Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie (2012/27/EU) durch die EU-Mitgliedstaaten: Deutschland im Mittelfeld

Am 5. Dezember 2015 läuft die von der EU gesetzte Frist zur erstmaligen Durchführung eines Energieaudits ab. Davon betroffen sind EU-weit alle großen Unternehmen (Nicht-KMU), in Deutschland nach letzten Schätzungen bis zu 100.000. Doch die Reaktion vieler Entscheider fällt trotz drohender Sanktionen nach wie vor verhalten aus. Noch erreicht das Energieaudit nur den Status eines notwendigen Übels, wenn überhaupt. Was wir von der Umsetzung in anderen EU-Mitgliedstaaten lernen könnten…

EDL-G: Umsetzung der EED in nationales Recht erst im April 2015

Die Energieeffizienzrichtlinie (EED) vom 25. Oktober 2012 formuliert in Artikel 8 Abs. 4 konkrete Vorgaben an die EU-Mitgliedstaaten, um das Ziel, bis 2020 die Energieeffizienz der EU um 20 Prozent zu steigern, realisieren zu können. Entsprechende Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht waren der Kommission bis zum 5. Juni 2014 mitzuteilen und spätere Änderungen unverzüglich anzuzeigen (Artikel 13).

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Unternehmen, die kein KMU sind, Gegenstand eines Energieaudits sind, das bis zum 5. Dezember 2015 und mindestens alle vier Jahre nach dem vorangegangenen Energieaudit in unabhängiger und kostenwirksamer Weise von qualifizierten und/oder akkreditierten Experten durchgeführt oder nach innerstaatlichem Recht von unabhängigen Behörden durchgeführt und überwacht wird.

Energieeffizienzrichtlinie (EED; 2012/27/EU)

 

EUROCHAMBRES, die Vereinigung der europäischen Industrie- und Handelskammern, erfasste in der Studie zur Umsetzung der EED, dass 18 der EU-Mitgliedstaaten die Energieauditpflicht zum Stichtag 5. Juni 2015 zumindest teilweise in der nationalen Gesetzgebung abgebildet hatten. 13 Länder, darunter Österreich, Frankreich, Großbritannien und Dänemark verabschiedeten 2014 das jeweilige Gesetz. Deutschland zog mit Bulgarien, Tschechien und Portugal Anfang 2015 nach.

EUROCHAMBRES: Transposition Study „Energy Audits for Europe“ (Stand: 17.06.2015)

 

Wie flexibel die Mitgliedstaaten mit der Deadline 5. Dezember 2015 umgehen, ist noch unklar. Großbritannien gewährt Unternehmen, die rechtzeitig an die durchführende Aufsicht Verzögerungen beim Audit melden, einen Fristaufschub bis 29. Januar 2016. Dazu heißt es in der aktualisierten Fassung der britischen Leitlinien zur Durchführung von Energiaudits (ESOS):

If you believe that you will not meet the deadline of 5 December 2015 please read Section 9 on compliance and enforcement which outlines the steps you need to take.

[Section 9]

Not normally expecting to take enforcement action for late notification provided it is received by 29 January 2016. This is not an extension to the legal deadline. Rather, it reflects the ability to exercise discretion when taking enforcement action.

Where you are not going to be able to make a notification of compliance by 5 December 2015 you will need to inform the Environment Agency of this by the same date, giving information on why you have been unable to comply and when you expect to submit your notification of compliance. You will be able to do this online, via the ESOS webpage.

Eine vergleichbar explizite Aufweichung der Frist oder die Pflicht, Fristverletzungen aktiv zu melden, gibt es in Deutschland nicht. Die Wirkung des seit Ende Oktober online verfügbaren Formulars zur vereinfachten Nachweisführung ist allerdings nicht zu unterschätzen: Es ist zwar nicht unaufgefordert an das BAFA oder eine andere Prüfstelle zu übermitteln, wird jedoch im Falle einer Stichprobenkontrolle als Prüfdokument herangezogen.

Formular Nachweis über die Durchführung eines Energieaudits

Mindestanforderungen an Energieaudits weichen stark voneinander ab

Die Studie von EUROCHAMBRES zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Mitgliedstaaten Mindestanforderungen an Energieaudits definieren. Während Unternehmen in Deutschland und Frankreich mit der DIN EN 16247 einen verbindlichen Normanforderungskatalog als Maßstab anlegen, haben andere Länder die im Anhang VI zur Richtlinie definierten Mindestanforderungen weitgehend übernommen. Österreich schreibt mit Anhang 3 zum Bundes-Energieeffizienzgesetz (EEffG) u.a. bei der Analyse von Gebäuden zusätzliche Erfassungskriterien vor.

Auch die Vorgabe, Energieaudits müssten repräsentativ sein, führte zu verschiedenen Ausgestaltungen: Während deutsche, britische, dänische und lettische Unternehmen 90 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs erfassen müssen, fordert Frankreich nur 80 Prozent (für Unternehmen, die noch vor dem Stichtag 5.12.2015 durchführen sogar nur 65 Prozent), Finnland nur „repräsentative“ 10 Prozent.

Für die wenige verbleibende Zeit seit Inkrafttreten des EDL-G setzt der deutsche Gesetzgeber damit besonders hohe Anforderungen an die Unternehmen. Zwar räumt die DIN EN 16247 einige Ausnahmen ein (DIN EN 16247: Aufwand professionell minimieren). Frankreich darf hier dennoch als Beispiel benannt werden: Das entsprechende Gesetz samt Durchführungsverordnung wurde 1,5 Jahre vor dem deutschen EDL-G erlassen und es gibt ein für Unternehmen ansprechendes Staffelmodell, das die Durchführung des Energieaudits vor dem 5.12.2015 belohnt.

Sanktionen sollen wirksam, angemessen und abschreckend sein

Für den Fall der Nichteinhaltung fordert die EU-Richtlinie in Artikel 13 Sanktionen, die „wirksam, angemessen und abschreckend“ sein sollen.

Das EDL-G droht die Verhängung von Bußgeldern von bis zu 50.000 EUR an, die auf viele Entscheider in erster Linie willkürlich, aber nicht durchsetzbar wirkt. Ganz anders gestaltet Großbritannien das Thema. Mit einem differenzierten Bußgeldkatalog für verschiedene Fälle des Nichteinhaltens der Energieaudit- bzw. Meldepflicht und einer Offenlegung der Bußgeldempfänger wird die angedrohte Sanktionierung konkret – und öffentlich.

 

Unternehmen, die von der Energieauditpflicht betroffen sind, aber noch nichts unternommen haben, haben angesichts der weit vorangeschrittenen Zeit nur noch wenige Alternativen: professionelle Unterstützung bei der Durchführung durch einen externen Berater oder die Verpflichtung für ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001. Mehr dazu lesen Sie im Artikel zu den Last-Minute-Lösungen für Energieaudits.

Übrigens:

Seit 18. November 2015 stellt das BAFA sein Merkblatt für Energieaudits auch in englischer Sprache bereit. Das hilft besonders Unternehmen in einer Verbund- oder Partnerstruktur, die sich mit verschiedenen Umsetzungen der Energieeffizienzrichtlinie in nationales Recht und den zugehörigen Durchführungsverordnungen auseinandersetzen müssen.

BAFA-Merkblatt (EN): „Guidelines for Energy Audits“

 

 

Bild: Wandersmann / pixelio.de