Gasmangellage: Was sehen die Notfallpläne vor?

Die internationale Eskalation um den Ukraine-Krieg wirft die Frage auf, wie zuverlässig mit russischen Gaslieferungen nach Westeuropa zu rechnen ist. Was passiert, wenn Versorgungsengpässe auftreten, weil zu wenig Gas in das Netz eingespeist wird. Welche Schritte werden eingeleitet?

Rechtsrahmen bei einem Gasversorgungsmangel

Für eine Unterversorgung mit Erdgas wurden auf europäischer und nationaler Ebene rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen. Im Jahr 2017 wurde die europäische Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (EU) 2017/1938 (SoS-VO) novelliert. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) setzt die Vorgaben in nationales Recht um. Zusätzlich besteht bereits seit langem das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975 – EnSiG). In der Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (Gassicherungsverordnung – GasSV) sind Anforderungen aus dem EnSiG umgesetzt.

Auf diesem Fundament wurde durch das BMWi (nun BMWK) der Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitet, wie es durch die SOS-VO bzw. § 54a EnWG vorgesehen ist. Das Ministerium legt Aufgaben und Zuständigkeiten der im Krisen- und Notfall beteiligten Stellen und Personen fest. Die Bundesnetzagentur führt die Risikobewertung durch und ist aufsichtsführend für die Einhaltung der Vorschriften aus dem EnWG gegenüber Unternehmen. Im Falle einer Versorgungskrise im Sinne des EnSiG und GasSV (Notfallstufe im Sinne der SoS-VO) ist die BNetzA Bundeslastverteiler und regelt ggf. überregionale Belange.

Instrumente bei Versorgungsproblemen

Bei den Instrumenten und Maßnahmen wird nach marktbasierten und nicht-marktbasierten unterschieden.

Marktbasierte Instrumente

Die marktbasierten Instrumente und Maßnahmen werden von den Gasversorgungsunternehmen und Netzbetreibern ohne Eingriff des Staates auf Grundlage des EnWG durchgeführt. Das können sowohl marktbezogene als auch netzbezogene Maßnahmen sein. Beispielsweise bestehen marktbezogene Maßnahmen im Einkauf von Regelenergie oder der Kürzung von Gaslieferungen. Als netzbezogen sind z.B. Netzschaltungen zu verstehen, die nicht vom Markt bemerkt werden. Der Fernleitungsnetzbetreiber setzt im Rahmen der Systemverantwortung bei übergreifenden Störungen Maßnahmen ein. Er ist berechtigt „Gaseinspeisungen, Gastransporte und Gasausspeisungen in ihren Netzen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs der Netze anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen“.

BDEW/VKU/GEODE veröffentlichten einen Leitfaden zur Krisenvorsorge Gas, der die Maßnahmen und Eskalationsstufen in der Energiewirtschaft darlegt.

Nicht-marktbasierten Instrumente

Bei nicht-marktbasierten Instrumenten handelt es sich um hoheitliche Eingriffsbefugnisse basierend auf SoS-VO, EnSiG und die GasSV. Diese kommen nur im Notfall zur Anwendung, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie für den Fall zu sichern, dass „die Energieversorgung unmittelbar gefährdet oder gestört und die Gefährdung oder Störung der Energieversorgung durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist“ (EnSiG § 1). Dies geschieht durch Rechtsverordnung. Diese Vorschriften können u.a. „die Produktion, den Transport, die Lagerung, die Verteilung, die Abgabe, den Bezug, die Verwendung sowie Höchstpreise von … gasförmigen Energieträgern“ umfassen. Dadurch kann „die Abgabe, der Bezug oder die Verwendung der Güter zeitlich, örtlich oder mengenmäßig beschränkt [werden] oder [,dass] nur für bestimmte vordringliche Versorgungszwecke vorgenommen werden darf“.

Krisenstufen nach SoS-VO

Die SoS-VO beschreibt drei Krisenstufen im Falle einer Versorgungsstörung (Art. 11 Abs.1).

Bei der Frühwarnstufe „Frühwarnung“ liegen ernstzunehmende und zuverlässige Hinweise vor, dass eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage eintreten kann.

Bei der Alarmstufe „Alarm“ tritt eine Störung oder außergewöhnlich hohe Nachfrage auf, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Diese ist noch mit marktbasierten Maßnahmen zu bewältigen.

Die Notfallstufe „Notfall“ greift für den Fall, dass die marktbasierten Instrumente angewendet wurden, aber die Gasversorgung nicht ausreicht, um die noch verbleibende Gasnachfrage zu decken. Zusätzlich müssen nicht marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden, um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Kunden zu gewährleisten.

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Die Stufen bauen nicht aufeinander auf. Nach Schwere der Störung kann sofort der Notfall festgestellt werden. Die Ausrufung und Feststellung der Frühwarn- und Alarmstufe liegt beim BMWK, die Notfallstufe wird durch die Bundesregierung durch Verordnung geregelt.

Geschützte Kunden

Von den Maßnahmen einer Gasmangellage wären Kunden unterschiedlich betroffen. Die marktbasierten Maßnahmen würden beispielsweise bei Belieferungseinschränkungen sogenannte Abschaltkunden frühzeitig betreffen. Hier ist die Kürzung vertraglich vereinbart. Weitere Kürzungen oder ein Belieferungsstopp lokal, regional oder national würden marktbasiert oder hoheitlich erfolgen – nicht einheitlich für alle Abnehmer.

Ein explizierter Schutz industrieller Gasabnehmer oder gewerblicher Gaskunden besteht nicht. Die zuständigen Stellen würden im Rahmen der Gesamtbetrachtung Verbräuche priorisieren, z.B. für systemrelevante Gaskraftwerke oder nach Abnahmemenge bzw. Lastprofil.

Das EnWG sieht abseits davon geschützte Kunden vor, deren Versorgung sichergestellt werden muss (§ 53a EnWG).

  • SLP Haushaltskunden
  • Fernwärmelieferanten für Haushaltskunden (Anteil für deren Versorgung)
  • Grundlegende Soziale Dienste (Gesundheitsversorgung, Verwaltung u.dgl.)

Was können Unternehmen tun?

Unternehmen sollte sich daher frühzeitig mit der Zusammensetzung des Energieverbrauchs für den Notfall auseinandersetzen. Beispielsweise ist zu klären:

  • Welche Gasmengen energetisch und welche stofflich eingesetzt werden.
  • Wie kann z.B. Energie aus Gas durch Strom oder andere Brennstoffe ersetzt werden.
  • Bis zu welcher Lieferkürzung kann welches Produktionsniveau gehalten werden.
  • Welche Lastverschiebungen bzw. Lastreduktion ist technisch möglich.

Ein interner Notfallplan erleichtert die Argumentation gegenüber dem Lieferanten oder Netzbetreiber bei Nachfragen im Hinblick auf drohende Kürzungen.

Ihr Ansprechpartner

Andreas Seegers

Andreas Seegers

0921 - 150 911 110 0921 - 150 911 115