Energiemarkt-Kommentar: Trump und die Dunkelflaute

Politische Faktoren schlagen im November auf die deutschen Energiemärkte durch. Das Strom-Frontjahr durchbricht die 100 Euro-Marke. Eine Dunkelflaute schieb die Kurse kurzfristig stark an. Am Day-Ahead-Markt werden mitunter mehr als 800 €/MWh aufgerufen. Auch beim Gas spekuliert man auf einen kalten Winter.

Kurse fallen Anfang November – Ein Ergebnis fragwürdiger Berichterstattung

ISPEX Entwicklung Stromkurse Lieferjahre 2025 2026 2027

Entwicklung der Stromkurse für die kommenden Jahre
(Stand: 06.12.24, Quelle: EEX, ISPEX Kompass)

Für das Strom-Frontjahr gilt es im November ein neues Jahreshoch zu verbuchen. Die DE Base-Notierung für das Lieferjahr 2025 steigt am 21. November bis auf rund 102 €/MWh und erreicht damit den höchsten Stand seit dem 01.12.2023. Dabei war die Ausgangslage zu Monatsanfang noch eine ganz andere: Mit 84,77 €/MWh werden am 1. November die Gewinne aus der zweiten Oktoberhälfte vollständig einkassiert. Eine Nachrichtenagentur hatte in Aussicht gestellt, dass es schon bald eine Vereinbarung geben werde, um auch im kommenden Jahr noch Erdgas über die Ukraine in die EU fließen zu lassen. Der aktuelle Ukraine-Russland-Vertrag endet ultimo 2024. Am Gasmarkt sorgt die Meldung dafür, dass die Notierung THE 2025 ein letztes Mal unter die Marke von 40 €/MWh fällt – jedenfalls bis dato. Wie gewohnt berufen sich die Verfasser des Berichts auf „anonyme Quellen“, was angesichts der Brisanz bzw. Preiswirkung dieser Meldung nicht wenigen Marktteilnehmern etwas luftig vorkommt. Prompt erinnern sich die Händler an eine Meldung vom 19. September, in der fälschlicherweise sogar berichtet wurde, dass eine Vereinbarung bereits gesichert sei. So verwundert es wenig, dass es mit den Kursen an den folgenden Tagen wieder kräftig aufwärts geht.

ISPEX, Entwicklung Erdgas, Terminkurse, Spotmarkt, 061224

Entwicklung Erdgas-Terminkurse & -Spotmarkt (Stand: 06.12.24, Quelle: EEX, ISPEX Kompass)

Oh Schreck: Donald Trump, Ampel-Aus und Dunkelflaute

Der 6. November 2024 verdient einen Platz in den Geschichtsbüchern. Donald Trump geht als Sieger aus den US-Wahlen hervor, in Deutschland zerbricht die Regierungskoalition und über Nordwesteuropa herrscht Dunkelflaute. Das Geschehen treibt jedem Energiemarkt-Nerd die Schweißperlen auf die Stirn. „Hurra“ wird rufen, wer durch den „Trump-Effekt“ längerfristig auf mehr LNG aus den USA setzt, also auf künftig fallende Kurse. „Oh je“ wird denken, wer sieht, dass an jenem Tag nur mickrige 7 GWh Windstrom ihren Weg ins Netz finden und stattdessen die fossile Verbrennung (inklusive Heizöl!) auf Hochtouren läuft. Am Day-Ahead-Markt werden mitunter mehr als 800 €/MWh für die Abendstunden aufgerufen.

Da wäre es natürlich gut, es stünde reichlich Reservekapazität in Form effizienter und vor allem flexibler Gaskraftwerke zur Verfügung. Die soll kommen (Stichwort „Kraftwerksstrategie“) – doch wohl kaum noch in diesem Jahrzehnt. So manch Investor wird sich fragen, ob er nicht besser noch abwartet, ob ihm Vater Staat nicht finanziell noch etwas unter die Arme greifen möchte (Stichwort „Kapazitätsmarkt“) und dann entscheiden, ob er im Süden (für die Systemstabilität) oder doch besser im Norden baut (für den preiswerteren Bezug von Wasserstoff). Eine Antwort wird er in dieser verkürzten Legislaturperiode allerdings wohl nicht mehr bekommen.

ISPEX, Deutsche Nettostromproduktion, November 2024

Deutsche Nettostromproduktion im November (Quelle: ISPEX Kompass)

OMV bricht mit Gazprom

Historisch nennen darf man auch das Ende einer Beziehung, die zur Monatsmitte in die Brüche geht. Der österreichische Energiekonzern OMV gewinnt ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom und bekommt einen Anspruch von mehr als 230 Mio. Euro zugesprochen – Schadensersatz für den vertragswidrigen Lieferstopp nach Deutschland im Jahr 2022. Wohlwissend, dass Gazprom aufgrund der russischen „Rechtslage“ nicht zahlen wird, verrechnen die Wiener den Anspruch mit offenen Verbindlichkeiten. Die erwartete Reaktion aus Sankt Petersburg folgt schon am nächsten Tag: Gazprom stellt die Lieferungen an OMV ein. Der Gaskurs THE 2025 steigt auf 45 €/MWh und DE Base 2025 kostet am 15. November rund 96,51 €/MWh. Eine Zukunft für den Ukraine-Transit scheint jetzt immer weniger wahrscheinlich.

Dabei war jene Geschäftsbeziehung die erste zwischen der UdSSR und einem westlichen Staat in Europa, die am 1. Juni 1968 ihren Anfang nahm und fortan westsibirische Gasmengen in hiesige Heizungen speiste. Sie diente zugleich als Prototyp, um fünf Jahre später die ungleich größere Nachfrage in der BRD zu bedienen.

1968: Erstes Gas aus Russland trifft in Österreich ein (Quelle: OMV, ©OMV)

Abschiedsgeschenk von Joe Biden an Gazprom

Russisches Erdgas fließt dennoch weiter über die Ukraine in die EU und auch bis nach Österreich. Offenbar hat sich ein Abnehmer gefunden, der die bislang für OMV bestimmte Mengen kurzerhand am Spotmarkt abverkauft. Das führt zu einer leichten Entspannung an den Märkten, die aber nur von kurzer Dauer sein wird. Als am 21. November die US-Regierung erstmals Sanktionen gegen die Gazprombank verhängt, springt der Gaskurs für das Frontjahr auf 47,28 €/MWh und der entsprechende Strompreis steigt auf 102,12 €/MWh. Ungarn protestiert gegen die Sanktionen, zeigt sich zugleich aber optimistisch, diese umgehen zu können. Das wird auch am Markt so gesehen und so geht es zum Monatsende wieder abwärts. DE Base 2025 schließt den Monat mit 97,92 €/MWh und THE 2025 geht mit 46,76 €/MWh aus dem Handel.

EU-Gasimporte ex Ukraine (Quelle: ISPEX Kompass)

Gewettet wird auf einen kalten Winter

Das im November gestiegene Preisniveau ist in Teilen durchaus gut begründbar. Phasen unterdurchschnittlicher Temperaturen haben in der EU so stark an den Gasvorräten gezehrt wie seit 2016 in diesem Kalendermonat nicht mehr. Weshalb sich schnell die Erzählung breit macht, der LNG-Bedarf für die Einspeicherung werde im kommenden Jahr höher ausfallen als in diesem Jahr. Darüber hinaus zeichne sich ein Trend zu einem kälteren Winter ab. In dieser Gemengelage nehmen auch die Käufe der Spekulanten an der europäischen Leitbörse für Erdgas kräftig zu. Allerdings ist es für solche Schlussfolgerungen noch viel zu früh. Im Gegenteil: Die aktuellen Wetterprognosen lassen eher einen Winter erwarten, der insgesamt erneut deutlich milder ausfällt als im langjährigen Mittel.

Januar – Saisonale Vorhersage der Temperaturanomalie im Monatsmittel
(Quelle & Copyright: ECMWF)

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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