Energiemarkt-Kommentar: Winterrisiken werden ausgepreist

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Im November brechen die Terminkurse für Strom und Gas aus dem bisherigen Seitwärtslauf aus. Es setzt ein Abwärtstrend ein, der bis dato andauert. Reagierten die Märkte im Sommer noch empfindlich auf jede Meldung, die eine Störung des globalen Gasangebotes auch nur befürchten ließ, beginnen die Händler jetzt schon frühzeitig noch bestehende Versorgungsrisiken für den Verlauf der Winterperiode auszupreisen. Aktuell befinden sich die Frontjahreskurse für Strom und Gas auf dem niedrigsten Stand seit dem Herbst des Jahres 2021.

Strombörse: Frontjahr verliert 12,5 % im Monatsverlauf

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Mit 117 €/MWh startet der Kurs für das Strom-Frontjahr DE Base 2024 in den Monat November. Das Monatsmaximum erreicht die Notierung nur zwei Tage später mit rund 119 €/MWh. An diesem Tag kündigen die USA neue Sanktionen gegen Russland an, die in erster Linie die LNG-Ausfuhren des Landes betreffen. Mit dem russischen Exportprojekt ‚Arctic LNG 2‘ steht ein Produktionskomplex für Flüssigerdgas in den Startlöchern, an dem auch Energiekonzerne der Länder Frankreich und Japan beteiligt sind. Teile der Technik stammen aus Deutschland. Sollten die Sanktionen greifen, könnte das globale Angebot im kommenden Jahr um zunächst ca. 6 Mio. Tonnen LNG geringer ausfallen als bislang erwartet wurde.

Die Aufwärtsbewegung weicht in der folgenden Woche einem bearishen Sentiment – unterstützt von der Meldung, der zufolge der Verband deutscher Gasspeicherbetreiber ‚INES‘ nur noch für den Fall eines extrem kalten Winters eine akute Gasmangellage befürchtet. DE Base 2024 fällt bis auf 112 €/MWh. Mit kühleren Wetteraussichten für die zweite Monatshälfte geht es ab dem 9. November jedoch wieder etwas aufwärts. Zur Monatsmitte korrigieren die Wetterdienste ihre Temperaturprognosen deutlich nach unten und DE Base 2024 steigt bis auf knapp 118 €/MWh. Der deutsche Gasspeicherstand liegt zu dieser Zeit noch immer oberhalb der nominellen Kapazität von 255 TWh, was durch ein stärkeres Herunterkühlen der Moleküle möglich ist. So sorgt auch die erste Kältewelle dieser Heizperiode nicht für steigende Kurse. Im Gegenteil: Unter den Marktteilnehmern setzt sich zunehmend die Einschätzung durch, dass der Winter wahrscheinlich ähnlich gut versorgt verlaufen wird, wie der letzte. Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) sieht geringe Risiken für einen kalten Winter. Am 22. November teilen die Meteorologen mit, dass sie für die Periode von Januar bis einschließlich März mit einer deutlichen Abweichung der Durchschnittstemperatur von +2 ℃ vom langfristigen Mittel rechnen. Derweil geben die makroökonomischen Frühindikatoren wie z.B. der ifo-Geschäftsklimaindex keinen Anlass zur Hoffnung auf einen baldigen Schub für das Wirtschaftswachstum. Somit verharrt die Energienachfrage der Industrie voraussichtlich weiterhin auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau. Ein Umstand, der auch den europäischen CO2-Preis unter Druck setzt, was die Talfahrt am Strommarkt beschleunigt. DE Base 2024 fällt am 29. November auf sein Monatsminimum von 101,77 €/MWh und beendet den November mit 102,47 €/MWh.

Im Monatsmittel kostet DE Base 2024 im November 112,71 €/MWh und gibt damit 10,4 % gegenüber dem Vormonat ab. Bei den Notierungen für die Folgejahre 2025 sowie 2026 betragen die Verluste 7,5 % bzw. 5,1 %.

Gasbörse: Kurse fallen trotz Kältewelle

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Am Gasmarkt notiert das Frontjahr (THE 2024) in den ersten Novembertagen noch knapp oberhalb der Marke von 50 €/MWh. Am 3. November verkünden die USA neue Sanktionen gegen Russland, die besonders auf das LNG-Exportprojekt ‚Arctic LNG 2‘ abzielen, welches vom russischen Gaskonzern Novatek verantwortet wird. Daran beteiligt sind auch Frankreich und Japan mit einem Anteil von jeweils 10 %. Der erste von drei Produktionssträngen soll nun im Q1/2024 den Betrieb aufnehmen mit einer Kapazität von ca. 6 Mio. Tonnen LNG/Jahr. Es bleibt jedoch unklar, ob und wie stark sich die US-Sanktionen auf die russischen Ausfuhren auswirken werden. THE 2024 setzt jedenfalls den Abwärtstrend aus dem Vormonat fort und fällt am 6. November auf ein vorläufiges Minimum von 47,59 €/MWh. Am 9. November fordert das EU-Parlament u.a. ein Embargo für russisches LNG; diese Entschließung ist jedoch rechtlich nicht bindend. Preistreibend wirkt vielmehr der Ausblick auf eine Kältewelle im Laufe der zweiten Monatshälfte. THE 2024 steigt bis auf 50,09 €/MWh. Am 13. November gibt Israel bekannt, dass das Gasfeld ‚Tamar‘ wieder in Betrieb gehen soll. Infolge der Hamas-Attacken seit dem 7. Oktober hatte die Regierung die Produktion aus Sicherheitsgründen untersagt. Mit der Rückkehr des Gasfeldes steigen die Hoffnungen auf LNG-Exporte ex Ägypten. Das Land ist auf israelische Pipeline-Importe angewiesen, um diese in Form von LNG auszuführen. Ungeachtet dessen geht es am Gasmarkt aufwärts, THE 2024 kostet am 14. November 49,78 €/MWh. Am Vortag hatte die bulgarische Regierung eine Transitsteuer für russisches Erdgas in Kraft gesetzt, das über die Türkei in die EU gelangt. Für kurze Zeit steht die Befürchtung im Raum, Gazprom könne die Liefermengen stoppen. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Maßnahme mit geltendem EU-Recht vereinbar ist. Russisches Gas fließt jedenfalls weiter durch Bulgarien nach Ungarn und THE 2024 fällt bis auf 46,59 €/MWh am 21. November. Der Ausblick auf kältere Temperaturen sorgt noch einmal für eine Aufwärtsbewegung bis auf 48,32€/MWh, bevor es zu einer starken Abwärtstendenz kommt, der bis dato bzw. Mitte Dezember anhält. In Erwartung eines günstigen Verlaufs der Winterperiode, eines steigenden LNG-Angebots im neuen Jahr, bei einer zugleich anhaltenden Schwäche der globalen Konjunktur führt dazu, dass die Händler bereits jetzt noch bestehende Risiken für den Verlauf des Winters auspreisen. THE 2024 beendet den November mit 43,41 €/MWh geringfügig höher als das Monatsminimum vom Vortag von 42,64 €/MWh.

THE 2024 kostet im November durchschnittlich 47,87 €/MWh. Gegenüber dem Vormonat hat sich die Notierung somit im Mittel um 9,1 % verbilligt. Die Kontrakte für die Lieferjahre 2025 sowie 2026 kosten 5,2 % bzw. 1,7 % weniger als noch im Oktober.

Aktuelle Lage: Neues Marktgleichgewicht gesucht

THE-Terminkurve vom 11.12.2023 – Gegenüber den Kursen vom 01.11.2023 (gestrichelt) ist das Frontjahr besonders stark gefallen (Quelle: ISPEX-Kompass)

Der Einbruch der Terminmarktkurse an den Märkten für Strom- und Erdgas setzt sich im Dezember fort. Zuletzt fällt DE Base 2024 bis auf rund 90 €/MWh und THE 2024 kostet ca. 37 €/MWh. Auf diesem Niveau notieren die Frontjahreskurse so niedrig wie seit September 2021 nicht mehr. Seinerzeit standen die Energiemärkte unter dem Eindruck reduzierter Gaslieferungen ex Russland. Trotz vorhandener Nachfrage verzichtete Gazprom darauf, an den Kurzfristmärkten zusätzliche Mengen anzubieten, weshalb die Kurse seit dem Sommer 2021 stark zugelegt hatten.

Allerdings gilt auch weiterhin, dass gerade Deutschland in den kommenden Jahren noch auf die Verfügbarkeit ausreichender LNG-Mengen am Spotmarkt angewiesen ist. Nach wie vor besteht kein vollumfänglicher Ersatz für die Langfristverträge, die ehemals mit Russland bestanden. So stellt sich jetzt zwar ein erheblich günstigeres Preisniveau ein, die hohe Volatilität dürfte uns jedoch auch im kommenden Jahr erhalten bleiben.

Die neuen saisonalen Wetterprognosen für die kommenden Monate sind nicht mehr so günstig, wie noch im November. Der Deutsche Wetterdienst sieht zuletzt für den Zeitraum von Dezember bis Februar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für anomal tiefe Temperaturen in der nördlichen Hälfte Deutschlands. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) prognostiziert für den Nordosten Deutschlands eher normale Temperaturen und gen Süden eine steigende Wahrscheinlichkeit für eher anomal hohe Temperaturen. Offenbar steht der Norden Deutschlands unter einem besonderen Risiko für Kaltluftmassen, die ihr Zentrum in Skandinavien haben. Allerdings ist Deutschland unter der gegebenen Versorgungslage auch für längere Kälteperioden gut gewappnet. Wir sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Gasspeicherstand zum Ende der Heizperiode noch oberhalb von 50 % liegt.

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