Energiemarkt-Kommentar: Rallye am EUA-Markt
Von ISPEX am 9. Okt 2025
In den zurückliegenden Wochen sorgen große Zugewinne am Markt für EU-Emissionsrechte für steigende Strompreise. Im Gegensatz dazu geht es für die Gaskurse der kommenden Lieferjahre abwärts. Ein kalter und womöglich windarmer Herbst sowie der Krieg in der Ukraine könnten allerdings für einen Trendwechsel nach oben sorgen. Am Strom-Spotmarkt gibt es seit dem 1. Oktober nun Preise im Viertelstundentakt.
Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 03.10.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Strom: Lieferjahr 2027 alsbald mit neuem Jahreshöchstwert?
Verglichen mit der Entwicklung der Vormonate ist die Marktlage am Stromterminmarkt im September eher ruhig. Die Notierung für das Frontjahr bewegt sich im Korridor von 85,09 €/MWh und 88,04 €/MWh (Schlusskurse). Im Mittel kostet DE Base 2026 mit 86,67 €/MWh rund 1,4 % mehr als noch im Vormonat.
Kräftiger aufwärts geht es für das Folgejahr: DE Base 2027 steigt von durchschnittlich 80,68 €/MWh im August auf 82,82 €/MWh im September – ein Plus von 2,7 %. Während es im Vormonat für Energieeinkäufer:innen noch oftmals möglich war, einen Kurs von etwa 80 €/MWh oder weniger abzusichern, ist die Notierung im September nur an wenigen Tagen günstiger als rund 83 €/MWh.
Und Anfang Oktober geht es weiter aufwärts. Am Tag der Deutschen Einheit steigt DE Base 2026 auf 86,61 €/MWh, während sich DE Base 2027 immer weiter dem Preisniveau des Frontjahres annähert – der Terminkurs steigt am 3. Oktober auf rund 85 €/MWh und damit auf den höchsten Stand seit Mitte Februar. Allein seit Anfang September hat sich DE Base 2027 um 4,1 % verteuert. Das bisherige Jahreshoch von 86,83 €/MWh rückt immer näher.
Entwicklung Erdgas-Terminkurse
(Stand: 03.10.25, Quelle: ISPEX Kompass)
Gas-Frontjahr fällt auf neues Jahrestief
Am Gasmarkt notiert das Lieferjahr 2026 im September in einem engen Korridor von 32,98 €/MWh bis maximal 33,86 €/MWh. Noch in den Sommermonaten waren Preise von 35 €/MWh und mehr keine Seltenheit. Auf Unterstützung trifft THE 2026 regelmäßig bei 33 €/MWh, während nach oben die Widerstandslinie bei etwa 33,70 €/MWh verläuft. Doch am letzten Handelstag kommt es zu einem plötzlichen Kursrutsch auf 32,41 €/MWh – ein neues Rekordtief im laufenden Kalenderjahr.
THE 2027 pendelte von Mai bis Anfang August vorwiegend im Bereich von 31 bis 32 €/MWh. Mitte August sackt die Notierung bis auf 30,21 €/MWh ab. Im Laufe des Septembers kann sie sich zwar wieder oberhalb von 31 €/MWh stabilisieren, stößt jedoch bereits bei rund 31,30 €/MWh auf Widerstand. Mit dem Monatswechsel nimmt der Abwärtsdruck zunächst wieder zu und THE 2027 fällt auf 30,55 €/MWh.
Relative Entwicklung der Kurse im Energiekomplex
(Stand: 03.10.25, 0 % = 01.09.25; Quelle: ISPEX Kompass)
CO2-Preis verhindert Verluste am Strommarkt
Haupttreiber für steigende Stromkurse am Terminmarkt sind seit Anfang September die EU-Emissionsrechte. Der europäische CO2-Preis notiert am 3. Oktober rund 7,0 % höher als noch am 1. September. Dass DE Base 2026 in dieser Zeit lediglich um 1,1 % zugelegt hat, ist dem gesunkenen Gaspreis zu verdanken mit einem Minus von 2,4 %.
Entwicklung EUA-Frontmonat vs. Netto-Long der Finanzinvestoren
(EUA-Kursstand: 03.10.25; Quelle: ISPEX Kompass)
Engagement der spekulativen Anleger am EUA-Markt auf Rekordniveau
Hinter der Rallye am EUA-Markt steht besonders eine Anlegergruppe: Finanzinvestoren wie z.B. Hedge-Fonds. Diese setzen im September so stark auf steigende Kurse wie noch nie seit Beginn unserer Aufzeichnungen vor mehr als vier Jahren. Zunächst wurde der Abgabetermin für die compliancepflichtigen Unternehmen aus Industrie und Stromerzeugung ultimo September als ein Anlass verstanden, weshalb die Preise vermeintlich steigen müssten. Doch bleibt das Sentiment am Markt auch Anfang Oktober bullish. Dies legt nahe, dass die Anleger die erhebliche Verknappung des Angebots im kommenden Jahr bereits vorwegnehmen. Ein in der Geschichte des europäischen Emissionshandels durchaus bekanntes Phänomen.
Abwärtsdruck auf Gaskurse hoch – doch Risiken bleiben
Mit Ablauf des September geht auch die zweite Wartungsperiode in der norwegischen Gasproduktion auf ein Ende zu. Statt temporär nur rund 1,5 TWh pro Tag, fließen alsbald wieder 2,5 TWh Erdgas täglich via Pipeline in den Raum Nordwest-EU.
Obendrein wachsen die LNG-Produktionskapazitäten in Nordamerika weiter kräftig an. So meldet Reuters am 23. September, dass das neue Terminal Golden Pass eine wichtige Genehmigung erhalten hat, die erforderlich ist, um noch in diesem Jahr mit der Verflüssigung zu beginnen. Und in Kanada wird Anfang Oktober der zweite Produktionsstrang der Anlage LNG Canada mit einer Kapazität von 6,5 Mio. Tonnen pro Jahr hochgefahren.
Zubau von LNG-Terminals in den USA bis Ende des Jahrzehnts
(Quelle: ISPEX Kompass)
Derweil hat die EU einen Speicherstand von rund 83 % erreicht, womit das Ziel per 1. November unter Berücksichtigung neuer Toleranzen im Wesentlichen als erreicht gilt, auch wenn die formale Marke von 90 % kaum mehr zu schaffen ist. Deutschland verfügt seit Ende August über ein weiteres schwimmendes LNG-Terminal zur Regasifizierung am Standort Wilhelmshaven, um die Versorgung im Winter zu sichern. Damit steigt die LNG-Regaskapazität hierzulande auf etwa 580 GWh/Tag.
Bullish wirkt am Gasmarkt zuletzt der Wetterausblick – der Oktober droht laut ECMWF insgesamt eher kühl auszufallen. Auch die Geopolitik bietet wie gehabt Potenzial, Energieeinkäufer:innen unangenehm zu überraschen. Wiederholt fordern die USA im September, dass die EU ihre Energieeinfuhren ex Russland doch rascher als bislang angedacht einstellen möge. Ein Wunsch, dem die EU-Kommission nachkommen möchte. Eine Verständigung unter den Mitgliedsstaaten gestaltet sich jedoch schwierig, wie nicht zuletzt das Treffen der EU-Energieminister am 5. September in Kopenhagen gezeigt hat, bei dem keine Einigung zustande kam. Derweil intensiviert Russland seine Angriffe auf die ukranische Gasinfrastruktur, weshalb das Land im Winter stärker auf Importe aus der EU angewiesen sein wird.
Umstellung der Market Time Unit am Day Ahead-Markt
Ein Tag für die Geschichtsbücher für den europäischen Stromhandel: Am 30. September erfolgte die erste Auktion am grenzüberschreitenden Day Ahead-Markt (SDAC) mit der neuen Market Time Unit von 15 Minuten statt bislang 60 Minuten. Die höhere Auflösung soll es erlauben, die fluktuierenden Erneuerbaren– sprich die Einspeisung aus PV- und Windanlagen – besser abzubilden.
Unklar ist derzeit noch, welchen wirtschaftlichen Effekt die Umstellung der MTU auf die Marktteilnehmer haben wird. Schließlich kann man den Day Ahead-Markt als einen kurzfristigen Terminmarkt verstehen, auf dem die Gebote von Angebots- und Nachfrageseite stark von Prognosen für die 96 Viertelstunden des folgenden Tages abhängig sind. Besonders Wettervorhersagen spielen hierbei eine herausragende Rolle. Passen die Prognosen nicht, dann müssen z.B. Direktvermarkter auf dem Intraday-Markt teuer zukaufen.
Erstes Auktionsergebnis in 15 Minuten MTU für den 1. Oktober 2025 vs. 60 Minuten-Werte
(Stand: 30.09.25, Quelle: ISPEX Kompass)
So bietet die höhere Auflösung am Day Ahead-Markt zwar das Potenzial, strukturelle Ungleichgewichte im System zu reduzieren und ermöglicht ein passgenaueres Hedging. Doch steigt damit auch der Anspruch an Prognosemodelle und Prozesse – generell nimmt die Komplexität im Handel zu mit jetzt 96 statt bislang 24 Produkten. Die Systemkosten könnten also erst einmal ansteigen bevor sie langfristig sinken.
ISPEX-Energiemarktanalyse – unser Upgrade für Experten
Speziell auf die Belange von Unternehmen ausgerichtet, analysieren wir jeweils zur Monatsmitte die aktuellen Einflüsse auf die Entwicklung der Preise für Industriestrom und Gas im Detail, wagen eine Prognose für die kommenden Wochen und halten in einem wöchentlichen Kompaktformat über die kurzfristigen Entwicklungen informiert. Verschaffen Sie sich mehr als nur einen Überblick. Jetzt Informationsvorteile für den Energieeinkauf mit der ISPEX-Energiemarktanalyse sichern.
Veranstaltungsempfehlung: ISPEX Energiefrühstück
Am jeweils 3. Freitag im Monat informieren unsere Energiemarktexperten kompakt über die aktuelle Preisentwicklung und diskutieren gemeinsam mit den Teilnehmern Fakten, Trends und Beobachtungen. Profitieren Sie von der Marktkenntnis unserer Analysten, teilen Sie Ihre eigene Markteinschätzung mit anderen und nutzen Sie den regelmäßigen Erfahrungsaustausch unter Experten zu Ihrem Vorteil.
Der nächste Termin ist Freitag, 17. Oktober 2025.
Haftungsausschluss
Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.
Ihr Ansprechpartner







