Energiemarkt-Kommentar: Wetter diktiert Marktpreise

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, Dezember 2022

Fallende Temperaturen sowie ein schwaches Windaufkommen lassen die Gas- und Stromkurse seit Mitte November kräftig ansteigen. Begrenzt wird die Aufwärtsbewegung durch die gute Versorgung Europas mit Flüssigerdgas (LNG). Angesichts der Bedeutung von Erdgas für die Stromerzeugung im Winter stehen an den Börsen Wetterprognosen jetzt verstärkt im Fokus. ISPEX analysiert für Sie die Marktentwicklung an den Terminmärkten für Strom und Gas.

Strombörse: Base 2023 Ende November so teuer wie zu Monatsbeginn

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Eine Reihe günstiger Faktoren sorgt in der ersten Novemberhälfte für eine Fortsetzung des Abwärtstrends am Strommarkt. Das Blatt wendet sich in der zweiten Monatshälfte – der Kurs für das Frontjahr (Base 2023) wird am letzten Handelstag auf das Niveau vom 1. November zurückgekehrt sein.

An diesem Tag kostet Base 2023 rund 367 €/MWh und die neue Gas-Pipeline „Baltic Pipe“ mit einer Kapazität von 10 Mrd. m³/a wird in Betrieb genommen. Die Leitung liefert Erdgas von Norwegen nach Polen und entlastet damit den zentraleuropäischen Gasmarkt. Mit der Aussicht auf weniger hohe Temperaturen in den folgenden Wochen als bislang erwartet, steigt die Notierung am 2. November auf das Monatsmaximum von 376 €/MWh. Obwohl in der ersten Novemberwoche schlechte Nachrichten aus Frankreich die Runde machen – der französische Energiekonzern EDF senkt abermals sein AKW-Produktionsziel für das laufende Jahr – setzt sich der Abwärtstrend sogar noch mit erhöhtem Tempo fort. Am 11. November fällt Base 2023 auf 301 €/MWh – der niedrigste Stand seit dem 1. Juli. Hauptgrund hierfür ist ein hohes LNG-Angebot – die Tanker stauen sich vor Europas Häfen. Zugleich ist das Windaufkommen sehr hoch. Der Anteil von Windstrom an der deutschen Stromerzeugung liegt in der ersten Monatshälfte bei knapp 36 %, während jener der Erdgaskraftwerke 7,5 % beträgt. Der Erneuerbaren-Anteil beläuft sich auf insgesamt 54,5 %.

Am 14. November folgen jedoch kühlere Wetteraussichten für die zweite Novemberhälfte. In dieser Zeit fällt der Anteil der Windstromproduktion auf 24,3 % und die Erdgaskraftwerke tragen 11,2 % zur Stromerzeugung bei. Der Anteil der Erneuerbaren beträgt nur noch 39,4 %. Auch scheint absehbar, dass das komfortable LNG-Angebot bald schrumpfen wird. So verdoppelt sich der Preis für Gas am Spotmarkt vom 13. bis zum 15. Tag des Monats auf 108 €/MWh. Base 2023 steigt ebenfalls – auf jetzt 330 €/MWh.

Die Meteorologen prognostizieren im weiteren Monatsverlauf für Ende November und Anfang Dezember einen Kälteeinbruch, während die Temperaturen bereits deutlich fallen. Zudem schwinden die Chancen auf einen effektiven Gaspreisdeckel auf EU-Ebene, als die EU-Kommission am 22. November eine Obergrenze von 275 €/MWh bezüglich des TTF-Frontmonats vorschlägt. Zumal soll diese erst nach einer Überschreitungsfrist von zwei Wochen greifen. Base 2023 steigt am nächsten Tag zunächst auf 346 €/MWh und klettert weiter bis auf 371 €/MWh zum Monatsende.

Im Mittel fällt das Frontjahr im November um 16,9 % (MoM). Base 2024 gibt um 3,8 % nach, während Base 2025 durchschnittlich um 4,5 % günstiger notiert als im Oktober.

Gasbörse: THE 2023 kostet im Minimum rund 111 €/MWh

Preisentwicklung Erdgas THE (NCG bis 30.09.21) für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Der frühe Wintereinbruch in diesem Jahr beendet in der zweiten Novemberhälfte eine kurze Phase der Entspannung am Gasmarkt. Der Kurs für das Frontjahr THE 2023 startet mit 126,16 €/MWh in den Monat. Nachdem am 10. November der Deutsche Wetterdienst in seiner saisonalen Prognose einen insgesamt eher milden Winter nahelegt, fällt die Notierung auf das Monatsminimum von 110,68 €/MWh. Doch für die zweite Monatshälfte zeichnet sich bereits eine merklich kühlere Witterung ab – einhergehend mit einem rückläufigen Windaufkommen. Zugleich verringert sich das kurzfristige LNG-Angebot. So befinden sich die Kurse am THE Day Ahead-Markt bereits nach dem Tiefstand von nur 22,40 €/MWh am 2. November wieder im Aufwind und nähern sich im weiteren Monatsverlauf dem Frontjahr an. Am letzten Handelstag des Monats kostet THE Day Ahead 133,52 €/MWh. THE 2023 beendet den Monat mit 146,48 €/MWh.

Im Vergleich zum Vormonat verbilligt sich THE 2023 im Monatsmittel um rund 19 %. Deutlich geringer fällt hingegen das Minus bei den Folgejahren aus: THE 2024 gibt 5,6 % ab und THE 2025 kostet 1,4 % weniger.

Ausblick: Kursentwicklung steht und fällt mit der Witterung

Base 2023 ist am Mittwoch letzter Woche mit 393,50 €/MWh auf den höchsten Stand seit Ende Oktober gestiegen. THE 2023 kostet bis zu 150,77 €/MWh. Hintergrund ist die aktuelle Kältewelle in Europa. Zudem werden in diesem Zusammenhang in Frankreich erste Stromausfälle befürchtet, aufgrund mangelnder AKW-Kapazität. Das Land ist bereits Nettoimporteur von Strom aus Deutschland, weshalb die Lage dort die Kurse hierzulande unterstützt. Gegen Ende der KW49 geben die Industriestrom- und Gaskurse wieder deutlich nach, weil die Versorgung mit LNG in Europa weiterhin gut ist. Offenbar haben einige Händler zuvor die gestiegenen Gaskurse genutzt, um ihre Tanker zu löschen. So haben beispielsweise in Belgien und den Niederlanden die LNG-Vorräte mit in Summe ca. 6.500 GWh zeitweise einen neuen Rekordstand erreicht.

Neue Rekordwerte Ende November: LNG-Einspeisung in der EU (Quelle: GIE)

LNG-Einspeisung in der EU

Der Gasspeicherstand in Deutschland beträgt mit Stand vom 10. Dezember ca. 94 %. Innerhalb von 7 Tagen ist ein Rückgang von 3 Prozentpunkten festzustellen. Dies legt nahe, dass der Gasverbrauch in der KW49 erneut gestiegen ist. Die aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur für die KW48 zeigen einen Mehrverbrauch der RLM- und SLP-Stellen von 14 % auf jetzt 3.421 GWh/Tag im Wochenmittel im Vergleich zur Vorwoche. Besonders stark legt der Verbrauch der Industrie (RLM) zu – mit einem Anstieg um 21,3 % gegenüber der Vorwoche. Damit hat sich die Einsparung in diesem Sektor – gemessen an der Differenz zum Mittelwert der Jahre 2018 bis 2021 – mehr als halbiert. Der Gasverbrauch von Gewerbe und Haushalte (SLP) steigt ebenfalls, wenn auch deutlich verlangsamt mit 7 %. Die Höhe der Einsparung ist hier die dritte Woche in Folge nahezu gleich hoch.

Die Wetterlage bleibt entscheidend für die weitere Entwicklung der Kurse. Die aktuellen Prognosen lassen für das Jahresende Temperaturen deutlich im einstelligen Bereich oberhalb des Gefrierpunktes erwarten. Allerdings sind die Vorhersagen aufgrund der Schwäche des Polarwirbels (Troposphäre) von großer Unsicherheit gekennzeichnet.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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