Energiemarkt-Kommentar: Extreme Eskalation bei Strom- und Gaskursen

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, Oktober 2021

Fortlaufend steigende Preise für Strom und Erdgas sind für die Leser unseres Marktkommentars in diesem Jahr wohl keine Neuigkeit. Im September beginnt jedoch eine extreme Eskalation, die sogar die Rallye aus dem Jahr 2008 kurz vor Ausbruch der Finanzkrise weit in den Schatten stellt. Selbst im Verlauf eines Handelstages treten beim Strom-Frontjahr Kursschwankungen auf, die sich normalerweise allenfalls über mehrere Jahre hinweg ergeben.

Strombörse: Grundlast für das Frontjahr schließt September mit 129,28 €/MWh

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

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Der Stromkurs für die Lieferung von Grundlast im Kalenderjahr 2022 startet in den September mit 88,10 €/MWh (Base). Zur Monatsmitte erreicht der Kurs einen vorläufigen Hochpunkt von 104,77 €/MWh. Zu dieser Zeit kursieren verstärkt Berichte über einen bevorstehenden Gasmangel im Winter. Akut verschärft sich die Lage mit einem Brand eines Interkonnektors, der Großbritannien regelmäßig mit Atomstrom aus Frankreich versorgt. Obendrein schränkt Hurrikan Nicholas die Flüssiggas-Exportkapazitäten der USA vorübergehend ein.

Nach einer sehr kurzen Abwärtsbewegung beschleunigt sich die Rallye zum Monatsende weiter – der Terminkontrakt beendet den Monat mit 129,28 €/MWh. Diese extreme Aufwärtsbewegung ist das Ergebnis von Nachrichten aus China. Denn es wird nun offensichtlich, dass das Land in den zurückliegenden Monaten kaum in der Lage war, ausreichend Steinkohle für den Winter zu bevorraten. Gleichzeitig befindet sich der Energieverbrauch im Land auf dem höchsten Niveau aller Zeiten. Chinesische Regierungsstellen verkünden, auf dem Weltmarkt „jeden Preis“ zu zahlen, um die Versorgung in den kommenden Monaten sicherzustellen. Auch in Westeuropa sowie Indien liegen die Kohlebestände deutlich unter dem mehrjährigen Mittel. Auf die schwierige Lage am Gasmarkt folgt also ein scharfer Wettbewerb um Steinkohle, der das Marktgeschehen in den kommenden Monaten prägen dürfte.

Wird in Deutschland für die Spitzenlast (Peak) zu Monatsanfang noch ein Aufschlag von 13,35 €/MWh fällig, beträgt dieser am letzten Handelstag bereits 25,46 €/MWh. Somit steigt der am Terminmarkt für 2022 realisierbare Energiepreis für ein Unternehmen mit Anteilen von 80 % Base und 20 % Peak im Monatsverlauf von 9,1 ct/kWh bis auf 13,4 ct/kWh – eine Teuerung um 47 %.

Im Monatsmittel kostet allein die Grundlast für das Strom-Frontjahr im September 101,84 €/MWh, ein Anstieg um 25 % gegenüber dem Vormonat. Das Kalenderjahr 2023 kostet 11,8 % mehr, die Notierung für das Jahr 2024 legt 11,6 % zu.

Gasbörse: Frontjahr legt im Monatsverlauf 70 % zu

Preisentwicklung Erdgas NCG für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

Gaspreis, Beschaffung, Unternehmen, Gas, Preis, Börse, September 2021

Noch gravierender als am Strommarkt ist die Verteuerung beim Erdgas-Terminkurs für das Frontjahr. Die Notierung liegt zu Monatsanfang mit 34,39 €/MWh bereits auf dem höchsten Stand der letzten Jahre. Bis zum 15.09.2021 steigt der Kurs bereits auf 42,23 €/MWh. Ein Niveau, das zum Monatsende fast schon wieder günstig wirkt. Denn am letzten Handelstag des Monats erreicht der Kontrakt einen Wert von 57,42 €/MWh. Innerhalb eines Monats hat der Kurs damit um rund 70 % zugelegt.

Im Monatsmittel steigt das Frontjahr im September gegenüber dem Vormonat um 31,5 % auf 41,49 €/MWh. Weniger kräftig fallen die Zuwächse bei den Folgejahren aus. Das Kalenderjahr 2023 kostet im Durchschnitt 16,7 % mehr, das Jahr 2024 verzeichnet immerhin noch ein Plus von rund 10 %.

Viele Analysten hatten erwartet, dass mit dem Ende des Sommers in der Region Nordostasien die Flüssiggasnachfrage im Oktober deutlich nachlässt und in der Folge mehr Sendungen in Europa anlanden. Tatsächlich ist ein leicht steigender Trend bei den wöchentlichen Importmengen zu verzeichnen. Doch zwei Faktoren machen den Hoffnungen auf fallende Preise einen Strich durch die Rechnung: Der oben genannte enorme Energiebedarf Chinas und die geringen Gasliefermengen Russlands nach Westeuropa.

Ausblick: Alle Augen gen Russland

Anfang Oktober ist das Ende der Rallye zunächst noch nicht erreicht. Beispiellose Preissprünge führen zu einem einsamen Spitzenwert: Der Kurs für das Strom-Frontjahr gipfelt am 5. Oktober bei 160,18 €/MWh (Base) bzw. 227,25 €/MWh (Peak). Die entsprechende Gasnotierung erreicht 66,10 €/MWh. Diese Entwicklung ist so extrem, dass sie kaum mehr nur mit fundamentalen Faktoren erklärt werden kann. Neben einer Spekulationsblase kommt es wohl zu einer Überforderung zahlreicher Energiehändler, die schlagartig Short-Positionen auflösen müssen, da die Sicherheitsforderungen der Börsen ihre Liquidität gefährden.

Es ist schließlich der Präsident Russlands, der die „Luft herauslässt“. Auf einer Energiekonferenz am 6. Oktober verkündet Wladimir Putin, dass sein Land in der Lage sei, mehr Gas nach Europa zu liefern. Ist der Kurs für das Strom-Frontjahr am Morgen desselbigen Tages noch bis auf fast 180 €/MWh geklettert, bricht die Notierung nach diesen Worten um mehr als 40 €/MWh ein. Der Tag schließt mit 137,90 €/MWh, die Rallye ist zumindest in ihrer extremen Form vorerst beendet. Die steile Abwärtsbewegung findet am 8. Oktober mit 118,95 €/MWh ihren vorläufigen Tiefpunkt. Am selben Tag kostet das Gas-Frontjahr 49,85 €/MWh.

Die Aussagen des russischen Präsidenten werden in den folgenden Tagen oftmals von den hiesigen Medien als Zusage gedeutet, dem Versorgungsengpass in Westeuropa abzuhelfen. Tatsächlich hat Putin jedoch keine konkreten Maßnahmen verkündet. Vielmehr nutzt er die Gelegenheit, der Welt zu zeigen, welche Relevanz Russland noch immer für die Versorgung der EU hat und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der neuen Pipeline Nord Stream 2 zu verweisen. Keinen Hehl macht er aus seiner Abneigung, künftig noch Gas über Polen oder die Ukraine zu liefern. Nicht zuletzt aus Gründen des Umweltschutzes sei es sehr viel besser, die beiden Pipelines durch die Ostsee zu nutzen. Zugleich weist er eine Verantwortung Russlands für die derzeitige Marktlage von sich.

Zwar ist es korrekt, dass Gazprom seine langfristigen Lieferzusagen einhält. Diese fallen jedoch deutlich geringer aus als in der Vergangenheit und es war bislang durchaus üblich, auch kurzfristig weitere Mengen zu liefern. Insbesondere der starke Rückgang über Polen seit August hat die Kurse deutlich nach oben getrieben. Die Behauptung, Russland werde in diesem Jahr Rekordmengen nach „Europa“ liefern ist für Westeuropa wenig relevant, wenn hierbei u.a. die Liefermengen in die Türkei mit einberechnet werden. Tatsächlich befinden sich die Exportmengen über die drei Hauptrouten nach Westeuropa auf dem tiefsten Stand seit Jahren. Wobei dies auch an einer hohen Nachfrage in Russland selbst liegen mag, nachdem der letzte Winter sehr kalt ausgefallen ist. Hierzu zeigt sich Gazprom mit seinen Veröffentlichungen allerdings wenig transparent.

Es besteht Hoffnung, dass die Liefermengen aus Russland ab November etwas zulegen und sich die Marktlage stabilisiert. Eine Trendumkehr ist jedoch weiterhin nur im Fall einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erwarten. Und diese steht und fällt mir der Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur, die von den Marktteilnehmern für dieses Jahr nicht mehr eingepreist wird.

Schwierige Rahmenbedingungen beim Abschluss von neuen Verträgen

Der extreme Anstieg der Börsenpreise für Strom und Erdgas stellt nicht nur die Kunden vor Probleme. Auch auf Seiten der Lieferanten führt die Marktentwicklung zu Schwierigkeiten. Angesichts von Preissprüngen von mehreren €/MWh innerhalb eines Tages ist eine seriöse Preiskalkulation für Sondervertragskunden mit größerem Energiebedarf kaum noch möglich. Um die Risiken zu beschränken, haben zahlreiche Strom- und Erdgaslieferanten ihre Vertriebsaktivitäten in den letzten Wochen deutlich eingeschränkt. In vielen Fällen werden allenfalls noch Folgeangebote für Bestandskunden erstellt, für Neukunden aber keine Angebote mehr abgegeben. Darüber hinaus werden die Bindefristen für Angebote immer weiter verkürzt, um mit dem Markt schritthalten zu können.

Kunden, die für das kommende Lieferjahr noch neue Energielieferverträge abschließen müssen, stehen also zum einen vor der Herausforderung, überhaupt Lieferanten zu finden, die sich an einer Ausschreibung beteiligen und zum anderen den Angebotsvergleich innerhalb von kürzester Zeit durchführen zu müssen. Ein ideales Werkzeug, um diesen Herausforderungen zu begegnen, stellt eine Online-Ausschreibung auf der von ISPEX entwickelten Plattform energie-handelsplatz.de dar. Durch die Anbindung von mehr als 600 Strom- und Erdgaslieferanten werden die Ausschreibungen auf energie-handelsplatz.de umfassend in der Energiewirtschaft bekannt gemacht. Für die Kunden besteht dabei die Möglichkeit, die zur Teilnahme berechtigten Lieferanten zum Beispiel nach Bonitätskriterien zu selektieren. Infolge des interaktiven Bietungsprozesses steht das Ergebnis unmittelbar nach Ausschreibungsende fest, so dass eine schnelle Entscheidung über den Vertragsabschluss möglich ist. Gern erläutert Ihnen Ihr ISPEX-Energiemanager die detaillierten Abläufe bei der Durchführung der Ausschreibungsverfahren. Bitte sprechen Sie uns an.

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Haftungsausschluss

Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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