Energiemarkt-Kommentar: Deutsche Gasspeicher auf 100 Prozent

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, November 2022

Eine EU-weite Deckelung der Gaspreise durch die nationalen Regierungen ist zwar vorerst nicht in Sicht. Dennoch setzen die Terminkurse an den Strom- und Gasmärkten ihre Talfahrt fort. Entscheidend sind für diese Entwicklung volle Gasspeicher, eine derzeit sehr gute LNG-Versorgungslage sowie ungewöhnlich milde Temperaturen. ISPEX analysiert für Sie die Lage an den Terminmärkten für Strom und Erdgas.

Strombörse: Base 2023 fällt im Monatsmittel um 19,5 %

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Der zuvor starke Abwärtstrend beim Strom-Frontjahr (Base 2023) kann sich in der ersten Hälfte des Oktobers zunächst nicht fortsetzen. In der zweiten Monatshälfte sorgen hohe Gasspeicherstände, eine sehr gute Versorgungslage mit Flüssigerdgas (LNG) sowie eine überaus milde Witterung erneut für fallende Kurse.

Am ersten Handelstag im Oktober notiert Base 2023 bei rund 438 €/MWh. Dabei handelt es sich zugleich um das Monatsmaximum. Am Folgetag, dem 4. Oktober, gibt das Unternehmen Leag bekannt, im Laufe der Woche 1 GW an Braunkohlekapazität aus der Reserve zurück an den Markt zu bringen. Zugleich sorgen milde Temperaturen und die Aussicht auf ein hohes Solar- und Windstromaufkommen für Abwärtsdruck – Base 2023 fällt auf ein vorläufiges Monatsminimum von rund 421 €/MWh.

In den ersten Tagen des Oktobers beherrscht weiterhin die Diskussion um eine Deckelung der Gaspreise den europapolitischen Diskurs. Am 5. Oktober spricht sich die EU-Kommission für eine Begrenzung der TTF-Kurse aus, sofern das Preisniveau hoch genug bleibe, um die Versorgung zu sichern. Einen Tag später stellt Brüssel Verhandlungen mit Norwegen über einen Korridor für deren Gaspreise in Aussicht. Doch bleiben diese Ankündigungen ohne preissenkende Wirkung auf die Terminmärkte.

Entscheidend sind vielmehr neue Wetterprognosen, die zunächst für den Oktober eine saisonal übliche Witterung erwarten lassen. Bis zum 12. Oktober notiert Base 2023 im Intervall von ca. 427 €/MWh bis 436 €/MWh.

Mit der Aussicht auf außerordentlich warmes Wetter fällt das Frontjahr Anfang der KW42 unter die Marke von 420 €/MWh. Dazu trägt bei, dass die THE jetzt beginnt, ihre eingespeicherten Gasmengen am Terminmarkt zu verkaufen. Hatten deren Gaseinkäufe die Rallye an den europäischen Handelsplätzen in den Monaten zuvor noch unterstützt und damit für Unmut in anderen EU-Staaten gesorgt, stehen für die Wintermonate nun zusätzliche Mengen am Markt zur Verfügung. Zugleich stauen sich in zunehmender Anzahl LNG-Tanker vor Europas Häfen – Erdgas kostet am Day Ahead-Markt zeitweise weniger als 30 €/MWh. Entsprechend verbilligen sich die Kontrakte entlang der Terminkurve besonders am kurzen Ende. Base 2023 fällt bis auf rund 370 €/MWh am 24. Oktober und beendet den Monat mit ca. 373 €/MWh.

Im Mittel gibt das Frontjahr im Oktober um 19,5 % nach (MoM). Hingegen verteuert sich Base 2024 um 4,2 %, während Base 2025 um 1,7 % fällt.

Gasbörse: THE 2023 fällt im Verlauf des Oktobers um rund 38 €/MWh

Preisentwicklung Erdgas THE (NCG bis 30.09.21) für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Der hiesige Gasmarkt befindet sich seit Anfang Oktober im Spannungsfeld zwischen einer noch immer unsicheren Versorgungslage in den Wintermonaten und einem kurzfristigen Überangebot. Während sich der deutsche Gasspeicherstand der 100-Prozentmarke nähert, warten zahlreiche LNG-Tanker vor Europas Häfen entweder auf eine ehest mögliche Löschung oder auf steigende Preise. Obendrein sorgt eine außerordentlich milde Witterung für einen stark rückläufigen Gasverbrauch. Bemerkbar macht sich diese Situation besonders am Spotmarkt. Verläuft THE Day Ahead in den vergangenen Monaten vorwiegend und zumindest auf der Höhe des Frontjahres, bricht der Kurs ab Anfang Oktober ein. Im Minimum kostet Gas zur Lieferung am nächsten Tag am 2. November lediglich 22,40 €/MWh. Erst Anfang November legt die Notierung wieder zu.

Dabei gilt auch für den Terminmarkt: Je näher der Lieferzeitraum, desto stärker fallen die Kurse. Die anhaltend gute Gasversorgungslage sorgt ab Ende Oktober dafür, dass Q1/2023 unter das Niveau der Winterkontrakte für Q4/2023 sowie Q1/2024 fällt. Diese Entspannung am kurzen Ende macht sich auch beim Frontjahr insgesamt positiv bemerkbar. THE 2023 kostet am ersten Handelstag im Oktober noch 170,87 €/MWh. Mit der Aussicht auf etwas kühleres Wetter steigt die Notierung am 6. Oktober auf den seither höchsten Wert von 179,01 €/MWh. Am 10. Oktober gibt THE bekannt, mit dem Verkauf eingespeicherter Gasmengen zu beginnen. In der Folge und einhergehend mit milden Wetterprognosen fällt die Notierung nahezu unterbrechungsfrei bis auf ihr Minimum am Monatsende von 132,91 €/MWh. Lediglich die Erklärung von Bundeskanzler Scholz, einen Markteingriff in Form eines Gaspreisdeckels nicht mittragen zu wollen, sorgt am 20. Oktober für eine stärkere Gegenbewegung. Mit der Einigung der EU-Regierungschefs am Abend desselben Tages, ein solches Instrument dennoch näher prüfen zu wollen, setzt sich der Abwärtstrend am Folgetag unmittelbar fort.

Im Vergleich zum Vormonat verbilligt sich THE 2023 im Monatsmittel um rund 19 %. Deutlich geringer fällt hingegen das Minus bei den Folgejahren aus: THE 2024 gibt 5,6 % ab und THE 2025 kostet 1,4 % weniger.

Ausblick: Bearishe Marktbedingungen bis Jahresende möglich

Die Abwärtsbewegung bei den Strom- und Gaskursen für das Frontjahr gewinnt in der ersten Novemberhälfte noch an Tempo. Base 2023 notiert zuletzt bei 301 €/MWh und THE 2023 fällt bis auf rund 111 €/MWh. Denn die Gasversorgungslage stellt sich noch immer unverhofft positiv dar.

So soll die zweite Novemberhälfte in Deutschland mit bis zu 3℃ über dem langjährigen Mittel überdurchschnittlich warm ausfallen. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse saisonaler Wettermodelle prognostizieren zudem einen insgesamt milden Winter. Der kommende Winter könnte, wenn die Modellrechnungen des Deutschen Wetterdienstes eintreten, eine Mitteltemperatur von mindestens 2℃ erreichen und damit zu den 33 % der mildesten Winter der Referenzperiode 1991 – 2020 gehören. Das vieljährige Mittel dieser Referenzperiode liegt bei 1,4℃. Auch Modelle anderer nationaler Wetterdienste wie des britischen Met Office oder von Meteo France gehen von einem etwas zu milden Winter in Deutschland aus.

Positiv sind auch die letzten Zahlen zum wöchentlichen Gasverbrauch von THE. Demnach ist der Verbrauch von SLP-Kunden in der KW44 mit 727 GWh/Tag (Wochenmittel) nur gut halb so hoch wie in der KW44/2021 ausgefallen. Gegenüber dem niedrigsten Wochenwert im Zeitraum 2018 – 2021 lag der Wert in diesem Jahr immerhin noch 32 % niedriger. Allerdings ziehen die Verbrauchswerte trotz relativ milder Temperaturen stark an: In der KW43 betrug der Verbrauchswert noch 473 GWh/Tag.

Gasspeicherstand Deutschland im Jahresverlauf (Quelle: GIE)

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Die Gasspeicher in Deutschland sind nun zu rund 100 % gefüllt. Zumindest bis zum 12. November konnten netto sogar täglich noch weitere Mengen im geringen Umfang eingespeichert werden.

Früher oder später werden sich die Kurse an den Terminmärkten angesichts der Unwägbarkeiten des kommenden Winters zumindest stabilisieren oder sogar wieder zulegen. Schließlich sind saisonale Klimaprognosen wenig zuverlässig. Solange die Gasspeicher nahezu komplett gefüllt sind und keine Kältewelle absehbar ist, bleibt die Stimmung allerdings bearish.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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