Kommt der europäische Kapazitätsmarkt?

Medienberichten zufolge will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf die Einrichtung eines europäischen Kapazitätsmarktes drängen. Und das obwohl Experten ein solches Modell schon 2013 für überflüssig und für den Endkunden als zu teuer erachteten. Grund für Gabriels Vorstoß ist offenbar der Lobbydruck seitens der Betreiber fossiler Kraftwerke, deren Rentabilität im Zuge der Energiewende spürbar sinkt.

Die grundsätzliche Idee hinter dem Kapazitätsmarkt ist es, Engpässe bei Erneuerbaren Energien mit Hilfe von fossiler Energie notfalls auffangen zu können. Vergütet wird dabei nicht der tatsächlich produzierte Strom, sondern die nutzbaren Kraftwerkskapazitäten. Die Stromkunden müssten hierfür also auch dann zahlen, wenn der Strom gar nicht gebraucht würde. Den Betreibern fossiler Kraftwerke würde dies hingegen Planungssicherheit geben. Kraftwerke, die derzeit unrentabel werden, würden sich wieder rechnen und könnten länger am Netz bleiben. Vor allem RWE und Eon hatten sich in den letzten Wochen darüber beklagt, dass die im Zuge der Energiewende sinkenden Preise den Weiterbetrieb von Braunkohlekraftwerken gefährden würde.

Deutschland braucht keinen Kapazitätsmarkt“ wandte hingegen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bereits Ende 2013 ein. Die Versorgungssicherheit sei, so heißt es weiter, auch trotz des Atomausstiegs in absehbarer Zeit nicht gefährdet. Ein Kapazitätsmarkt sei daher „weder notwendig noch sinnvoll“. Außerdem fürchtet das DIW eine Marktverzerrung und steigende Strompreise vor allem für die Endverbraucher, die ohnehin bereits den Großteil der Kosten der Energiewende schultern müssen, was zwangsläufig zu einer weiter sinkenden Akzeptanz in der Bevölkerung führen würde (siehe auch: Energiewende: Verbraucher sind skeptisch).

In Vorbereitung des für 2015 angedachten Weißbuchs zum Strommarktdesign lässt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) derzeit Studien zu den angedachten Optionen durchführen. Eine davon („Optimierung des Strommarktdesigns“) kam erst kürzlich zu einem ähnlichen Ergebnis wie das DIW im Vorjahr: Kapazitätsmärkte könnten die Flexibilität am Strommarkt negativ beeinträchtigen und hätten außerdem Auswirkungen auf die Preise. Zwar erteilt die Studie der Idee keine gänzliche Absage, zieht aus ihren Untersuchungen aber Schlüsse, die das Modell in kein gutes Licht rücken.

Unterm Strich muss man davon ausgehen, dass Kapazitätsmärkte einzig und allein den Betreibern fossiler Kraftwerke nützen würden, zu deren Gunsten der Strommarkt und die Stromkunden Nachteile hinnehmen müsste – außerdem würde der unnötige Weiterbetrieb fossiler Kraftwerke die Klimaziele zusätzlich gefährden. Ein wirklich schlüssiges Pro-Argument gibt es nicht.