Energiemarkt-Kommentar: Geopolitische Risiken treffen auf sehr gute Versorgungslage

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Im Oktober ist die Geopolitik der entscheidende Faktor für die Entwicklung der Strom- und Gaspreise. Der Nahost-Konflikt sowie die Beschädigung einer Gas-Pipeline in der Ostsee sorgen für eine steile Kursrallye. Je weiter die Ereignisse in die Vergangenheit rücken, desto stärker werden die damit verbundenen Risiken ausgepreist. Stattdessen rückt die aktuell sehr gute Gasversorgungslage in den Vordergrund.

Strombörse: Ein Wochenende bringt die Wende

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Der Oktober beginnt mit einer Fortsetzung der Abwärtstendenz aus dem Vormonat. Der Stromkurs für das Frontjahr DE Base 2024 kostet am ersten Handelstag 118 €/MWh und am Tag der Deutschen Einheit fällt die Notierung auf ein neues Jahrestief mit 114,87 €/MWh. Am 5. Oktober ergibt sich dann für Energieeinkäufer auch während der regulären Arbeitszeiten Gelegenheit, dieses Preisniveau zu nutzen mit einem Kurs von knapp 115 €/MWh. Die Wende folgt prompt mit den Ereignissen des folgenden Wochenendes: Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober sowie der Ausfall der Pipeline Balticconnector in den frühen Morgenstunden des 8. Oktober sorgen in der KW41 für eine Rallye an den Energiemärkten. Im Zuge dessen gipfelt DE Base 2024 am 13. Oktober bei knapp 138 €/MWh. Der Krieg zwischen der Hamas und Israel sorgt in diesen Tagen für eine Abschaltung des Gasfeldes Tamar vor der israelischen Küste – eine erste unmittelbare Konsequenz für die Energiemärkte. Noch mehr befürchtet wird allerdings ein großer Krieg im Nahen Osten, unter direkter Beteiligung der Länder Iran sowie den USA. Dies hätte gravierende Konsequenzen für den Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus sowie den Suez-Kanal, mithin für einen erheblichen Teil der globalen Versorgung mit LNG und Rohöl. Die Beschädigung der Pipeline Balticconnector, die zwischen Estland und Finnland durch die Ostsee verläuft, weckt wiederum Erinnerungen an die Sabotage der Nord Stream-Pipeline vor gut einem Jahr. Zudem werden zwei Kommunikationskabel in der Nähe der Balticconnector beschädigt. Klar scheint bereits jetzt, dass selbst eine erfolgreiche Ermittlung der Verursacher noch nicht bedingt, etwaige Auftraggeber identifizieren zu können.

Im weiteren Monatsverlauf folgen die Energiemärkte einer Logik, der zufolge die Wahrscheinlichkeiten sowohl für eine Ausweitung des Nahost-Krieges als auch jene für einen Beweis der absichtlichen Zerstörung der Leitungen in der Ostsee umso kleiner werden, je weiter die Geschehnisse in die Vergangenheit rücken. DE Base 2024 fällt bis Monatsende schrittweise bis auf 117,85 €/MWh. Im Monatsmittel kostet die Notierung 125,84 €/MWh (-1,3 % MoM). Die Kurse für die Folgejahre 2025 und 2026 geben im Durchschnitt jeweils um 1,8 % nach.

Am Spotmarkt fällt DE Base Day Ahead im Monatsmittel auf 87,49 €/MWh (-13,1 % MoM). Der Rückgang ist einer sehr hohen Einspeisung aus Windkraft zu verdanken, deren Stromerzeugung um 215 % gegenüber dem Vormonat zulegt (+29,7 % YoY) und damit rein rechnerisch einen Anteil von 36,4 % an der Netzlast abdecken kann.

Gasbörse: Die Heizperiode beginnt

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Am Gasmarkt fällt der Future für das kommende Jahr THE 2024 in den ersten Tagen des Oktobers bis auf rund 45 €/MWh. Damit notiert der Kurs nur knapp 1 €/MWh über dem bisherigen Jahrestief vom 6. Juni mit 44,17 €/MWh. Der Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober sowie die Beschädigung der Ostsee-Pipeline Balticconnector am 8. Oktober sorgen für einen Kursanstieg bis auf 57 €/MWh am 13. Oktober. Anschließend fallen in Deutschland die Temperaturen in weiten Teilen des Landes unter das langfristige Mittel. Spätestens jetzt hat die Heizperiode begonnen. Der Gasverbrauch der SLP-Lieferstellen (Haushalte und Gewerbe) steigt in der KW42 gegenüber der Vorwoche um mehr als 100 % auf das mittlere Niveau der Jahre 2018 bis 2021 zu dieser Jahreszeit. THE 2024 bewegt sich bis kurz vor Monatsende im Korridor von 54 €/MWh bis rund 58 €/MWh. Erst am letzten Handelstag des Oktobers kommt es zu einem Kursrutsch auf 50 €/MWh. An diesem Tag wird bekannt, dass der Panamakanal die täglichen Slots insbesondere für große Tanker aufgrund der anhaltenden Dürre drastisch einschränken wird. Tanker, die im Golf von Mexiko mit US-LNG für den Transport gen Asien beladen werden, müssen jetzt noch häufiger auf die Routen durch den Suez-Kanal oder via dem Kap der Guten Hoffnung ausweichen. In der Konsequenz profitiert Europa von der kürzeren Strecke über den Atlantik. Ein weiterer Grund für die fallenden Kurse: Die Gasspeicher in Europa sind jetzt zu 100 % voll. In erster Linie ist der Kursrückgang jedoch damit zu erklären, dass die Risiken im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt ausgepreist werden. Die Marktteilnehmer halten es mittlerweile für wenig wahrscheinlich, dass der Iran auch direkt in den Gaza-Krieg eingreift. Man geht davon aus, dass die Öl- und LNG-Exporte aus dem Persischen Golf sowie der Schiffsverkehr durch de Suez-Kanal nicht akut gefährdet sind. Darin folgen die Gaskurse der Entwicklung an den Ölmärkten.

Im Monatsmittel kostet THE 2024 im Oktober 52,65 €/MWh und verteuert sich damit um 1,9 % gegenüber dem Vormonat. Die Folgejahre notieren hingegen im Durchschnitt günstiger als noch im September: THE 2025 gibt um 1,1 % nach und THE 2026 fällt um 3,1 %.

Ausblick: Es wird kälter in Deutschland

Gasverbrauch Deutschland – Dieser liegt zuletzt um knapp 20 % über dem Vorjahresniveau
(Quelle: ISPEX-Kompass)

Zuletzt revidieren die Wetterdienste ihre mittelfristigen Temperaturprognose nach unten. Hat das ECMWF (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage) bislang noch anomal hohe Temperaturen bis in den Dezember hinein prognostiziert, sind ab der KW46 bis Weihnachten eher Gradwerte zu erwarten, die dem langfristigen Mittel entsprechen. Und das wären – gerade auch im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren – deutlich spürbar kältere Temperaturen. Zugleich zeigt sich die Nachfrageseite weniger zurückhaltend als noch im Vorjahr: Der Gasverbrauch der RLM- und SLP-Stellen steigt im Wochenmittel um fast 20 % gegenüber dem Vorjahr. So beenden die Frontjahreskurse für Strom und Erdgas zumindest vorerst ihren Abwärtstrend. DE Base 2024 steigt über die Marke von 115 €/MWh und THE 2024 kostet wieder mehr als 50 €/MWh.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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