Energiemarkt-Kommentar: Gas-Frontjahr mit neuem Jahresrekord

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Der Oktober beginnt mit einem Raketenangriff des Iran auf Israel und endet mit dem angekündigten Gegenschlag seitens Israels auf den Iran. Die Lage in Nahost wirkt im Monatsverlauf ausgesprochen bullish auf die Gaspreise. Deren Effekt wiederum auf die Stromkurse wird Anfang Oktober noch von Verlusten beim CO2-Preis gedämpft. Die Kursanstiege gegen Ende Oktober gehen allerdings einher mit kräftigen Zukäufen von spekulativen Anlegern an den Terminmärkten sowohl für Gas als auch EU-Emissionsrechte. Im November rückt abermals die Unsicherheit über die Gasflüsse via die Ukraine in den Fokus der Marktteilnehmer. Das Gas-Frontjahr THE 2025 steigt auf den höchsten Stand seit Jahresbeginn.

Strom-Terminmarkt: Hohe Volatilität mit steigender Tendenz seit Mitte Oktober

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Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 18.11.24, Quelle: EEX, ISPEX Kompass)

Anfang Oktober stehen die Energiemärkte noch unter dem Eindruck der Tötung des Hisbollah-Chefs Nasrallah vom 27. September im Libanon durch das israelische Militär. Am Abend des 1. Oktober greift der Iran wiederum Israel mit Raketen an. Eine nennenswerte Marktreaktion bleibt zunächst aus. Am folgenden Tag sind vielmehr Verluste am Markt für Emissionsrechte (EUA) ausschlaggebend für die Entwicklung am Stromterminmarkt. DE Base 2025 kostet an diesem Tag 86,61 €/MWh. Erst als am 3. Oktober US-Präsident Biden davor warnt, dass Israel die iranische Ölinfrastruktur attackieren könnte, steigt DE Base 2025 bis auf 87,64 €/MWh am 4. Oktober. Erneut dämpfen dabei fallende EUA-Kurse die Wirkung steigender Gaspreise auf die Stromkontrakte. Am 8. Oktober fällt der EUA-Frontmonat schließlich auf 60,16 €/t und damit auf den niedrigsten Stand seit dem 5. April. Ein fallender CO2-Preis verbessert die Marktposition von Kohle- gegenüber Gaskraftwerken, weshalb die Gaspreise ebenfalls nachgeben. DE Base 2025 fällt an diesem Tag auf das Monatsminimum von 84,70 €/MWh. Doch mit rund 60 €/t ist am EUA-Markt eine psychologische Schwelle erreicht, bei der wieder kräftig zugekauft wird. Der EUA-Frontmonat schnellt innerhalb von nur zwei Handelstagen um knapp 8 % in die Höhe und das Strom-Frontjahr verteuert sich im Zuge dessen auf 88,08 €/MWh.

Das bullishe Momentum endet damit jedoch nicht. Der 14. Oktober ist ein Montag und der erste Handelstag nachdem bekannt wurde, dass die USA ein modernes Raketenabwehrsystem des Typs THAAD samt Soldaten nach Israel entsenden. Ein klares Signal für die Märkte, dass mit einer weiteren Eskalation in der Region zu rechnen ist. Erstmals seit Anfang September steigt DE Base 2025 bis auf rund 90 €/MWh. Am folgenden Tag berichtet die Washington Post, dass der israelische Regierungschef Netanjahu eingewilligt habe, im Zuge eines angekündigten Gegenschlages von Angriffen auf iranische Nuklear- und Ölanlagen abzusehen. DE Base 2025 fällt bis auf 85,73 €/MWh. Als bekannt wird, dass das THAAD-System in Israel in Kürze einsatzbereit ist, nimmt die Anspannung wieder zu. Anschließend kommt es im weiteren Verlauf der KW43 zu Ausfällen in der norwegischen Gasproduktion. Doch mengenmäßig handelt es sich nur um marginale Einschränkungen. Nichtsdestotrotz kommt es zu einer Rallye im Energiekomplex. Insbesondere spekulative Anleger kaufen am Gas- sowie am EUA-Markt kräftig zu. So steigt DE Base 2025 bis auf das Monatsmaximum von 92,30 €/MWh am 25. Oktober. Der nächste Handelstag ist der 28. Oktober. Israel führt Luftschläge gegen den Iran aus, scheinbar unter Ausschluss von Nuklear- oder Ölanlagen. In der Folge geht es wieder abwärts und DE Base 2025 beendet den Oktober mit 87,26 €/MWh.

Im Monatsmittel kostet das Strom-Frontjahr 87,81 €/MWh. Gegenüber dem Vormonat legt die Notierung damit geringfügig um 0,3 % zu. DE Base 2026 notiert durchschnittlich bei 83,56 €/MWh, ein Plus von 1,2 %. DE Base 2027 legt um 1,3 % auf 76,21 €/MWh zu.

ISPEX Day ahead Strompreise seit 08 2024

Day-Ahead-Strompreise seit Ende August (Stand: 19.11.24, Quelle: EPEX, ISPEX Kompass)

Am Day-Ahead-Markt kostet Strom im Oktober im Mittel 86,28 €/MWh und damit 10,2 % mehr als noch im Vormonat. Im Vergleich zu den übrigen EU-Staaten (plus Norwegen, Schweiz) liegt der Wert für Deutschland nahe dem Median von 88,72 €/MWh. Gegenüber dem Vorjahresmonat zeigt sich der Preis kaum verändert mit einem Rückgang um 1,4 %.

Während der Anteil der Windkraft an Land und zur See an der inländischen Nettoerzeugung mit ca. 31 % in etwa auf dem Niveau des Vormonats bleibt, geht die Einspeisung aus PV-Anlagen um etwa 44 % MoM zurück auf einen Anteil von nur noch knapp 11 %. Insbesondere die windärmeren Tage gegen Ende Oktober treiben die Spotmarktpreise nach oben bis auf maximal 141,18 €/MWh am 29. Oktober.

Im November steigt DE Base 2025 in der Spitze auf mehr als 98 €/MWh. Ausschlaggebend für die Rallye zur Monatsmitte ist die Einstellung der Gaslieferungen von Gazprom an den österreichischen Energiekonzern OMV. Auftrieb verleiht allerdings auch ein früher Kälteeinbruch in Nordwesteuropa in diesem Jahr, der mit einem deutlichen Rückgang der EU-Gasvorräte einhergeht. Mehr zur aktuellen Lage erfahren Sie in unserem Webinar Energiefrühstück.

Gasbörse: THE 2025 steigt zuletzt bis auf rund 46 €/MWh

Erdgas, Futures vs Spot, November 2024

Entwicklung Erdgas-Terminkurse versus Spotmarkt (Stand: 18.11.24, Quelle: EEX, ISPEX Kompass)

Der erneute Angriff des Iran auf Israel am 1. Oktober sorgt zunächst nicht für einen stärkeren Kursanstieg am Gasmarkt – das Gas-Frontjahr bleibt unterhalb von 40 €/MWh. Zwei Tage später führt die öffentliche Aussage des US-Präsidenten, iranische Ölanlagen könnten zum Ziel der Israelis werden, allerdings zu einem Anstieg auf ein vorläufiges Hoch von 41,06 €/MWh. Denn es wird befürchtet, dass auch die Gasproduktion in der Region zu einem Angriffsziel wird. Anschließend geht es abwärts für THE 2025. Die Notierung erreicht am 9. Oktober ihr Monatsminimum von 39,06 €/MWh.

Gemeinsam mit den EUA-Kursen geht es am folgenden Tag schlagartig wieder über die Marke von 40 €/MWh. Am Wochenende vom 12. und 13. Oktober wird bekannt, dass die USA in Kürze rund 100 Soldaten gemeinsam mit dem Raketenabwehrsystem THAAD in Israel stationieren werden. Dies stellt ein Novum in der Zusammenarbeit beider Länder dar, weil sich bislang US-Soldaten (soweit bekannt) nur für Trainingszwecke in Israel aufhielten. Für die Märkte signalisiert der Schritt, dass ein offener Krieg Iran-Israel näher gerückt ist. THE 2025 steigt auf 40,94 €/MWh. Ein Artikel in der Washington Post vom 15. Oktober verkündet, dass die Regierungschefs der USA und Israels einig seien, dass die Ölproduktions- sowie die Nuklearanlagen des Iran nicht Ziel eines Gegenschlags werden sollen. THE 2025 fällt bis auf 39,68 €/MWh am 18. Oktober. In der vorletzten Oktoberwoche ab dem 21. Oktober (KW43) wird bekannt, dass das THAAD-System in Israel in wenigen Tagen einsatzbereit sein soll. Womit sich das Land für einen erneuten Schlagabtausch mit dem Iran gewappnet sehen dürfte. Zudem kommt es zu mehreren ungeplanten Ausfällen in der norwegischen Gasproduktion, darunter ein Brand auf der Plattform Sleipner B. Die betroffenen Produktionskapazitäten je Tag sind zwar eher gering, doch die Dauer der Reparaturen bleibt zunächst unklar. THE 2025 steigt bis auf das Monatsmaximum von 42,97 €/MWh am 25. Oktober. Klar wird im Nachhinein allerdings, dass die Finanzinvestoren an der europäischen Leitbörse TTF in der KW43 per 25. Oktober ihre Netto-Long-Position so stark ausgebaut haben, wie seit Anfang August nicht mehr.

EU-Gasimporte Raum Nordwest-EU ex Norwegen (Stand: 18.11.24, Quelle: ISPEX Kompass)

Am 28. Oktober erfolgen die erwarteten Luftschläge Israels auf Ziele im Iran. Das Worst Case-Szenario einer ungebremsten Eskalation tritt jedoch nicht ein. Und die Ausfälle in Norwegen währten nur kurz. THE 2025 beendet den Monat mit 40,75 €/MWh. Im Monats-mittel kostet das Gas-Frontjahr 40,72 €/MWh. Gegenüber dem Vormonat legt THE 2025 damit um 5,6 % zu. THE 2026 verteuert sich um 4,6 % auf 35,77 €/MWh und THE 2027 steigt um 4,7 % auf 30,35 €/MWh.

Im November erreicht das Gas-Frontjahr neue Jahreshöchstwerte. Dabei steigt THE 2025 bis auf 45,85 €/MWh am 18. November. Entscheidender Auslöser für diese Entwicklung ist das (voraussichtlich dauerhafte) Ende der Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen Energiekonzern OMV und der russischen Gazprom. Die Vorläuferorganisationen beider Seiten begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 1968, während der Warschauer Pakt die Tschechoslowakei besetzte. Es war das erste Pipeline-Geschäft zwischen Westeuropa und der UdSSR.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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