Novelle im Strom- und Energiesteuerrecht
Von ISPEX am 1. Aug 2024
Am 24.05.2024 stellte die Bundesregierung einen „Gesetzesentwurf zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht“ vor. Die ISPEX Rechtsanwaltsgesellschaft mbH fasst die wesentlichen Änderungen und Auswirkungen zusammen.
Anlagenverklammerung und Anlagenbegriff
Die bisherige Verbindung von Anlagen aufgrund von Fernsteuerbarkeit oder einer gemeinsamen Steuerung bei dezentraler Stromerzeugung (§ 12b Abs. 2 StromStV) soll abgeschafft werden. Stattdessen soll im neuen § 12b StromStV ein stromsteuerrechtlicher Anlagenbegriff eingeführt werden. Eine Anlage ist demnach ein Verbund aus technischen Komponenten, mit dem der Energiegehalt von Energieträgern in elektrischen Strom umgewandelt wird. Eine Anlage liegt also insbesondere dann vor, wenn in Stromerzeugungseinheiten entweder Strom erzeugt oder teilweise in die Kundenanlage oder am Standort jeweils zur Entnahme eingespeist wird. Stromspeicher nach § 2 Nr. 9 StromStG, wiederaufladbare Speicher für Strom, die immer an ihrem Standort verbleiben, sollen dabei ausgenommen sein. Die Größe einer Anlage bestimmt sich dann nur nach den Verhältnissen vor Ort und es kommt nicht mehr zum Ausschluss der Steuerbefreiung wegen einer Addierung der Anlagenleistung aufgrund einer Fernsteuerbarkeit.
In der Praxis führt das voraussichtlich dazu, dass mehr Unternehmen eine Steuerbefreiung beantragen können, da sie nicht mehr durch die Verklammerung mit anderen ortsfernen Anlagen eingeschränkt werden.
Entlastungen und Befreiungen
Auch im Bereich der Entlastungs- und Befreiungstatbestände kommt es zu verschiedenen Änderungen.
Strom zur Stromerzeugung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG)
Der Tatbestand von § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG wird ausgeweitet. Bislang ist nur Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird, von der Steuer befreit. Ab 2025 soll zusätzlich auch der Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit elektrischen Strom zu erzeugen, entnommen wird, von der Steuer befreit sein.
Steuererstattung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes (§ 9b StromStG)
Auch § 9b StromStG erfährt eine Ausweitung des Tatbestandes. In der neuen Fassung wird die Subsidiarität zum § 9 StromStG gestrichen, sodass § 9b StromStG für jeglichen Strom, den ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes (oder LuF) zu betrieblichen Zwecken entnommen hat, anwendbar ist. In 2024 und 2025 beträgt die Entlastung 20€ pro Megawattstunde, da der Entlastungsbetrag des weggefallenen Spitzenausgleichs aus dem Stromsteuergesetz in den § 9b StromStG überführt wurde. Aufgrund der Ausweitung der Steuerentlastung und gleichzeitigen Beibehaltung der Antragsschwelle von 250 € wird eine Online-Antragspflicht eingeführt. Zudem sollen die Erstattungsanträge künftig automatisiert bearbeitet werden. Im neu eingefügten Abs. 1a wird zudem geregelt, dass eine Zwischenspeicherung von Strom in Speichern keine betriebliche Entnahme darstellt, wenn es nach der Rückumwandlung aus dem Speicher zu keiner betrieblichen Nutzung kommt.
In der Stellungnahme des Bundesrates vom 05.07.2024 wird gefordert, dass einerseits die Antragsschwelle ganz entfällt, zudem soll der Tatbestand auf jedes Unternehmen, und nicht nur auf die des produzierenden Gewerbes und LuF, erweitert werden, da nur so alle Unternehmen die nötige Kostenentlastung erfahren können. Argumentiert wird das dadurch, dass es durch die kommende Online-Antragspflicht und der geplanten automatisierten Bearbeitung zu keinem nennenswerten Mehraufwand kommen würde. Zudem soll der Entlastungsbetrag in Höhe der 20 € pro Megawattstunde dauerhaft beibehalten werden. Ob diese Vorschläge jedoch umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Steuerbefreiung für gasförmige Energieerzeugnisse (§ 28 EnergieStG)
Der § 28 EnergieStG soll künftig subsidiär zu § 9 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 StromStG werden. Eine Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift wird also nur möglich sein, wenn eine Befreiung über den § 9 StromStG nicht möglich ist.
Steuerentlastung für die Stromerzeugung (§ 53 EnergieStG)
Im § 53 EnergieStG soll dafür die bisher bestehende Subsidiarität zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StromStG gestrichen werden, sodass Unternehmen künftig selbst entscheiden können, wie sie die Entlastung gestalten wollen.
Steuerentlastung für die gekoppelte Erzeugung von Kraft und Wärme (§ 53a EnergieStG)
Die wichtigste Änderung im § 53a EnergieStG besteht darin, dass die Absätze 6-8 gänzlich und ersatzlos aufgehoben werden. Das hat zur Folge, dass künftig keine vollständige Entlastung bei der gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme mehr möglich sein wird. Zusätzlich werden die Absätze 1-4 ebenfalls subsidiär zu § 9 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 StromStG.
Spitzenausgleich (§ 55 EnergieStG)
Nachdem der Spitzenausgleich aus dem Stromsteuergesetz, § 10 StromStG, Ende 2023 ausgelaufen ist, wird nun auch § 55 EnergieStG ersatzlos aufgehoben.
Definition der erneuerbaren Energieträger (§ 2 StromStG)
Der Gesetzgeber will die Definition von Strom aus erneuerbaren Energieträgern gem. § 2 Nr. 7 StromStG neu fassen. In der Neufassung werden Strom aus Deponiegas, Klärgas und Biomasse aus der Definition gestrichen. Da Biomasse 6,3 % des deutschen Strommixes entspricht, werden viele Unternehmen davon betroffen sein. Daher haben sich bereits mehrere Bundesverbände, die zuständigen Ausschüsse sowie der Bundesrat in ihren Stellungnahmen gegen diese Änderung geäußert. Begründet wird die geplante Änderung durch eine Anpassung in der AGVO der EU, sodass der deutsche Gesetzgeber gezwungen sei, so zu handeln. Die Bundesverbände und der Bundesrat führen jedoch an, dass eine derartige Änderung über die Regelung der EU hinausgehe und daher gar nicht nötig sei. Ob Biomasse in neueren Fassungen des Gesetzesentwurf wieder aufgenommen wird, ist nicht sicher. Da jedoch von nahezu allen Seiten diese Änderung kritisiert wird, ist die Wiederaufnahme bzw. Beibehaltung der Biomasse nicht unwahrscheinlich, sofern das EU-Recht dies tatsächlich weiterhin erlaubt.
Zeitgleichheit (§ 11a StromStV)
Gemäß § 11a StromStV soll die Zeitgleichheit erweitert werden. Dabei geht es um nicht nach § 3 StromStG zu versteuernden Strom oder eine bestimmte zu entlastende Strommenge einer Entnahmestelle, die bilanziell zugeordnet werden soll, da eine physikalische Zuordnung nicht möglich ist, oder eine Leistungsbeziehung über diese Menge besteht. In diesen Fällen darf diese Menge höchstens bis zur Höhe der Entnahme bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall berücksichtigt werden. Als Nachweis der Zeitgleichheit muss eine geeignete mess- und eichrechtskonforme Einrichtung genutzt werden. In manchen Fällen ist auch eine andere Messeinrichtung zulässig oder sogar, wenn es sonst nur mit unvertretbarem Aufwand möglich wäre, eine sachgerechte Schätzung. Zudem soll im § 11a Abs. 2 StromStV die quotale Zuordnung geregelt werden.
Stromspeicher
Auch im Bereich der Stromspeicher kommt es zu verschiedenen Änderungen. Zunächst soll der § 2 Nr. 9 StromStG zu einer Definition für Stromspeicher geändert werden. Stromspeicher sind danach Anlagen, die keine Anlagen zur Stromerzeugung sind, am Ort des Betriebs der Zwischenspeicherung für spätere Verwendung dienen, an ihrem geographischen Standort verbleiben und kein Teil eines Fahrzeugs sind.
Gem. § 5 Abs. 4 StromStG sind Stromspeicher Teil des Versorgungsnetzes, wenn sie durch einen Versorger Strom in das Versorgungsnetz einspeisen und im Marktstammdatenregister eingetragen sind. Wenn Strom ohne Zwischenspeicherung steuerfrei gewesen wäre, so ist er es auch noch danach (nur in Bezug auf § 9 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 oder 6 StromStG). Es gibt keine erneute Versteuerung, wenn der Strom aus dem Speicher rückumgewandelt wird und der Speicher kein Teil des Versorgungsnetzes ist. § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG wird angewendet, wenn die Rückumwandlung unter Nutzung einer Anlage zur Stromerzeugung erfolgt.
Im § 1a Abs. 3a StromStV wird zudem noch festgehalten, dass durch die Nutzung von Stromspeichern innerhalb der Kundenanlage und bei Leistung an Dritte als Letztverbraucher kein Versorgerstatus begründet wird, sodass auch keine solche Genehmigung beim zuständigen Hauptzollamt eingeholt werden muss.
Elektromobilität
Weitere Änderungen werden im Bereich der Elektromobilität vorgenommen.
Ladesäulen
An Ladepunkten soll es künftig zu einer Letztverbraucherfiktion kommen, damit Einzelfallprüfungen „innerhalb der Ladesäule“ nicht mehr vorkommen. Jegliche Entnahme von Strom am Ladepunkt soll dem Betreiber zu zurechnen sein. Für die Definition des Ladepunkts soll sich im Zuge der Rechtsvereinfachung und -vereinheitlichung an anderen Rechtsgebieten orientiert werden. Ein Ladepunkt ist dann eine Einrichtung, an der gleichzeitig nur ein elektrisch betriebenes Fahrzeug aufgeladen oder entladen werden kann und die geeignet und bestimmt ist zum Aufladen oder zum Auf- und Entladen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (§ 2 Nr. 8a StromStG).
Betreiber des Ladepunkts wird dabei derjenige sein, der unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände bestimmenden Einfluss auf den Betrieb des Ladepunktes ausübt (§ 2 Nr. 8b StromStG). Die Letztverbraucherfiktion soll dabei auch bei § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StromStG zum Tragen kommen, zum Beispiel, wenn Strom aus PV-Anlagen vor Ort an Ladepunkte geleistet wird. Ein Leisten an den Ladepunkt, auch bei verschiedenen Versorgern, gilt immer als ein Leisten an den Betreiber des Ladepunkts und nicht an denjenigen, der gerade sein Auto lädt. Zusätzlich wird geregelt, dass der Betreiber eines Ladepunkts nicht nur deswegen schon zu einem Versorger wird, auch wenn der Ladepunkt mit einem Stromspeicher verbunden ist.
Bidirektionales Laden
Im Bereich des bidirektionalen Ladens kommt es auch zu Veränderungen. Zunächst soll bidirektionales Laden künftig im § 2 Nr. 8c StromStG legaldefiniert werden. Dabei ist es ein intelligenter Ladevorgang, bei dem die Richtung des Stromflusses umgekehrt werden kann, sodass der Strom vom aufladbaren elektrischen Energiespeicher eines Elektrofahrzeugs zu dem Ladepunkt fließen kann, an den er angeschlossen ist. Jetzt sollen Vorgaben geschaffen werden, die verhindern, dass der Nutzer eines solchen Ladevorgangs zu einem Versorger und damit Steuerschuldner wird. Wenn zurückgespeister Strom am Ort des Ladepunkts ohne Nutzung des allgemeinen Versorgungsnetzes zum Verbrauch entnommen wird, entsteht keine Steuer (vehicle-to-home/vehicle-to-business).
Vom Bundesverband Energiespeichersysteme e.V. wird dabei kritisiert, dass ein vehicle-to-grid Tatbestand fehle, also die Möglichkeit Strom aus dem Akku eines Elektroautos in das öffentliche Netz einzuspeisen.
Fazit
Das aktuelle Strom- und Energiesteuerrecht bildet die momentanen Entwicklungen nicht mehr sachgerecht ab, da sind sich alle Bundesverbände und auch der Gesetzgeber einig. Daher stellt der Gesetzesentwurf einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Dennoch zeigt auch dieser Gesetzesentwurf verschiedenste Schwächen, wie die Stellungnahmen der Bundesverbände und des Bundesrates gezeigt haben. Gerade im Hinblick auf die Streichung der Biomasse als erneuerbare Energie besteht Verbesserungsbedarf. Es kann nicht sein, dass Biomasse mit Blick auf das EEG als erneuerbare Energie gewertet wird, im Stromsteuergesetz jedoch nicht. Zudem gibt es noch einzelne Unklarheiten in den Neuregelungen. Da der Gesetzesentwurf jedoch noch mehrfach beraten werden muss, stehen die Chancen gut, dass die Kritik der einzelnen Stellungnahmen gehört und umgesetzt wird.
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