Energiemarkt-Kommentar: Streikgefahr in Australien verteuert deutschen Strom

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Während die schwache Wirtschaftsentwicklung im August zunächst fallende Kurse begünstigt, führen in der zweiten Woche des Monats drohende Arbeitskämpfe auf der anderen Seite des Globus zu einer Rallye an den Märkten für Strom und Gas. Derweil legen am Spotmarkt die Strompreise in der zweiten Monatshälfte mit einer rückläufigen Einspeisung aus Erneuerbaren stark zu.

Strombörse: Streikgefahr verteuert Strom-Frontjahr um bis zu 12 €/MWh

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Mit rund 135 €/MWh startet der Kurs für das Strom-Frontjahr (DE Base 2024) in den Monat August. Zu dieser Zeit steht der Markt unter dem Eindruck sich weiter verschlechternder Konjunkturaussichten. Erst Ende Juli hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass die Leistung der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal stagnierte. DE Base 2024 fällt am 4. August auf einen vorläufigen Tiefpunkt mit 133 €/MWh.

Zu einer Rallye kommt es am 9. August mit der Nachricht aus Australien, demnach die Arbeiter eines Teils der dortigen LNG-Produktion mit Streiks drohen. DE Base 2024 legt innerhalb von einem Handelstag um 3,2 % zu auf 138 €/MWh. Die betroffenen Produktionsstätten Gorgon und Wheatstone (Chevron) sowie North West Shelf (Woodside Energy) liegen im Westen Australiens und repräsentieren mehr als 10 % der globalen Produktionskapazität. Von etwaigen Lieferausfällen wären insbesondere die Kunden in Nordostasien betroffen. Daraus leiten zahlreiche Marktteilnehmer ab, dass sich der Wettbewerb zwischen Europa und Fernost um den Energieträger verschärfen könnte. In der Folge steigen die Gaskurse auch hierzulande und treiben DE Base 2024 bis auf das Monatsmaximum von 145 €/MWh am 22. August. Zwei Tage später kommt es jedoch zu einer vorläufigen Einigung beim Unternehmen Woodside Energy – dort sind Streiks somit abgewendet. DE Base 2024 fällt auf 133 €/MWh und damit auf das Niveau vor Beginn der Auseinandersetzungen, wiewohl Streiks beim US-Unternehmen Chevron keineswegs auszuschließen sind. Dort stimmen die Arbeiter am 28. August mehrheitlich für Arbeitsniederlegungen, welche ab dem 7. September beginnen können. DE Base 2024 legt kurzzeitig bis auf 139 €/MWh zu und beendet den Monat mit 134 €/MWh.

Im Monatsmittel kostet die Notierung mit 137,49 €/MWh rund 1,2 % weniger als noch im Juli. DE Base 2025 notiert im Durchschnitt mit 125,23 €/MWh gut 1,4 % tiefer. Hingegen legt DE Base 2026 gegenüber dem Vormonat um 1,5 % auf 106,81 €/MWh zu.

Am Spotmarkt steigt DE Base Day Ahead am 23. sowie 24. August erstmals seit Ende des Winters deutlich über die Marke von 140 €/MWh. Im Monatsmittel kostet Strom am Spotmarkt 94,32 €/MWh, ein Plus von 21,5 % gegenüber dem Vormonat. Betrug der Anteil der Erneuerbaren im Juli noch 68,1 %, fällt dieser im August auf 60,1 %. Dabei schwächelt die Erzeugung aus Sonne und Wind besonders in der zweiten Monatshälfte mit einem Anteil von rund einem Drittel an der inländischen Stromproduktion. In der ersten Monatshälfte lag der Wert noch bei 51,2 %.

Gasbörse: Spekulativ getriebene Rallye?

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Analog zur Entwicklung am Strommarkt geht es für den Gaskurs THE 2024 in den ersten Augusttagen leicht abwärts. Die Notierung kostet am ersten Handelstag 50,72 €/MWh und erreicht bereits am 4. August das Monatsminimum mit 50,21 €/MWh. Die Ankündigung von möglichen Streiks in Teilen der australischen LNG-Produktion lässt die Notierung bis zum 15. August auf einen vorläufigen Hochpunkt von 56,38 €/MWh ansteigen. Damit hat sich das Gas-Frontjahr innerhalb von sieben Handelstagen um 12,3 % verteuert. Gas zur kurzfristigen Lieferung im kommenden Monat legt sogar um 33 % zu. Im Gegensatz dazu beträgt das Plus am LNG-Markt für kurzfristige Lieferungen nach Nordwesteuropa lediglich 6,8 %. Dies legt den Verdacht nahe, dass die Rallye an den europäischen Gasmärkten großteils spekulativ getrieben ist.

Anschließend steigt THE 2024 weiter bis auf das Monatsmaximum von 58,67 €/MWh am 22. August. Die Beilegung des Konflikts um höhere Löhne am LNG-Standort North West Shelf des Unternehmens Woodside Energy am 24. August sorgt für einen Kursrutsch bis auf 51,66 €/MWh. Am 28. August geben Gewerkschaftsvertreter bekannt, dass die Arbeiter der LNG-Komplexe von Chevron, Gorgon und Wheatstone mehrheitlich für Streiks gestimmt haben, die ab dem 7. September beginnen können. In der Folge steigt THE 2024 bis auf 55,88 €/MWh am 28. August. Doch setzt sich an den Märkten allmählich die Einschätzung durch, dass ein etwaiger Arbeitskampf das globale LNG-Angebot eher nicht signifikant beeinträchtigen wird. Die Notierung beendet den Monat mit 53,66 €/MWh.

Im Monatsmittel notiert THE 2024 bei 53,77 €/MWh und kostet damit rund 2,5 % mehr als noch im Juli. THE 2025 legt um 3,8 % zu, während THE 2026 sogar um 4,5 % ansteigt.

Ausblick: Streiks in Australien haben begonnen

An den Energiemärkten richten die Akteure in der KW 36 ihre Aufmerksamkeit wie schon in den Vorwochen in erster Linie auf die Lage der LNG-Produktion in Australien. Dort haben beim Unternehmen Chevron am 8. September Streiks begonnen. Die Gewerkschaften drohen mit einer schrittweisen Eskalation, bis die Arbeitgeberseite den Forderungen der Arbeiter nachkomme. Zunächst sind die Arbeitsniederlegungen auf kurze Zeitfenster beschränkt, doch ab dem 14. September sollen diese auf 24-Stunden-Intervalle ausgedehnt werden. Chevron teilt indes mit, dass eine Einigung nicht mehr angestrebt werde, sondern rechtliche Schritte unternommen werden, um die Streiks zu beenden. Unter einer neuen Gesetzgebung in dem Land ist es möglich, dass ein Schiedsgericht eine Vereinbarung erzwingt. Zudem will das Unternehmen dem Vernehmen nach die Produktion aufrecht erhalten, indem es verstärkt auf Mitarbeiter setzt, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind.

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LNG-Kapazitäten in Australien – von Streiks bedrohte Anlagen repräsentieren zeitweise 55 % der australischen und mehr als 10 % der globalen Verflüssigungskapazitäten (© ISPEX)

Der Gasspeicherstand hierzulande verharrt derweil bei 94 %. Die aufgrund von Wartungen stark verringerten Pipeline-Flüsse ex Norwegen haben seit Ende August dazu geführt, dass Einspeisungen und Entnahmen sich weitgehend ausgleichen. Der Gas-Frontmonat an der europäischen Leitbörse Dutch TTF notiert seit dem 31. August wieder unterhalb des LNG-Frontmonatskurses für Lieferungen nach Nordwesteuropa. Offensichtlich schlagen sich die seit dem 3. September um 60 % eingebrochenen Gasimporte in den Raum Nordwest-EU sowie die Lieferunsicherheit von Teilen der australischen LNG-Produktion, immerhin ca. 6 % des globalen Angebots, nicht unmittelbar nieder.

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