €/MWh am 27. August. Die Notierung beendet den Monat mit 96,72 €/MWh in etwa auf dem Niveau zu Monatsanfang (-0,5 %).

Im Vergleich der Monatsmittelwerte der Strom-Futures für die kommenden Jahre sind deutliche Zuwächse zu verzeichnen. DE Base 2025 steigt um 7,5 % auf 97,17 €/MWh, DE Base 2026 legt um 6,3 % auf 88,44 €/MWh zu und DE Base 2027 kostet 3,9 % mehr als noch im Durchschnitt des Julis.

Day-Ahead-Strompreise seit Ende Juni (Quelle: EPEX, ISPEX-Kompass)

Auch am Spotmarkt verteuert sich Strom im August erheblich. DE Base Day-Ahead steigt um 21,2 % auf 82,05 €/MWh. Maßgeblich dafür ist ein schwaches Windaufkommen. Rund 6,6 TWh Windstrom werden im August im Inland produziert. Das sind 7,5 % weniger als noch im Vormonat und stellt ein Minus von 4,9 % im Vergleich zum Vorjahresmonat dar. Stark gestiegen ist hingegen die Einspeisung aus PV-Anlagen mit einem Plus von 39,2 % gegenüber dem August des Vorjahres. Diese liefern jedoch kaum Energie in den Morgen- und Abendstunden, weshalb sich zu diesen Zeiten die gestiegenen Preise für Erdgas besonders bemerkbar machen.

In der ersten Septemberwoche werden die geopolitischen Risiken rund um die Lage im Nahen Osten sowie bezüglich der Gaslieferungen ex Russland ausgepreist. Nach mehr als vier Wochen ist die angekündigte Vergeltung des Iran gegen Israel ausgeblieben und Gazprom hat seine Exporte nicht eingestellt. DE Base 2025 fällt im Zuge dessen bis auf rund 87 €/MWh und damit auf den niedrigsten Stand seit Ende Juli.

Gasbörse: Neues Jahresmaximum bei THE 2025 mit 43,29 €/MWh

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Entwicklung Terminmarktkurse versus Spotmarktpreis (Quelle: EEX, ISPEX-Kompass)

Der August beginnt für das Gas-Frontjahr mit einem neuen Jahreshöchstwert. Vor dem Hintergrund der Ankündigung des Iran, Vergeltung an Israel für die Tötung des Hamas-Politchefs zu üben, steigt THE 2025 am 1. August auf 40,76 €/MWh. Damit übertrifft die Notierung zum zweiten Mal in diesem Jahr die Marke von 40 €/MWh. Allerdings kommt es nicht zu einem unmittelbaren Angriff auf Israel, der zu einer unkontrollierbaren Situation im Nahen Osten führen und das Emirat Katar vom Weltmarkt für LNG abschneiden könnte. THE 2025 fällt am 5. August auf das Monatsminimum von 39,51 €/MWh.

Am nächsten Tag erfolgt der Angriff des ukrainischen Militärs auf die Region Kursk in Russland. Nicht nur die gegnerischen Truppen zeigen sich überrascht, auch an den Gasmärkten kehrt die Sorge um die verbliebenen Lieferungen Gazproms an Länder im Osten der EU schlagartig zurück. Denn in der russischen Region befindet sich nahe der Kleinstadt Sudzha auch eine Gasstation für die Weiterleitung jener Moleküle in die Ukraine, die am anderen Ende des Landes an der Grenze zur Slowakei in die EU fließen. Offenbar bereits am zweiten Tag des Einmarsches bringen ukrainische Truppen die Gasstation unter ihre Kontrolle. Als umgekehrt im Jahr 2022 die russische Seite eine ukrainische Gasstation im Donbass eingenommen hatte, nahm die Ukraine dies zum Anlass, die betroffene Pipeline stillzulegen. Eine entsprechende Reaktion steht nun für die Pipeline Urengoy-Pomary-Uzhgorod zu befürchten. THE 2025 steigt bis auf das Monatsmaximum von 43,29 €/MWh am 16. August. Das ist der höchste Kurswert seit dem 2. Dezember 2023.

Gasflüsse via die Ukraine in EU – leicht rückläufig, aber nicht eingestellt
(Quelle: EEX, ISPEX-Kompass)

In der vorletzten Augustwoche stellen die Händler fest, dass Gazprom seine Lieferungen über die Ukraine nicht eingestellt hat und die Kurse geben nach. Am 22. August erreicht die EU bereits ihr Speicherziel für den Oktober von 90 % – THE 2025 fällt auf 40,61 €/MWh. Auf den starken Preisrückgang folgt zum Monatsende noch einmal eine Gegenbewegung, doch bei 42 €/MWh stößt die Notierung auf Widerstand. THE 2025 beendet den Monat mit 41,83 €/MWh. Im Monatsmittel kostet der Gaskurs für das Frontjahr im August 41,68 €/MWh und damit 9,4 % mehr als noch im Juli. THE 2026 steigt um durchschnittlich 6,3 % auf 36,10 €/MWh, während bei THE 2027 das Plus lediglich 1,6 % beträgt. Deutlich kräftiger hingegen sind die Zugewinne am Day-Ahead-Markt. Hier legt der Gaspreis im Monatsmittel um 17,1 % auf 37,56 €/MWh zu.

Deutschland Gasspeicherstand 08 2024

Gasspeicherstand Deutschland – das Novemberziel von 95 % ist bereits erreicht
(Quelle: GIE, ISPEX-Kompass)

Mit Beginn des Monats September kommt es am Gasmarkt zu starken Kursrückgängen. Die Ereignisse im Iran sowie der Auftakt zur „Gegeninvasion“ der Ukraine liegen gut einen Monat zurück. Die Marktteilnehmer preisen jetzt die damit verbundenen Risikoaufschläge aus. THE 2025 fällt aktuell unter die Marke von 38 €/MWh. So bestätigt sich frühzeitig unsere Erwartung (siehe „Empfehlung“, ISPEX-Energiemarktanalyse August 2024), dass mit Ende des Sommers gute Chancen auf stärker fallende Kurse bestehen.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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