Energiemarkt-Kommentar: Geringer Verbrauch und hohe Gasspeicherstände belasten Kurse

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Im September sorgen günstige Bedingungen für fallende Terminkurse an den Strom- und Gasmärkten für das kommende Kalenderjahr. Themen, die in den Vorwochen die Preise noch angetrieben hatten, rücken jetzt in den Hintergrund. Stattdessen richtet sich das Augenmerk der Marktteilnehmer verstärkt auf schwache Konjunkturaussichten sowie eine aktuell gute Gasversorgungslage.

Strombörse: Frontjahr fällt um 9,3 % im Monatsmittel

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Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Der erste Handelstag im Monat September markiert mit rund 134 €/MWh zugleich das Monatsmaximum beim Stromkurs für das Frontjahr DE Base 2024 (Grundlast). Dabei teilen an diesem Tag die Arbeiter in der australischen LNG-Produktion des Unternehmens Chevron mit, dass sie das Lohnangebot des Arbeitgebers ablehnen und ab dem 7. September in einen Streik treten wollen. Drohende Lieferausfälle des Landes hatten den deutschen Strompreis im August noch über die Marke von 145 €/MWh (DE Base 2024) ansteigen lassen. Doch im September hat sich an den Gasmärkten die Einschätzung durchgesetzt, dass aufgrund von Streiks in Australien keine LNG-Versorgungsengpässe zu befürchten sind. So fällt DE Base 2024 bis zum 12. September auf ein vorläufiges Monatstief von 127 €/MWh. Am Folgetag wird bekannt, dass es tatsächlich zu Streiks kommt. Zugleich will der chinesische Energiekonzern Sinopec seine diesjährige LNG-Beschaffung noch um 13 Tanker aufstocken. DE Base 2024 legt etwas zu, stößt in den kommenden Tagen allerdings wiederholt bei 130 €/MWh auf Widerstand. Denn die gute Versorgungslage mit Erdgas begrenzt das Aufwärtspotenzial: Die Speicher in Deutschland sind bereits zu fast 95 % befüllt, die norwegischen Importe kehren absehbar auf Normalniveau zurück und die Nachfrage bleibt verhalten.

Anschließend geht es erneut abwärts bis knapp oberhalb von 125 €/MWh am 20. September. Kurz vor Beginn des neuen Gasjahres am 1. Oktober kommt es bei den Gaskursen kurzzeitig zu Zugewinnen, die sich jedoch nicht mit den fundamentalen Bedingungen erklären lassen. Denn der Oktober lässt einen durchaus milden Start in die Heizperiode erwarten, während sich die deutsche Wirtschaft zuletzt auf einem schwachen Niveau stabilisiert hat. DE Base 2024 nähert sich am 25. September ein letztes Mal der Marke von 130 €/MWh, bevor die Notierung bis auf 121,47 €/MWh am letzten Handelstag des Monats abrutscht – der niedrigste Stand seit dem 6. Juni. Im Monatsmittel fällt DE Base 2024 im September um 9,3 % auf 124,67 €/MWh. Weniger stark sind die Einbußen beim Folgejahr: DE Base 2025 gibt um 4,7 % MoM nach. Hingegen legt DE Base 2026 leicht zu um 0,8 % MoM.

Am Spotmarkt verteuert sich der Strompreis ebenfalls. Kostete DE Base Day Ahead im August durchschnittlich noch 94,32 €/MWh, sind es im September 100,72 €/MWh. Zwar profitiert Deutschland von einer hohen PV-Stromeinspeisung, die mit 6,6 TWh rund 38 % über dem Vorjahresmonat liegt und sogar den Vormonat August noch leicht übertrifft. Doch das Windaufkommen geht zurück, der Anteil der fossilen Energieträger steigt und Gas am Spotmarkt notiert im Mittel um 9,0 % MoM höher.

Gasbörse: THE 2024 fällt unter die Marke von 50 €/MWh

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Preisentwicklung Erdgas THE für das Jahr 2024 (Quelle: EEX)

Im Monat September pendelt der Gaskurs für das Frontjahr (THE 2024) bis kurz vor dem letzten Handelstag vergleichsweise stabil im Bereich von ca. 51 €/MWh bis 53,50 €/MWh. Die Spitzenwerte stehen in einem zeitlichen Zusammenhang mit Meldungen aus Australien, wo es in der LNG-Produktion von Chevron am 8. September zu Streiks kommt. Damit tritt ein, was an den europäischen Gasmärkten bereits seit dem 9. August für starke Kursausschläge gesorgt hat. Jedoch sorgte die Spekulation bezüglich etwaiger Lieferausfälle im Vormonat noch für Kurssteigerungen bis auf knapp 59 €/MWh (THE 2024). Mittlerweile erscheint den Marktteilnehmern das globale LNG-Angebot durch vereinzelte Arbeitsniederlegungen offenkundig kaum noch gefährdet.

Für eine Unterstützung der Gaskurse spricht vielmehr eine steigende Nachfrage in China. So zeigen im September veröffentlichte Daten, dass das Land im Juli 5,86 Mio. Tonnen LNG importiert hat – ein saisonal ungewöhnlich hohes Niveau. Auch wird Mitte September bekannt, dass der chinesische Staatskonzern Sinopec über bestehende Lieferverträge hinaus noch zusätzliche LNG-Mengen beschaffen möchte. Bis Jahresfrist sollen laut Reuters 13 Tanker geordert werden. Unsicher ist zudem, welche Mengen Japan im Herbst noch für den Winter beschaffen muss, angesichts historisch niedriger Lagerbestände der Stromerzeuger.

Nichtsdestotrotz kommt es gegen Ende September ausgehend vom LNG-Markt zu einer starken Abwärtsbewegung. In der Zeit vom 25. September bis zum letzten Handelstag am 29. September gibt der NWEM-Kontrakt für den Liefermonat Januar um 10 % nach. Zeitgleich verbilligt sich THE 2024 um rund 8 % und beendet den Monat mit 48,42 €/MWh auf dem niedrigsten Stand seit dem 8. Juni. Der Gasspeicherstand in Deutschland hat jetzt die Marke von 95 % überschritten, der Arbeitskampf in Australien ist beigelegt und die norwegischen Pipeline-Importe kehren auf Normalniveau zurück. Obendrein sind für den Oktober anomal hohe Temperaturen in Nordwesteuropa zu erwarten.

Im Monatsmittel kostet THE 2024 im September 51,69 €/MWh und damit 3,9 % weniger als noch im Vormonat. THE 2025 notiert im Mittel nahezu unverändert mit 47,97 €/MWh, während THE 2026 mit 39,68 €/MWh ein deutliches Plus von 3,2 % verzeichnet.

Ausblick: Aktuelle Lage – Geopolitische Risiken dominieren

DE Base 2024 steigt im Laufe der KW41 um rund 18 % und gleicht damit die Verluste seit Ende August aus. Zahlreiche Faktoren sorgen für Auftrieb: Schäden an der Pipeline Balticconnector, die drohende Eskalation in Nahost zu einem überregionalen Krieg, Streiks in der französischen Stromerzeugung (begleitet von Niedrigwasser in der Rohne) und eine herbstliche Kältewelle hierzulande.

Gasverbrauch Deutschland – Mit einer ersten Kältewelle hat Mitte Oktober die Heizperiode begonnen (Quelle: ISPEX-Kompass)

Am Gas-Spotmarkt sorgt eine Rallye in der KW41 für einen Anstieg von 28 €/MWh bis auf knapp 49 €/MWh. Damit kostet Erdgas ca. 8,50 €/MWh mehr als LNG, obwohl sich die fundamentale Versorgungslage nicht gravierend verschlechtert hat. Zwar fallen die Temperaturen in Teilen Deutschlands in der KW42 im Mittel voraussichtlich um bis zu 6 ℃ unter Normal und in Frankreich verringern Streiks und Trockenheit die Stromproduktion aus Kern- und Wasserkraft. Doch im Wesentlichen ist der Kursanstieg auf eine potenzielle Gefährdung der Versorgung durch einen großen Krieg in Nahost sowie etwaige Sabotagen an europäischen Pipelines zurückzuführen.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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