Energiemarkt-Kommentar: Strompreis steigt an Energiebörse um über 40 Prozent seit Jahresbeginn

Großhandelspreise für Strom

Wie erwartet konnten Unternehmen in der ersten Septemberhälfte die zunächst wieder fallenden Großhandelspreise für Strom und Gas nutzen und erhielten etwas günstigere Einkaufskonditionen für Strom und Gas als noch im August. Der von ISPEX ermittelte Energiepreisindex fiel deshalb sowohl für Strom als auch für Gas. Ab der zweiten Septemberhälfte kletterten die Stromnotierungen an der Energiebörse EEX allerdings in etwa auf das Preisniveau des Septembers 2015. Gemessen am Tiefpreis im Februar dieses Jahres legten die Basisprodukte für die kommenden Jahre damit zum Teil nun um über 40 Prozent zu. Auch die Gaspreise zogen merklich an, liegen aber noch unter dem Vorjahrespreis.

Strompreise: Stärkste Kursrallye an den Börsen seit Jahren

Die Stromnotierungen an den Börsen verliefen zu Beginn des Monats zunächst wie erwartet. Sie verfolgten den im August eingeschlagenen Trend und gaben weiter nach. Dann setzte aber Mitte des Monats ein noch immer anhaltender starker Preisanstieg ein, der in dieser Stärke von keinem Energiemarkt-Experten vorhergesagt wurde.

Beschäftigt man sich mit den Hintergründen und Zusammenhängen auf dem Energiemarkt, kann der Preissprung zumindest in Ansätzen erklärt werden.

Es war nicht wie so oft in letzter Zeit ein kräftiger Anstieg des Ölpreises, der die anderen Energiepreise mit nach oben zog. Er blieb im September nahezu durchweg stabil und zog erst mit den OPEC-Gesprächen – vgl. dazu noch später in diesem Marktkommentar – am Ende des Monats an. Vielmehr war es ein Wechselspiel aus Kohlepreis und Marktrahmenbedingungen, die den Strompreis so stark in die Höhe trieben.

Bereits seit dem Frühjahr klettern die Kohlepreise auf dem Weltmarkt immer höher. Dabei notierten die Preise an den Handelsplätzen in Australien und Südafrika zuletzt zum Teil deutlich höher als im europäischen Raum. Diese Differenz hat sich nun teilweise egalisiert. Spekulationen um eine nachlassende Nachfrage durch China konnten die Preise nicht drücken und der Kurs stieg auch in der zweiten Septemberhälfte nochmals kräftig an.

Der jüngste Aufschwung zeigt die Wechselwirkungen auf dem Energiemarkt. Die Strompreise wurden im europäischen Verbundnetz vor allem durch Nachrichten aus Frankreich getrieben. So wurde bekannt, dass Wartungsarbeiten in zwölf Kernkraftwerken in einem ungeplant langen Ausmaß erforderlich sind und Frankreich deshalb auf Stromimporte angewiesen sein wird. Der erfolgte Anstieg bei den kurzfristigen Produkten zog wie immer auch die mittel- und längerfristigen Stromlieferverträge in die Höhe. Der höhere Bedarf an Kohle zur Verstromung in den Kohlekraftwerken zur Kompensation des Ausfalls der Kernkraftwerke führte dann vor allem im europäischen Raum zu einem kräftigen Preisanstieg bei den Kohlepreisen.

Die weitere Entwicklung des Strompreises ist derzeit extrem schwer vorher zu sagen. Einige Experten sehen noch weiteres Steigerungspotenzial, doch spricht auch einiges dafür, dass  der Aufwärtstrend im Oktober wieder abflaut. Allerdings dürften die gestiegenen Kohlepreise einen zügigen Preisverfall bis auf weiteres noch verhindern, sodass beim Energieeinkauf im Oktober wohl durchweg mit einem deutlich höheren Preisniveau als noch im September zu rechnen ist.

ISPEX-Energiepreisindex: Steigende Strompreise in Sicht

Im September lagen die auf ausgeschriebene Stromlieferverträge abgegebenen besten Angebote der Stromlieferanten im Durchschnitt bei 2,93 ct/kWh und damit etwas unter dem Wert im August von 3,04 ct/kWh (Marktkommentar 2016-09).

Entwicklung der Großhandelspreise für Strom

Großhandelspreise für Strom

Dass der Wert gefallen ist, lag daran, dass sich Unternehmen nach den fallenden Preisen im August vor allem in der ersten Septemberhälfte mit Stromlieferverträgen eingedeckt haben. Mit Einsetzen des kräftigen Preisanstiegs übten sich die Unternehmen beim Stromeinkauf bereits in Zurückhaltung, was dazu führte, dass entsprechend weniger Angebote in die Indexberechnung eingeflossen sind.

Die derzeitige Entwicklung der Börsenpreise und der diesen folgenden Einkaufspreise für Unternehmen machen einmal mehr sehr deutlich, dass der Energiemarkt nur schwer vorhergesagt werden kann. Wollen Unternehmen die Chancen des schwankenden Energiemarkts nutzen und zugleich die Risiken minimieren, führt kein Weg an einer täglichen Marktbeobachtung unter Berücksichtigung einer vorher festgelegten Beschaffungsstrategie vorbei. Bereits ab einer Jahresenergiemenge von etwa 5 GWh sollten sich Energieverantwortliche in Unternehmen mit den Möglichkeiten der automatisierten Marktbeobachtung auseinandersetzen, um sich nicht dem Vorwurf allzu risikoreicher Energiebeschaffung auszusetzen (mehr zum Thema Energiebeschaffung).

In jedem Fall ist zu erwarten, dass die durchschnittlichen Einkaufskonditionen für Stromlieferungen im kommenden Monat deutlich über denen des Septembers liegen werden. Zwar ist derzeit eine gewisse Zurückhaltung bei den Unternehmen zu spüren. Doch sind gerade Unternehmen, die entweder Budgets bereits für 2018 festlegen oder noch Lieferverträge für 2017 abschließen bzw. erneuern müssen, gezwungen zu den derzeitigen Konditionen abzuschließen. Auch hier würde eine vorher festgelegte Beschaffungsstrategie das Risiko streuen.

ISPEX-Energiepreisindex: Gaspreise im Monatsschnitt vorerst nochmals leicht gesunken

Ähnlich wie beim Strom sieht es bei den Gaspreisen aus. Dort fiel der Durchschnittswert der abgegebenen Bestgebote leicht von 1,70 ct/kWh im August auf 1,65 ct/kWh im September.

Die Lage bei der Gasbeschaffung entspricht im Wesentlichen derjenigen beim Stromeinkauf. Hier entwickeln sich ebenso die Börsenpreise derzeit nach oben – dazu sogleich mehr. Deshalb ist hier zu erwarten, dass Unternehmen im Oktober zu schlechteren Konditionen als noch Anfang September einkaufen können.

Wenngleich die Preisbewegungen beim Gas derzeit deutlich verhaltener ausfallen, gilt im Grunde dasselbe wie bei den Strompreisen. Hier kann durch gezielte Marktbeobachtung das Risiko gestreut werden und man läuft nicht Gefahr, aufgrund externer Zwänge oder bestehender Unsicherheit seinen gesamten Gasbedarf zu einem ungünstigen Zeitpunkt einzudecken. Gerade der Kursverlauf an den Großhandelsplätzen zeigte im Laufe des Jahres, dass der Gaskurs nach wie vor sehr volatil ist (mehr zum Thema Energiebeschaffung).

Gaspreise seit Mitte September im Aufwind

Im Grunde verhielten sich die Gaspreise zunächst wie im Vormonat prognostiziert. Sie starteten durchweg mit weiter leicht fallenden Notierungen in den Monat und wie erwartet zeigte sich das Frontjahr schwächer als die entfernteren Lieferjahre (Marktkommentar 2016-09.) Selbst die Umkehr der Tendenz für die Lieferjahre ab 2018 zur Mitte des Monats war keine echte Überraschung, wenngleich der Preisanstieg des Frontjahres vor allem in der Deutlichkeit nicht zu erwarten war.

Entwicklung der Großhandelspreise für Gas

Grohandelspreise für Gas

Der Preisanstieg bei den Gasprodukten setzte zwar nahezu gleichzeitig mit der Kursrallye beim Strom ein. Der Anstieg an sich fiel aber deutlich schwächer aus als bei den Strompreisen. Der Vergleich mit dem Vorjahr zeigt, dass Gas nach wie vor günstig gehandelt wird. Die Notierungen liegen noch deutlich unter denen des Oktobers oder gar Septembers des Jahres 2015.

Der jüngste Anstieg der Preise beruht auf mehreren Ursachen. Zum einen sorgten die stark steigenden Strom- und Kohlepreise insgesamt für eine bullische Stimmung bei den Händlern. Steigen die Strompreise über ein bestimmtes Maß, lässt dies den Einsatz von Erdgas zur Stromproduktion wieder lukrativ erscheinen, was zusätzlich Auftrieb gibt. Insofern entstehen Wechselwirkungen zwischen dem Strom- und Gaspreis.

Im Zuge dessen trieben zunächst Gerüchte um informelle Absprachen der OPEC-Länder über Förderkürzungen den Kurs, die sich bewahrheiteten. Die Absprache des Öl-Kartells sorgte für einen stärkeren Rohölkurs und im Zuge dessen zu einer weiteren Stützung der Gaspreise. Allerdings dürfte es in den kommenden Wochen bis zur ausstehenden offiziellen Versammlung noch zu einigen Diskussionen mit kleineren Ölförderländern kommen, die sich gegebenenfalls noch entsprechend positionieren wollen. Auch Russland konnte bisher nicht für eine flächendeckende Kürzung der Förderung gewonnen werden.

Bei den Gaspreisen gilt es nun abzuwarten, wie sich die anderen Energiepreise entwickeln, da sie sich wie ausgeführt in letzter Zeit von diesen abhängig zeigten. Insbesondere sollte  das Augenmerk auf die weiteren Diskussionen um die Einschränkung der Förderung bzw. deren Ausweitung gelegt werden. Einigt man sich auf geringere Mengen, sollte das den Ölpreis und in dessen Fahrwasser auch den Erdgaspreis weiter stützen.

 

Haftungsausschluss

Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.