Energiemarkt-Kommentar: Energiemärkte im Griff des Krieges

ISPEX, Energiemarkt, Kommentar, Strom, Gas, Erdgas, März 2022

Mit Beginn der russischen Invasion erklimmen die Kurse an den Energiemärkten für das Jahr 2023 neue Rekordwerte, gefolgt von extremen Schwankungen. Diese sind auf eine Frage zurückzuführen: Kommt ein umfassendes Energieembargo gegen Russland oder nicht?

Strombörse: Base 2023 legt im Monatsmittel um 13 % zu

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

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Unter dem Eindruck der wachsenden Spannungen bezüglich Russland und der Ukraine haben die Terminkurse an der Strombörse bereits seit Mitte Januar kräftig zugelegt. Der Februar beginnt den-noch vergleichsweise günstig. Base 2023 startet mit 131,00 €/MWh in den neuen Monat. Ursächlich sind milde Wetteraussichten und insbesondere steigende Gasflüsse aus Russland über die Ukraine, die an dem Tag mit knapp 850 GWh den höchsten Stand seit Jahresbeginn erreichen und damit ein Niveau, das seit dem Jahr 2021 als normal gilt.

Die Erleichterung währt allerdings nur kurz. Die Importmengen am Grenzübergangspunkt Veľké Kapušany im Osten der Slowakei fallen an den folgenden Tagen wieder und Base 2023 zieht kräftig an, zunächst bis auf 142,37 €/MWh am 4. Februar. Zusätzlich setzt zu Monatsbeginn eine Rallye am Markt für die EU-Emissionsrechte (EUA) ein, welche die Aufwärtsbewegung bei den Strompreisen verstärkt. Ausgehend von 89,18 €/t am 1. Februar klettert der EUA-Kurs für den Frontmonat bis auf einen neuen Rekordwert von 96,48 €/t am 8. Februar. Base 2023 notiert an dem Tag bei 143,25 €/MWh. Anschließend nehmen Sorgen am EUA-Markt zu, die EU könnte den CO2-Preis künftig stärker regulieren und das Engagement von Finanzinvestoren einschränken.

So fällt der EUA-Märzkontrakt in der Folge und notiert in der zweiten Monatshälfte vorwiegend unterhalb der Marke von 90 €/t. Diese Abwärtsbewegung wird von den Stromkursen jedoch nicht nachvollzogen. Vielmehr nehmen die Sorgen um den Konflikt in Osteuropa abermals zu. Obendrein muss der Energiekonzern EDF in Frankreich am 12. Februar erneut ein AKW aus Sicherheitsgründen vom Netz nehmen. Base 2023 steigt auf einen neuen Höchstwert von 145,72 €/MWh. Die Behauptung Russlands, Truppen entlang der Grenze zur Ukraine abziehen zu wollen, sorgt sodann für einen Kursrückgang bis auf 136,13 €/MWh. Mit dem Einfall Russlands in die Ukraine am 24. Februar wachsen die Sorgen vor einem Gaslieferstopp: Base 2023 beendet den Tag mit 181,66 €/MWh. Doch russische Energielieferungen werden von den Sanktionen der EU ausgenommen. Das Strom-Frontjahr beendet den Monat mit 151,12 €/MWh.

Im Mittel verteuert sich Base 2023 um 13 % gegenüber dem Vormonat. Base 2024 legt um 14 % zu, Base 2025 kostet im Durchschnitt 8,7 % mehr als noch im Januar.

Gasbörse: THE 2023 seit Kriegsbeginn oberhalb von 60 €/MWh

Preisentwicklung Erdgas THE (NCG bis 30.09.21) für das Jahr 2023 (Quelle: EEX)

Gaspreis, Beschaffung, Unternehmen, Gas, Preis, Börse, März 2022

Während die Sorgen vor einem Krieg in der Ukraine zunehmen, zeigen sich die Kurse für Erdgas im Februar dennoch vergleichsweise stabil. Zu verdanken ist diese „Ruhe vor dem Sturm“ milden Temperaturen sowie einer anhaltend guten Versorgung Europas mit Flüssigerdgas. Die Notierung THE 2023 pendelt vorwiegend im Bereich von 50 €/MWh bis 56,50 €/MWh. Erst mit Beginn des Krieges am 24. Februar springt der Kurs über die Marke von 60  €/MWh bis auf das Monatsmaximum von 78,92 €/MWh. Am letzten Handelstag im Februar kostet Gas zur Lieferung im kommenden Jahr 62,16 €/MWh.

Im Vergleich zum Januar legen THE 2023 sowie THE 2025 im Mittel um rund 17 % zu. THE 2024 kostet im Durchschnitt gut 24 % mehr.

Ausblick: Staatliche Markteingriffe als Best-Case-Szenario?

Mit Beginn des Krieges kommt es bei den Gaslieferungen ex Russland zu einer scheinbar paradoxen Entwicklung. Die täglichen EU-Importmengen durch die drei Haupt-Pipelines steigen über die Marke von 2.800 GWh und damit auf das höchste Niveau seit Mitte Dezember. Seit Anfang des Jahres lag dieser Wert oftmals unter der Marke von 2.000 GWh. Offenkundig reizen die Energieversorger nun ihre Langzeitverträge aus, um sich für den Fall eines Komplettausfalls so viel Erdgas wie möglich zu sichern. Eben dieses Szenario hält die Marktteilnehmer gefangen. Die Forderungen aus Politik und Gesellschaft nach einem umfassenden Energieembargo treiben Base 2023 am 8. März bis auf 187,14 €/MWh. Die Gasnotierung THE 2023 erreicht am selben Tag ebenfalls einen neuen Rekord von 84,09 €/MWh. Die Regierungschefs aus Berlin und Moskau versichern allerdings, die Beziehung im Gasgeschäft vorerst aufrecht erhalten zu wollen. Hoffnungen auf eine Deeskalation verbinden sich zudem mit den Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. So fällt THE 2023 zuletzt bis auf rund 70 €/MWh und Base 2023 bis auf ca. 160 €/MWh. Sollten die russischen Truppen in der Ukraine die Gewalt jedoch weiter eskalieren, dann wird auch der Druck auf die Bundesregierung abermals zunehmen, die Einfuhren aus Russland umgehend zu stoppen.

EU-Gasimport ex Russland (Hauptrouten, ohne LNG; Quelle: ENTSOG, Eigene Berechnungen)

EU-Gasimport, Russland, 03-2021, 03-2022

Die Lage bleibt hochgradig unsicher. Aussicht auf fallende Strompreise macht indes die EU-Kommission. Brüssel ist nun offenbar auf den Kurs der Regierungen Frankreichs und Spaniens eingeschwungen, direkt in den Strommarkt einzugreifen, um die Preise u.a. für Industriestrom zu senken. Beide Länder sind schon seit Monaten hochgradig unzufrieden mit dem Umstand, dass es gerade die teuren Gaskraftwerke sind, die über ihre Grenzkosten zumeist den Strompreis am Spotmarkt setzen. So hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, die „Ansteckungseffekte“ von den Gas- auf die Stromkurse begrenzen zu wollen. Wie diese Maßnahme konkret umgesetzt werden soll, wird aller Voraussicht nach bis Ende März bekannt gegeben.

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