Energiemarkt-Kommentar: Wetter in Südeuropa heizt Kurse an

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Die Wiederinbetriebnahme norwegischer Gasproduktionsanlagen sowie die Hitze in Südeuropa sorgen im Juli maßgeblich für Bewegung an den Märkten für Strom und Gas. Im Monatsmittel zeigen sich die Terminkurse für die kommenden Jahre gegenüber dem Vormonat jedoch kaum verändert.

Strombörse: DE Base 2024 im Minimum bei 130 €/MWh

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Das Geschehen an den Strommärkten steht im Juli zunächst noch unter dem Eindruck verringerter Gasimporte via Pipeline ex Norwegen. DE Base 2024 startet mit 138 €/MWh in den Monat und steigt bis zum 7. Juli auf einen vorläufigen Hochpunkt von 145 €/MWh. Dieser Preisanstieg ist auch auf die Wetterprognosen für Europa und Nordostasien zurückzuführen, die stark erhöhte Temperaturen, mithin einen gesteigerten Kühlungsbedarf in Aussicht stellen.

Für eine deutliche Entspannung sorgt zunächst allerdings das Ende der außerplanmäßigen Wartungen in der norwegischen Gasproduktion. Die Aufbereitungsanlage Nyhamna wird wie angekündigt am 15. Juli wieder in Betrieb genommen. In Erwartung dessen ist DE Base 2024 bereits am 12. Juli auf das Monatsminimum von 130 €/MWh gefallen. Zuvor hatten noch Sorgen bestanden, die Wartungen könnten abermals verlängert werden.

Am 17. Juli gibt der chinesische Staat neue Zahlen zur Industrieproduktion des Landes bekannt. Diese legt im Juni im Vergleich zum Vormonat (MoM) um 0,68 % zu. Der Anstieg fällt somit stärker aus als erwartet, doch der Vergleich zum Vorjahresmonat mit einem Plus von 4,4 % zeugt von einem eher schwachen Momentum – schließlich war die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr durch die Corona-Maßnahmen der Regierung stark beeinträchtigt. Die Schwäche der Volksrepublik lässt sich auch am Rückgang der LNG-Importe im Juni ablesen: Dieser fällt mit -7 % MoM stärker aus als saisonal üblich. China erweist sich nicht als Motor für die Weltwirtschaft, weshalb auch die Wahrscheinlichkeit für einen verstärkten Wettbewerb zwischen Europa und Asien um den Energieträger Erdgas immer mehr abnimmt, je weiter die Gasvorräte in der EU zulegen und somit das Aufwärtspotenzial für Strom- und Gaskurse nach oben begrenzen.

Die Hitze in Südeuropa in der zweiten Monatshälfte sorgt dennoch für temporär steigende Kurse, Nordwesteuropa inbegriffen. Hier herrschen zwar mittlerweile eher kühle Temperaturen, doch die europäische Leitbörse für Erdgas „Dutch TTF“ sitzt in den Niederlanden und ist insbesondere für den deutschen Markt maßgeblich. DE Base 2024 steigt bis zum 25. Juli auf das Monatsmaximum von rund 148 €/MWh. Für den August prognostizieren die Wetterdienste hingegen eher normale bis kühle Temperaturen – so beendet DE Base 2024 den Monat mit 138 €/MWh.

Im Monatsmittel verteuert sich DE Base 2024 um 1,3 % gegenüber dem Vormonat, während die Folgejahre 2025 und 2026 um 3,8 % bzw. 2,5 % zulegen. Am Day-Ahead-Markt notiert DE Base im Durchschnitt bei 77,61 €/MWh (-8,1 % MoM) mit einem Anteil der Erneuerbaren an der hiesigen Stromerzeugung von 68,1 %.

Gasbörse: Frontjahr meist oberhalb von 50 €/MWh

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Im Juli bewegt sich der Kurs für das Gas-Frontjahr, THE 2024, noch im Seitwärtskorridor des Vormonats von rund 52 €/MWh bis 56 €/MWh. Dieses Preisniveau hatte sich infolge verringerter Gasimporte ex Norwegen eingestellt. Weitere ungeplante Wartungsverlängerungen in der norwegischen Gasproduktion bleiben allerdings aus und THE 2024 fällt am 12. Juli auf 48,90 €/MWh und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Monat. An diesem Tag übersteigen die Gasimporte via Pipeline ex Norwegen in den Raum Nordwest-EU erstmals seit Mitte Mai wieder die Marke von 2.400 GWh/Tag.

Allerdings ist der Preisrückgang nicht von Dauer. In der zweiten Monatshälfte bestimmen die Hitzewellen in Südeuropa und Nordostasien die Schlagzeilen und sorgen für stark steigende Kurse auch in Nordwesteuropa. THE 2024 notiert bis zum Monatsende wieder im Bereich von ca. 51 €/MWh bis 56 €/MWh. Im Monatsmittel notiert THE 2024 im Juli mit 52,48 €/MWh um 3,6 % höher als noch im Vormonat. Die Future-Kontrakte für die folgenden Kalenderjahre THE 2025 und THE 2026 verteuern sich um 2,7 % bzw. 1,1 %.

Ausblick: Drohende Streiks in Australien – Neuer Preisschock?

An den ersten zwei Handelstagen der zweiten Augustwoche laufen die Terminkurse für Strom und Gas zunächst weitgehend seitwärts. Im Tagesverlauf nähert sich DE Base 2024 sogar zeitweise der Marke von 130 €/MWh. Am Mittwoch, den 9. August, sorgt eine Meldung aus Australien jedoch für kräftig steigende Kurse: Die Arbeiter der LNG-Produzenten Chevron und Woodside stimmen für Streiks. Damit droht ein Ausfall von 40 Mio. Tonnen p.a. bzw. ca. 10 % des globalen LNG-Angebots, von dem zunächst die Kunden in Nordostasien unmittelbar betroffen wären. Innerhalb eines Tages steigen allerdings die LNG-Terminkurse für Lieferungen im Dezember sowohl nach Nordostasien als auch nach Nordwesteuropa um mehr als 7 %, da ein sich potenziell zuspitzender Wettbewerb am Spotmarkt um den Energieträger vermutet wird. DE Base 2024 legt in der Folge bis auf 138 €/MWh zu und THE 2024 kostet in der KW32 maximal 54 €/MWh (Schlusskurse).

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EU-weite LNG-Einspeisung (Quelle: GIE / ISPEX-Kompass)

Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr, dass die Versorgungslage in Europa weiterhin kritisch bleibt, da hier eine große Abhängigkeit vom LNG-Spotmarkt besteht. Rahmenbedingungen, welche auch für Spekulanten attraktiv sind, die kurzfristige Preisentwicklungen verstärken können. Allerdings mehren sich zuletzt Stimmen, denen die Rallye übertrieben erscheint. So geht ein Analyst der Crédit Suisse (Reuters) davon aus, dass es möglicherweise überhaupt nicht erst zu Streiks kommt und selbst wenn, diese maximal ca. eine Woche andauern werden. Zudem wird seitens asiatischer Importeure berichtet, die Lieferpläne aus Australien ließen nicht erkennen, dass größere Produktionsunterbrechungen zu erwarten sind.

Bullish wirken zuletzt ebenfalls neue Wetterprognosen für die zweite Augusthälfte, die in Europa und Nordostasien nun wärmer ausfallen soll als noch zuvor erwartet wurde.

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