Energiemarkt-Kommentar: Ende der Preisrallye nicht in Sicht

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Am letzten Handelstag im April durchbricht der Strompreis für das Frontjahr die Marke von 60 €/MWh und klettert bis Mitte Mai auf Werte von über 65 €/MWh. Ein Ende der Aufwärtsdynamik ist noch immer nicht in Sicht. Ging diese bislang maßgeblich vom CO2-Preis aus, sorgt neuerdings die Lage am Gasmarkt zusätzlich für steigende Strompreise. Erfahrene Energiemanager dürfte das Geschehen an die Zeit vor der Finanzkrise erinnern, als der Strompreis für das Frontjahr zeitweise oberhalb von 90 €/MWh (Base) notierte. ISPEX analysiert für Sie die aktuelle Entwicklung im Energiesektor und wagt einen Ausblick.

Strombörse: Frontjahr legt im April um rund 3 €/MWh zu

Preisentwicklung Strom Phelix Base und Peak für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

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Im Gegensatz zu den Vormonaten notiert der Strompreis für das kommende Jahr Anfang April zunächst vergleichsweise stabil im Korridor von 56,42 €/MWh und 58,15 €/MWh (Base). Infolge der Meldung, dass sich die EU-Institutionen auf das neue Klimaziel geeinigt haben sowie der Ankündigung des US-Präsidenten, die CO2-Emissionen in den USA ebenfalls massiv senken zu wollen, schnellt der CO2-Preis um gut 3 €/t in die Höhe. Doch die Strompreise folgen dieser Bewegung nur geringfügig. Erst in den letzten Handelstagen des Monats sorgen stark steigende Kurse am Gasmarkt für eine deutliche Verteuerung der Strompreise. Das Frontjahr beschließt den April mit 60,12 €/MWh (Base) und somit 3,04 €/MWh teurer als zu Monatsanfang.

Im Monatsmittel kostet das Strom-Frontjahr im April 58,01 €/MWh, ein Anstieg um 5,5 % gegenüber dem Vormonat. Die Kalenderjahre 2023 sowie 2024 verteuern sich auf 57,00 €/MWh bzw. 54,58 €/MWh.

Gasbörse: Nach der Heizperiode ist vor der Heizperiode

Preisentwicklung Erdgas NCG für das Jahr 2022 (Quelle: EEX)

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In den ersten beiden Wochen des Aprils pendelt der Gas-Terminkontrakt für das Frontjahr zwischen 18,05 €/MWh und 18,58 €/MWh. Ähnlich den Strompreisen reagieren die Gaspreise in der KW16 nur verhalten auf das Geschehen am CO2-Markt. Doch zu Beginn der KW17 ziehen die Kurse an den Gasbörsen in Nordwesteuropa sehr stark an. Besonders steil fallen die Steigerungen am kurzen Ende aus. So kostet z.B. der Monat Juni in Deutschland (NCG) am letzten Handelstag im April 23,54 €/MWh, während der Kontrakt für das Jahr 2022 sein Monatsmaximum an diesem Tag mit 20,08 €/MWh erreicht – dem höchsten Stand seit April 2019 und ein Anstieg um rund 8 % innerhalb von nur vier Tagen. Hintergrund ist erneut das kalte Wetter, das noch bis in den Mai hinein anhält. In der Folge befinden sich die Gasspeicher auf einem recht niedrigen Stand mit ca. 25 %. Die verbleibende Zeit bis zum Beginn der nächsten Heizperiode erscheint den Marktteilnehmer offenbar als knapp. Auslöser für die plötzliche Rallye mögen Meldungen gewesen sein, wonach die russische Gazprom auf den Erwerb zusätzlicher Transitkapazitäten durch die Ukraine verzichtet hat und somit in den Sommermonaten möglicherweise weniger Erdgas liefern wird, als es die Nachfrage erlauben würde.

Das Frontjahr verteuert sich gegenüber dem Vormonat im Monatsmittel um 5,5 % auf 18,75 €/MWh. Die Jahre 2023 und 2024 kosten durchschnittlich 17,42 €/MWh bzw. 16,52 €/MWh.

Ausblick: Blasenbildung am CO2-Markt?

Die Rallye im Energiesektor setzt sich im Mai fort. Strom-, Gas und CO2-Preise verteuern sich nun im Gleichschritt. Während der Strompreis für das Frontjahr zuletzt schon über 67 €/MWh (Base) notiert, liegt der entsprechende Gaskurs oberhalb von 22 €/MWh. Und als der CO2-Preise noch mit der Marke von 50 €/t „ringt“, verkündet Frans Timmermans, Vizepräsident und Klimaschutz-Kommissar der EU, dass der CO2-Preis seiner Einschätzung nach längerfristig (!) noch deutlich steigen müsse, damit die EU ihre Klimaziele erreicht. Dies ist zwar genau genommen keine neue Erkenntnis. Doch werden Schlagzeilen, die EU habe mitgeteilt, dass der CO2-Preis noch deutlich steigen müsse, in der Finanzwelt umgehend für eine neue Preisrunde genutzt. Sodann klettert der Kurs am folgenden Handelstag um 1,79 €/t. Die eigentliche Nachricht war indes, dass der EU-Kommissar einen Eingriff in das Emissionshandelssystem (EHS) ablehnt. Einen solchen hatte u.a. Polen bereits im März nahegelegt, als das Land die Untersuchung des Einflusses von Spekulanten auf den CO2-Preis durch die EU-Kommission gefordert hatte. Damit scheinen nun letzte Unsicherheiten ausgeräumt, die Politik werde die Rolle der Finanzinvestoren im EHS neu regulieren. Offen bleibt allerdings, ob dies die EU-Regierungschefs im Juli auch (noch) so sehen werden, wenn der CO2-Preis die Energiekosten immer weiter nach oben treibt. Denn am 14. Juli wird die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Revision des EHS vorlegen, denen EU-Rat und -Parlament zustimmen müssen. Erst dann wird ausgehandelt werden, wie stark der Beitrag seitens der vom EHS betroffenen Unternehmen zur Reduktion von Klimagasen in den kommenden Jahren sein soll und wie stark diesbezüglich der CO2-Handel von der Politik als Instrument genutzt wird. Allerdings erscheint mittlerweile fraglich, ob sich die Akteure am Markt für solche fundamentalen Fakten noch interessieren oder ob sich der Handel mit CO2-Futures nicht bereits verselbstständigt, analog der Entwicklung bei digitalen Währungen wie z.B. Bitcoin.

Der Stand der Gasspeicher in Deutschland im Jahresverlauf (Quelle: GIE)

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Am Gasmarkt ist derweil erst mit einer Trendwende zu rechnen, wenn sich abzeichnet, dass eine zügige Einspeicherung im Gange ist und etwaige Hitzewellen nicht ggf. noch zu einem überdurchschnittlichen Gasverbrauch führen. Die LNG-Lieferungen nach Europa begrenzen zwar das Aufwärtspotenzial bei den Gaspreisen, da reichlich Produktionskapazitäten verfügbar sind. Jedoch sind diese Lieferungen (teilweise) mit größerer Unsicherheit behaftet als die landgebundene Versorgung, wenn kurzfristig andere Destinationen höhere Gewinne versprechen. Die Wartungen norwegischer Pipelines in der zweiten Maihälfte dürften die Preise zunächst zusätzlich stützen.

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Die Analyse der genannten Energiepreise wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und dient lediglich zu Informationszwecken. Die ISPEX AG und/oder der Autor übernehmen weder das Risiko einer Investitionsentscheidung, die auf obiger Analyse basiert, noch Verantwortung für eventuell daraus entstehende Verluste oder Kosten. Diese trägt der Investor alleine.

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