Energiemarkt-Kommentar: Preis-Rallye geht weiter – Strompreise steigen stark an

Preischart Strom 2016 Oktober

Ungebremst stiegen im Oktober die Börsenpreise für Strom und Gas. Insbesondere die Stromlieferungen für das Jahr 2017 verteuerten sich an den Großhandelsplätzen. Unternehmen müssen nun für die entsprechenden Lieferverträge wesentlich höhere Einkaufspreise hinnehmen als noch zu Beginn des Jahres. Zwar deuten die Gründe auf einen vorübergehenden Effekt aufgrund besonderer Umstände hin. Erste Stimmen auf dem Energiemarkt wollen darin aber schon eine generelle Trendwende sehen und gehen von wieder dauerhaft steigenden Strompreisen aus.

ISPEX-Energiepreisindex: Strompreis auf Jahreshoch

Erwartungsgemäß zogen die durchschnittlich erzielten Strompreise für die von Großkunden abgeschlossenen Stromlieferverträge im Oktober deutlich an. Statt für durchschnittlich 2,93 ct/kWh im September boten Energielieferanten im Oktober die Stromlieferung für die kommenden Jahre gemittelt für 3,45 ct/kWh an.

ISPEX Strompreisindex Oktober 2016

Der Strompreis kletterte damit auf ein Jahreshoch und erreichte in etwa das Niveau des Sommers 2015. Wer im laufenden Jahr den Fehler beging, bis zum Jahresende mit dem Abschluss eines Stromliefervertrags für das nächste Jahr zu warten, zahlt dafür jetzt einen hohen Preis. Aktuell liegen die Konditionen für den erzielbaren Strompreis bei nahezu 50% über denen, die noch im Frühjahr erzielt werden konnten. Zu vermeiden sind solche Fehler nur mit einer aktiven Ausgestaltung der Energiebeschaffung. Durch börsennahen Energieeinkauf können Kursschwankungen geglättet und das Risiko vermindert werden. Durch entsprechende Online-Tools ist der Aufwand für dieses Vorgehen heute wesentlich geringer als noch vor wenigen Jahren (vgl. dazu Energiebeschaffung).

Wer sich jetzt noch mit einem Liefervertrag für 2017 eindecken muss, sollte intern umgehend prüfen, ob es nicht klug ist, sich in Schadensbegrenzung zu üben und für 2017 den hohen Preis in Kauf zu nehmen. Ende November endet das Beschaffungsfenster für das Folgejahr und es ist kaum damit zu rechnen, dass dann wesentlich bessere Konditionen erzielbar sind. Wer bereits für 2017 die Beschaffung abgeschlossen hat, kann noch zuwarten und beobachten, wie sich der Preis für die Jahre 2018 und 2019 entwickelt und auf  nachlassenden Preisdruck spekulieren.

Strompreise steigen unaufhaltsam

Die verteuerten Beschaffungskonditionen für Industriestrom sind unmittelbare Folge der seit September stark steigenden Börsenpreise. Im Oktober setzte sich der Aufwärtstrend aus dem September zumindest für das Lieferjahr 2017 ungebremst fort. Die nachfolgenden Lieferjahre 2018 und 2019 stiegen zwar ebenfalls, doch flacht hier die Kurve etwas ab und der Anstieg fiel hier etwas verhaltener aus.

Entwicklung der Großhandelspreise für Strom

Preischart Strom 2016 Oktober

Die Hintergründe für den Kursverlauf sind im Grunde dieselben wie bereits im September. Noch immer geben die Revisionsarbeiten an den französischen Kernkraftwerken Anlass zur Spekulation um die kurzfristig zur Verfügung stehenden Erzeugungskapazitäten. Offenbar werden die betroffenen Kernkraftwerke über die geplante Revisionszeit hinaus nicht zur Verfügung stehen. In Verbindung mit einer geringeren Stromerzeugung aus den Erneuerbaren Energien trieben Angebot und Nachfrage den Preis weiter in die Höhe. Das erklärt auch, warum gerade das unmittelbar folgende Frontjahr besonders betroffen ist.

Treibend wirkt der Kurs der Kohlenotierungen. Dieser ist im Zuge der Aufwärtsbewegung deutlich gestiegen, wobei sich die Energiemarktexperten uneins sind, ob die anziehenden Kohlepreise den Strompreis treiben oder die Wechselwirkung ausnahmsweise sogar umgekehrt ist. Einig ist man sich aber darin, dass es wohl kurzfristig keinen deutlichen Abschlag auf den Preis für die 2017er Stromprodukte geben wird.

Die gestiegenen Kohlepreise stützen auch die Stromprodukte für die Jahre 2018 und 2019. Diese verzeichneten jedoch im Oktober einen wesentlich weniger ausgeprägten Anstieg als die kurzfristigen Verträge. Grund dafür ist die eingepreiste Erwartung, dass die derzeit nicht verfügbaren französischen Erzeugungskapazitäten mittelfristig wieder verfügbar sein werden. Dennoch werden die Preise von den nun stärkeren Kohlepreisen beflügelt und sind im Kielwasser der hohen Preise für kurzfristige Lieferungen ebenfalls gestiegen.

Der Markt ist derzeit in heller Aufregung. Einige Analysten wollen bereits einen dauerhaften Aufwärtstrend  (wieder) steigender Börsenstrompreise ab 2017 erkennen. Als Ursache werden dafür einerseits verringerte konventionelle Erzeugungskapazitäten vor allem aufgrund des Ausstiegs aus der Kernkraft, bei einem gleichzeitig langsamer als geplanten Aufbau alternativer Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien, genannt. Auf der anderen Seite verkündet z.B. die deutsche Steag die Stilllegung von fünf Steinkohle-Kraftwerksblöcken, da die Kohleverstromung aufgrund der niedrigen Börsenkurse nicht mehr rentabel sei. Einmal mehr werden in den kommenden Wochen und Monaten die Wechselbeziehungen zwischen den Energieerzeugungsarten am Energiemarkt für weitere Unruhe sorgen.

ISPEX-Energiepreisindex: Gaspreise für Unternehmen wieder steigend

Wie beim Strom folgen nun die gegenwärtigen Einkaufskonditionen auch beim Gas den steigenden Börsenpreisen. Die in bundesweiten Ausschreibungen abgegebenen Angebote der Gaslieferanten lagen im Oktober bei durchschnittlich 1,77 ct/kWh nach zuletzt 1,65 ct/kWh im September.

ISPEX Gaspreisindex Oktober 2016

Die Entwicklung der Preise ist unmittelbare Folge der Weitergabe der gestiegenen Beschaffungskosten an den Großhandelsplätzen durch die Gaslieferanten. Dort steigen nämlich auch die Gaspreise seit September kontinuierlich an. Der überwiegende Teil der Energieexperten geht davon aus, dass dieser Trend auch in den kommenden Wochen vorherrschen wird.

Anders als beim Strom fallen beim Gas die Preise für die künftigen Lieferjahre nicht wesentlich auseinander. Beim Abschluss von Gaslieferverträgen spielt die Entscheidung für die Vertragsdauer also nicht eine so entscheidende Rolle wie beim Stromeinkauf. Gemeinsam haben beide Energiearten jedoch, dass das Jahr 2016 von deutlichen Schwankungen geprägt ist. Deshalb gilt analog beim Gas die Empfehlung, bei größeren Mengen unbedingt das Risiko des falschen Einkaufszeitpunkts zu streuen. Nur durch eine aktive Gestaltung des Einkaufs mit mehreren Tranchen, verteilt auf mehrere Einkaufszeitpunkte, kann das Risiko, sich zu einer Zeit besonders hoher Gaspreise einzudecken, abgemindert werden (vgl. dazu Energiebeschaffung).

Gaspreise steigen an Großhandelsplätzen weiter

Die Gaspreise setzten ebenfalls im Oktober den im September begonnenen Anstieg fort. Allerdings erreichten sie im Oktober lediglich das Preisniveau, das auch schon im Juni dieses Jahres erreicht wurde und überdies Ende des Vorjahres herrschte.

Entwicklung der Großhandelspreise für Erdgas

Preischart Gas 2016 Oktober

Die Gaspreisentwicklung kann indes nicht so eindeutig wie beim Strom auf klare Ursachen zurückgeführt werden. Hier gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die dafürsprechen, dass die Gaspreise zunächst weiter steigen oder zumindest stabil bleiben werden.

Die Rahmenbedingungen des europäischen Gasmarktes stützen derzeit die Preise für kurzfristige Gaslieferungen. Unter anderem stehen in Großbritannien nicht die gewöhnlich eingelagerten Gasmengen als Puffer zur Verfügung. Das nährt die Spekulationen um zusätzlichen Bedarf seitens der Ukraine an europäischem Gas. Demzufolge steigen auch die kurzfristigen Monatsprodukte derzeit stärker als die Jahreslieferungen. Generell geht der Markt gegenwärtig von einer erhöhten Nachfrage aus, welche die Gaspreise weiterhin stützt.

Für höhere Gaspreise spricht ebenfalls die Entwicklung der Kohlepreise. Kohle befindet sich nach wie vor im Aufwind und verteuert nicht nur die Stromproduktion, sondern befördert auch die Hoffnung, dass bei weiter steigenden Preisen die Nachfrage nach Gas seitens der Betreiber von Gaskraftwerken wieder anzieht.

Einzig die Rohölpreise könnten den Aufwärtstrend derzeit stoppen. Nach der vermeintlichen Einigung der OPEC auf eine Verknappung des Ölangebots folgten nicht nur Absagen an ein solches Vorgehen durch Drittländer. Die OPEC selbst konnte sich in den finalen Gesprächen zu diesem Thema nicht einigen. Darauf reagierte der Ölpreis prompt mit fallenden Notierungen. Diese könnten den Gaspreis belasten. Dennoch deutet vieles auf weiter steigende – zumindest aber stabile – Gaspreise im November.

 

Haftungsausschluss

Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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